Rezension zu "Die 120 Tage von Sodom" von Marquis de Sade
Sprache ist natürlich "veraltet", aber stilvoll geschrieben. Aber kaum waren Kinder und Sex involviert, war es mir zu viel und ich habe nicht weiter gelesen.
Quelle: Verlag / vlb
Sprache ist natürlich "veraltet", aber stilvoll geschrieben. Aber kaum waren Kinder und Sex involviert, war es mir zu viel und ich habe nicht weiter gelesen.
20 Jahre war ich alt, als ich das Buch in die Hand bekam.
Ich traute meinen Augen nicht. Auf Seite 17 war ich zum ersten Mal erregt.
Danach war ich erschüttert über mich selbst. Ein halbes Jahr voller Selbstzweifel benötigte ich, um zu akzeptieren, dass Grausamkeit im Menschen ebenso vorhanden ist wie Liebe und dass Fantasien und reales Handeln zweierlei sind.
Werter Leser: Lass' alle Hoffnung fahren!
"Juliette oder die Vorteile des Lasters" ist nicht herkömmlich deviant, paraphil oder "pervers" - dieser Roman ist grenzenlos in seinen ausschweifenden Inhalten. Er passt nicht ins herkömmliche "BDSM"-Klischee, sein Inhalt macht vor nichts Halt und kennt KEINE Tabus. Die geschilderten Ausschweifungen enden mit Vorliebe in Lustmorden, die Juliette mit überschwappender Begeisterung begeht!
Auch Eltern und Kinder werden nicht geschont - wobei ich nie begriff, warum die Darstellung des Mordes an einem Menschen schlimmer sein sollte als die an einem anderen. Schließlich gibt es bezüglich des Lebensrechtes eines Menschen keine Wertigkeit, wonach etwa eine 80-jährige Dame weniger wert wäre als eine 8-jährige.
De Sade öffnet einem die Augen für die irren, düsteren, blutrünstigen Seiten des eigenen Selbst.
Im besten Falle kann man danach besser mit ihnen umgehen als die Saubermänner, die durchdrehen und Verbrechen begehen, wenn sie nur die Gelegenheit dazu erhalten oder eine passende `moralische´ Begründung finden. So sind es z.B. gewiss nicht Leser oder gar Anhänger de Sades gewesen, die Massaker wie das von My Lai in Vietnam angerichtet haben. Das waren blitzsaubere Jungs, die sich vielleicht schon über ein Nacktbild auf einer Illustriertentitelseite empört hätten.
Im schlechtesten Falle mag man nach dem Lesen Probleme haben, sich selbst im Spiegel anzusehen.
Im Laufe vieler Jahre habe ich einige Freunde und viele Freundinnen mit diesem Buch konfrontiert. Eine Einzige hat sich davor verschlossen, verbarg sich offenbar vor den möglichen Abgründen ihrer eigenen Seele. Alle anderen haben mir nach dem Lesen mit bleichem Gesicht gegenüber gesessen, erschüttert von sich selbst, aber gestehend:
"Es war geil."
Liest man andere Rezensionen über "Juliette", erscheinen diese oft zeitgeistgerecht sehr moralisierend.
Ich glaube diesen Rezensenten nicht.
Eigenartigerweise wird dieser von der Kritik fast einhellig zerissene Roman immer wieder neu aufgelegt. Würde der Roman nur mit Abscheu erfüllen, ließe er sich kaum verkaufen. Ich unterstelle, dass er der heimliche Favorit in manchen Schlafzimmern ist.
So seid Ihr!
So sind wir Menschen.
So bin gewiss auch ich.
Ein Irrsinn ist, dass dieses Buch jeder 12-Jährige erstehen und lesen kann, ein Pornoheftchen aber nicht. De Sade ist eben Literat, nicht Pornograph ...
Das lässt m.E. gewisse Jugendschutzbestimmungen lächerlich erscheinen.
Alle, die ich kenne, wussten nach der Lektüre besser über sich Bescheid. Wer seine dunkelsten Seiten kennt, kann besser mit ihnen umgehen und sie kontrollieren.
Keiner lief Gefahr, Verbrechen zu begehen - eher war er gewappnet für den Fall der Fälle.
Alle konnten sie das Buch für das nutzen, wofür der 12-Jährige besagtes Heftchen nicht nutzen darf.
Eine einzige Frau unterlag der im Buche fast nebenbei transportierten Philosophie der Befürwortung des Bösen an sich. Auch sie wird nun weder Kinder noch Eltern lustmorden, doch rechtfertigt sie sich damit ihren rücksichtslosen Egoismus und ihre Neigung zur Bosheit gegenüber anderen.
Das ist vielleicht das einzig Gefährliche an diesem Buch:
Nicht die Darstellung der perversen Sexualität, sondern die Vermittlung einer Philosophie, nach der es für einen selbst immer das Beste ist, so böse und niederträchtig wie möglich zu sein.
Manchmal graut es mich davor, wie sehr die Realitäten unserer Welt
de Sades Philosophie Recht zu geben scheinen.
Ich hatte mich als Teenager schon an Marquis de Sade gewagt, hatte ihm damals jedoch nicht viel abgewinnen können.
Heute, ein paar Jahre reifer, und um ein paar Spielformen des Sex reicher, wurde es Zeit mich mal wieder mit dem Marquis zu beschäftigen.
Um es gleich vorweg zu nehmen. Der Marquis ist weder ein guter, noch besonders origineller Schriftsteller. Seine wohl größte Stärke liegt darin, dass er aus seiner Leidenschaft Romane gebastelt hat, die vor allem durch eine nicht enden wollende Aneinanderreihung von Grausamkeiten besteht. Was spätestens nach hundert Seiten ziemlich ermüdend wird.
Interessant werden die Bücher vom Marquis, wenn man hinter die Geschichte zu schauen beginnt.
Zum beispiel, inwieweit die Schilderungen der frustrierten Fantasie eines Eingesperrten, oder womöglich ein ungeschöntes Moralbild der scheinheilgen Menschengesellschaft darstellen. Wurde er womöglich eingesperrt, nicht weil er gegen die "guten Sitten" verstieß, sondern vielmehr Geheimnisse auspauderte, die verborgen bleiben wollten?
Die eingestreuten philosophischen Betrachtungen über die Vorteile der Grausamkeit sind ebenfalls sehr interessant. Nicht nur, weil sie ganz offensichtlich von diversen populären Philosophen geklaut wurden, sondern auch, weil sie in ihrer Aufdringlichkeit vor allem den Hass das Marquis auf die Menschenregeln spiegeln.
Sind seine wütenden Bücher Ausdruck eines Protests? Gegen Spießigkeit und Verlogenheit? Und sind die geschilderten Grausamkeiten womöglich reiner Selbstzweck? Sollen sie die provozieren und verletzen, die ihn mit ihrer Kleinbürgerlichkeit verletzten? Schreiben als Rache?
Wie gesagt, der Marquis war kein besonderer Schriftsteller. Aber ich möchte ihn als hervorragenden Gesellschaftskritiker bezeichnen. Indem er seine geile Sucht öffentlich machte, entblößte er die Krankheit und Gestörtheit der ganzen Gesellschaft (nicht nur seiner Zeit). Und unter diesem Gesichtspunkt werdens eine Bücher fast schon unterhaltsam. Es wird ein wenig erfreuliches Bild der Menschen gezeichnet - und das ist inmitten der weitverbreiteten Schönschreiberei ungeheuer erholsam.
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von 10 Leser*innen aktuell gelesen