Rechtsanwälte sind auch Menschen
von Ein LovelyBooks-Nutzer
Rezension
Mathias Gandt ist 27 Jahre alt, hat ein abgeschlossenes Jura-Studium und einen Plan fürs Leben - Kanzlei, Karriere, Kind. Immer schön ein Punkt nach dem anderen. Als er völlig zur Unzeit die 10 Jahre ältere Klaudia kennenlernt, kommt ihm die Romantik zwischen die Zahnräder und schnell wird klar, in einer Beziehung bieten die Vorstellungen der gegnerischen Partei von einer gemeinsamen Zukunft gern eine Diskussionsgrundlage. Alles eine Frage der Abmachungen denkt Mathias und handelt mit der Italienerin einen Glücksvertrag aus. Doch dann verschieben sich die Prioritäten und Mathias muss lernen, dass nicht alles Gesetzen und Regeln unterworfen werden kann.
Rechtsanwälte sind ja auch irgendwie Menschen. In der breiten Masse der Bevölkerung wird es zumeist anders gesehen, hat man mit ihnen beruflich zu tun, mag man sie schnell für Selbstdarsteller halten, was ihr Beruf ja auch so verlangt. Diesem Gewerbe liegt es zugrunde, sich auseinander zu setzen. Rechtsanwälte streiten sich, sie vertreten etwas und es gibt Jemanden, der behauptet einfach das Gegenteil! Man kann sich vorstellen, was das mit einem Menschen macht, da muss man absolut überzeugt von sich sein. Man hat immer recht.
Hat man ein solches Exemplar in der Familie, muss man sich diese Tatsache immer wieder vor Augen halten. Mit einem Juristen in irgendeiner Form liiert zu sein ist kein Kirmesbesuch. Prioritäten wie sie "normale Menschen" haben, gelten unter Umständen nicht, mit Vernunft ist dem nicht beizukommen und aller Streit zwecklos. Man hat nicht einfach einen Job, man fühlt sich berufen. Die immense Verantwortung und die Erwartungshaltung von Vorgesetzten sowie Mandanten bestimmen den Arbeitsrhythmus. Den Schlafrhythmus. Die Mahlzeiten.
All das hat Markus Grundtner in seinem Romandebüt geschickt zu einer Beziehungsgeschichte verarbeitet, die nicht kitschig sondern realistisch ist.
Ich mochte den Ich-Erzähler Mathias sehr, er ist echt putzig und ein guter Mensch. Seine Eigenarten sind schön dargestellt, ohne zu überzeichnen hat der Autor den Charakter gut auf den Punkt gebracht. Auch Klaudia konnte ich gut verstehen, auch sie fand ich authentisch. Man mag bemängeln, dass zu wenig Hintergründe aus ihrer Vergangenheit beleuchtet werden, aber die Perspektive ist nunmal die von Mathias und so habe ich nichts vermisst, zumal es ja um die Gegenwart und die Bewältigung derselben geht. Die Ziele der Beiden sind identisch, ihre Vorstellungen von der Umsetzung könnten unterschiedlicher nicht sein.
Es ist ein humorvolles Buch mit schnellen, intelligenten Dialogen, aber ohne Flapsigkeit. Um den Wortwitz des Buches zu verstehen, bedarf es keines Insiderwissens. Womöglich gibt es autobiografische Übereinstimmungen zwischen Romanfigur und Autor, womöglich reflektiert der Autor hierüber auch eigene Denkstrukturen. Auf amüsante, teils aber auch tiefgründige Art, zeigt er die Fallstricke seines Berufsstandes und seine Auswirkungen auf Leib und Leben (auch des Partners) auf. Ein gelungenes Buch über die Work-Life -Balance eines Menschen, für den die Arbeit sein Leben ist.