Jeden Tag gibt es neue Hiobsbotschaften. Wenn irgendetwas nicht funktioniert, haben wir Chaos, wenn das Wetter verrücktspielt, ist das gleich die Klimakatastrophe. Und nun ist auch noch der Crash da. Man kann fast das Gefühl kriegen, manchen Leuten geht die jahrzehntelange friedliche Ruhe inzwischen dermaßen auf die Nerven, dass sie gleich alles übertreiben müssen. Wenn das, was sich gerade an den Finanzmärkten abspielt, bereits der befürchtete Crash ist, von dem alle nun schon ewig reden – was passiert dann eigentlich, wenn es wirklich hart wird? Fallen wir dann alle in Schockstarre? Oder gar tot um?
Vielleicht musste Florian Homm auch einfach nur wieder mal ein Buch schreiben, um seine Geschäfte am Laufen zu halten. Dieses Buch hat mehrere Autoren, wenngleich die Hauptsache wohl Homm beigetragen hat, was man im Text übrigens auch deutlich gesagt bekommt. Viele Autoren machen ein Buch nicht unbedingt besser, weil meistens einer das Niveau der anderen nicht halten kann. Kapitel fünf und sechs seien die wichtigsten im Buch, schreibt Homm. Und da hat er recht – es sind auch mit Abstand die besten, gefolgt vom China-Kapitel, das von Marcus Krall verfasst wurde. Dazu später mehr.
Nach der Hommschen Einleitung werden im ersten Kapitel die gegenwärtige Lage und das Marktumfeld analysiert. War die Lage vor Jahren schon nicht rosig, so hat sie sich inzwischen noch mehr zugespitzt. Die Spannungen im System wachsen, und die heftig agierenden Zentralbanken haben ihr Pulver weitestgehend verschossen, ohne auch nur wirklich etwas zum Besseren zu bewegen. Sie haben das ganze System notdürftig zusammengehalten, aber nicht grundlegend saniert. Den nächsten Sturm wird es vermutlich nicht überstehen. Das ist so etwas wie die Zusammenfassung dieses Kapitels. An dessen Ende steht eine bemerkenswerte Feststellung, nämlich die Einsicht, dass man auch völlig falsch liegen kann, weil man nur Prozesse betrachtet hat, die die eigene These stützen. So etwas liest man selten. Vielleicht, weil es wahr ist.
Allerdings findet man in der Tat keine wirklichen Gegenargumente, die die Darstellung der Autoren entkräften. Das Anführung von Währungsschwächen in Venezuela und der Türkei scheint mir allerdings kein Indiz für eine Schwäche des Finanzsystems zu sein (wie sie behaupten), sondern nur das Resultat autokratischer Machtstrukturen. Aber das ist lediglich eine Randbemerkung.
Kapitel 2 hingegen ist eher lustig. Dort geht es um technologische Trends und die Frage, ob sie ein Segen oder schwarze Hightech-Schwäne sind. Immer wieder gibt es Menschen, die glauben, sie könnten in die Zukunft sehen. Sieht man sich solche Prognosen rückschauend an, dann entfaltet sich ihr Humor erst so richtig. Warum hat eigentlich niemand dieser Schlaumeier die Entwicklung des Smartphones vorausgesehen? Vielleicht weil er dann schlauer als dessen Erfinder gewesen wäre? Kurz: Dieses Kapitel liest sich ganz gut, einen wirklichen Zweck erfüllt es wohl nicht, auch wenn man Lesern so etwas gerne einredet.
Übrigens widerspricht das nächste Kapitel der voranstehenden technologischen Glaskugel in einem bemerkenswerten Punkt. Während vorher Tesla über alle Maßen gelobt wurde, schreibt Krall, dass die kommende Krise "den automobilen E-Wahn als Megazombie bloßstellen wird". Das ist eine erfrischende Nebenbemerkung, die viel Wahres hat. Tatsächlich geht es in diesem Kapitel um das chinesische System und schon glimmenden Zündschnüre am Schattenbankensystem Chinas und vieler anderer Fehlentwicklungen, deren Explosionen erhebliche Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben werden. Ein kurzes, aber sehr lehrreiches Kapitel.
Nach dem vierten Kapitel (Was tun gegen Finanzrepressionen?) kommen die beiden Kernkapitel des Buches. Dort findet man zahlreiche Analysen und konkrete Handlungsvorschläge. Insbesondere stehen dort Bewertungen der Autoren über die 500 größten Aktiengesellschaften der Welt. Wie man auf solche Bewertungen kommt, wird an Beispielen offengelegt. Außerdem befassen sich die Autoren dort mit sogenannten Megatrades, also Positionen, die sich im Wert vervielfachen, wenn man rechtzeitig eingestiegen ist. Man findet dort Beispiele aus der Vergangenheit und neue Empfehlungen. Wer sich (wie man dort auch lesen kann) tatsächlich auf inverse ETFs stürzen möchte, dem kann ich nur empfehlen, sich damit vorher ausführlich zu befassen.
Im abschließenden Kapitel 7 gibt es dann weitere Handlungsvorschläge, die auch recht gut erklärt werden. Für Kleinanleger eignen sie sich allerdings weniger. Sie sind wohl auch nicht die Zielgruppe von Homms Börsenbrief, der in diesem Buch eine gewisse Fortsetzung findet und auf den immer wieder hingewiesen wird.
Im Gegensatz zu vielen anderen Crashbüchern ist dieses Werk gespickt mit zahlreichen recht konkreten Vorschlägen und Handlungsanweisungen. Es enthält auch viele Analysen, die ein gewisses Alleinstellungsmerkmal besitzen und lehrreich sind oder wenigstens einen Denkanstoß geben. Das nächste Buch erscheint nach Angaben in diesem Werk übrigens, wenn man wieder in die Finanzmärkte auf der Longseite einsteigen kann. Das glaube ich eher nicht, weil Herr Homm es vermutlich solange nicht aushalten wird.