„Reise zum Geschmack“ – der Titel des Buches von Christian Seiler ist sowohl in literarischer als auch kulinarischer Hinsicht Programm. Der Wiener Seiler ist ein Bilderbuch-Vertreter der großen Kulturnation, die Österreich ist – trotz oder auch wegen der geographischen Überschaubarkeit des Landes und trotz seiner Abgründe. Es wäre einseitig zu behaupten, die „Nachfahren“ des ehemaligen Vielvölkerstaates besäßen die Lust am Blick über Grenzen quasi von Geburt an. Doch der 1961 geborene Seiler zählt definitiv zu den Kosmopoliten unter den Österreichern. Auf zwölf kulinarische Ausflüge an die Originalschauplätze berühmter Speisen nimmt er die Leser in seinem Buch mit: Wien und sein Schnitzel sowie München und die Weißwurst finden sich darin ebenso wie Kopenhagen und Smörrebröd oder Istanbul und Kebap. Über die Panade eines perfekten Schnitzels schreibt Seiler, sie müsse Falten werfen wie ein Shar-Pei-Hund. Mit seinen Reportagen steht der Autor in der direkten essayistisch-erzählerischen Tradition Egon Erwin Kischs. Auch Kisch arbeitete jahrelang in Wien, dieser Kapitale des deutschsprachigen Zeitungswesens, in der Seiler seine brillante Karriere begann: 1984 beim „Wiener“, dem Vorbild vieler Lifestylemagazine, mit 36 war er bereits Chefredakteur von „Profil“, dem österreichischen Pendant des „Spiegels“, er leitete das Schweizer Kulturmagazin „Du“ und schreibt heute für Top-Publikationen wie den „Feinschmecker“. Bei seinen Exkursionen bleibt Seiler im besten Sinne Journalist und lässt sich mit aller Neugier auf die Menschen ein, die zum Geschmack gehören. Oder andersherum: auf den Geschmack, der zu den Menschen gehört. Das Buch ist zudem sehr schön gemacht, inklusive Rezepten und mit wunderbaren Illustrationen von Markus Roos, mit denen dieser die jeweilige Geschmacksreise originell bebildert. Leider ist es nicht ganz billig - aber durchaus "preis-wert".