Rezension zu "Kooperative Intelligenz: Das Erfolgsgeheimnis der Evolution" von Martin A. Nowak
Bookreader34„Mutation und natürliche Auslese reichen für ein Verständnis des Lebens nicht aus. Notwendig einbezogen werden muss auch Kooperation. Sie ist die Chefarchitektin dessen, was die Evolution in vier Milliarden Jahren zustande gebracht hat.“ (Zitat aus Kooperative Intelligenz – Das Erfolgsgeheimnis der Evolution)
Kooperative Intelligenz – Das Erfolgsgeheimnis der Evolution ist ein populärwissenschaftliches Sachbuch von dem Biologen und Mathematiker Martin A. Nowak und dem Wissenschaftsjournalisten Roger Highfield.
Das Thema ist die Rolle der Kooperation in der Evolution sowie auf allen Organisationsebenen der Lebewesen und die Bedingungen für ihre Entstehung, die Nowak in Zusammenarbeit mit anderen Forschern mit den mathematischen Mitteln der evolutionären Spieltheorie, der evolutionären Graphentheorie und der evolutionären Mengenlehre erforscht hat.
Wobei die Autoren mit Kooperation einerseits vor allem altruistische Kooperation meinen, die dem Hilfeleistenden nicht sofort einen eigenen Vorteil bringt, den Begriff andererseits aber auch sehr weit fassen und zum Beispiel auch die Unterstützung der Bildung eines biochemischen Stoffes durch einen anderen als Kooperation ansehen.
Obwohl auch Roger Highfield als Autor genannt wird, ist das ganze Buch in der Ich-Form aus der Sicht von Nowak geschrieben. Der Schreibstil ist sehr angenehm und leicht zu lesen. Man spürt beim Lesen deutlich Nowaks Begeisterung für das Thema, die Erklärungen sind leicht zu verstehen und es werden viele Beispiele genannt. Beispielsweise wird schon im Vorwort, das wirklich Lust auf das Thema macht, deutlich gemacht, wie viel Kooperation über Raum und Zeit hinweg notwendig ist und war, damit heute bei uns jemand eine Tasse Capuccino und ein Croissant genießen kann.
Nach dem Vorwort folgt ein Kapitel, das die Autoren als Kapitel 0 bezeichnen und in dem sie das sogenannte Gefangenendilemma erklären. Das ist ein mathematisches Konzept der Spieltheorie zur theoretischen Erforschung von Konfliktsituationen, in denen die Beteiligten entweder selbstlos handeln (kooperieren) oder eigennützig handeln können (im Sprachgebrauch der Spieltheorie defektieren), wobei es rational gesehen besser ist, nicht zu kooperieren.
Wer jetzt befürchtet, dass das Buch voller mathematischer Gleichungen ist, muss das übrigens nicht. Im ganzen Buch finden sich nur eine Handvoll sehr einfacher Ungleichungen, die gut erklärt werden. Der Rest des Buches ist in drei Abschnitte geteilt. Im ersten mit dem Titel Fünf Lösungswege geht es um die fünf grundlegenden Bedingungen für die Entstehung von Kooperation, die Nowak durch seine Forschungen ermittelt hat.
Im zweiten Abschnitt geht es um drei Beispiele für Meisterleistungen der Kooperation, wie der Titel dieses Abschnitts lautet. Diese sind der Übergang von der unbelebten zur belebten Materie zum Beispiel durch die Entstehung selbstreplizierender RNS-Moleküle, die Entstehung von Zellgemeinschaften und wie sie die Bildung von Krebs möglichst lange hinauszögern sowie die Entstehung von staatenbildenden Insekten.
Im dritten Abschnitt Von Kooperatoren zu Superkooperatoren geht es um Dinge, die uns trotz aller Konflikte Kooperation in einem Ausmaß ermöglichen, das weit über alles hinausgeht, was andere Lebewesen können, weshalb die Autoren uns als Superkooperatoren bezeichnen. Dazu zählen auch unsere komplexen Sprachen, deren Entstehung aus den Lautäußerungen von Tieren Nowak erforscht hat.
Aber es geht auch um die sogenannte Tragik der Allmende und Möglichkeiten, sie zu verhindern, die Nowak mit sogenannten Öffentliche-Güter-Spielen erforscht hat. Außerdem geht es in jeweils einem Kapitel um den Einfluss von Freundschaften und von Strafen beziehungsweise Belohnungen auf die Kooperation in einer Population.
Man erfährt aber auch einiges über die Forschungen anderer Wissenschaftler, die auf dem Gebiet der Spieltheorie oder anderen Forschungsfeldern gearbeitet haben, die mit den Themen des Buches zusammenhängen. Über das Leben mancher der Forscher erfährt man ebenfalls etwas und auch die Stationen von Nowaks Forscherleben werden beschrieben.
Vieles war mir nicht gänzlich neu, auch durch meine eigene Lebenserfahrung. Aber manchmal erweist sich ja durch genaues Nachprüfen, dass scheinbar offensichtliche Dinge nicht stimmen, also haben solche Forschungen trotzdem ihre Berechtigung. Manches hat mich allerdings auch überrascht. Schon allein, wie viel man offenbar selbst im Bereich der Biologie mithilfe von Mathematik herausfinden kann, hat mich beeindruckt, da mir das bisher nicht bewusst war.
Im Anhang gibt es noch ein sehr umfangreiches Verzeichnis mit Quellen und weiterführender Literatur, das nicht nur nach den Kapiteln, sondern auch nach der Art der Quellen beziehungsweise Literatur (wie Bücher und Internetseiten) geordnet ist, sowie ein Personenregister mit allen im Buch erwähnten Personen.
Den Titel der deutschen Ausgabe finde ich nicht ganz gelungen, da die Autoren eben auch Vorgänge als Kooperation bezeichnen, die keine Intelligenz erfordern. Das Titelbild mit den Blattschneiderameisen, die im Buch als ein Beispiel für Kooperation im Tierreich genannt werden, gefällt mir aber und passt gut zum Thema.
Insgesamt hat mir Kooperative Intelligenz – das Erfolgsgeheimnis der Evolution wirklich gut gefallen und ich empfehle das Buch allen, die das Thema interessiert.