Rezension zu "Die Draghi-Krise" von Markus C. Kerber
Als Lloyd Blankfein diese Feststellung traf, war er Chef von Goldman Sachs. Da sich Blankfein schon mal mit Gott auf eine Stufe gestellt hatte und sich Goldman Sachs aus gutem Grund vermutlich bestens in den europäischen Risiken auskennt, muss man das wohl glauben. Zum großen Teil mitverantwortlich für diese Bedrohungslage ist der derzeitige EZB-Chef Draghi, denn er beaufsichtigte die italienischen Banken bevor er zur EZB ging. In seiner faktisch unkontrollierbaren Position versucht er nun die enormen Risiken der italienischen Finanzwirtschaft anderen europäischen Ländern unterzuschieben. Weil insbesondere in Deutschland eine konfliktscheue Regierung an der Macht ist, scheint Herr Draghi auf einem guten Weg bei seinem Vorhaben zu sein.
Ungefähr ein Drittel aller EZB-Risiken trägt Deutschland. Es besitzt jedoch dieselben Stimmrechte wie Malta oder Zypern. Wer sich so etwas gefallen lässt, handelt völlig verantwortungslos und muss sich nicht wundern, wenn diese Unfähigkeit, berechtigte Eigeninteressen zu verfolgen, ausgenutzt wird. Der Autor dieses Büchleins fasst das so zusammen: "Dass Draghi aus der EZB eine französisch-italienische Veranstaltung gemacht hat, in der die verbliebenen Alibi-Deutschen höchstens noch Exekutanten seiner Politik sind, hängt damit zusammen, dass die Deutschen sich dieses Spiel aus Täuschung und Erpressung immer noch als europäische Integration vorgaukeln lassen."
Markus C. Kerber, Professor für öffentliche Finanzwirtschaft und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin, analysiert in seinem Text, wie Draghi es bisher geschafft hat, die EZB so zu benutzen, dass die Risiken der kranken italienischen Banken weitestgehend versteckt werden konnten. Das Prinzip ist keineswegs neu, sondern Standard in der EU. Man schafft wohlklingende Regeln für die Gemeinschaft, die sich insbesondere in Krisenzeiten bewähren sollten. Kommt dann eine Krise, dann werden die Regeln flugs gebrochen oder Sonderveranstaltungen organisiert, die wiederum so getarnt werden, dass nicht einmal die demokratischen Entscheidungsgremien verstehen, was eigentlich wirklich geschieht. Der ganze Eurorettungs-Krisenmechanismus ist dafür ein hervorragendes Beispiel. Sollte die Italien-Krise allerdings tatsächlich ausbrechen, reicht er bei weitem nicht, um eine Kettenreaktion zu vermeiden.
Das Buch beleuchtet die Sachlage, soweit das bei Italien überhaupt möglich ist, und zeigt, wie Draghi agiert, um möglichst viel von selbsterzeugten Schaden von Italien abzuhalten. Natürlich auf Kosten Deutschlands. Dass sich die deutschen Regierungen unter Merkel dies gefallen lassen, zeigt nur ein weiteres Mal ihre Inkompetenz. Einzelheiten findet man im Buch. Allerdings ist der Text oft recht technisch, was sich leider kaum vermeiden lässt. Mit ein wenig Vorbildung lässt er sich dennoch gut verstehen. Dass die Deutschen Draghi vorzeitig aus dem Amt jagen, wie Kerber optimistisch hofft, ist eher unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher ist dagegen, dass Kanzlerin Merkel wieder einmal einknickt und erneut finanzielle Risiken dem deutschen Steuerzahler auferlegt.