Martin Amis

 3,8 Sterne bei 91 Bewertungen
Autor*in von Interessengebiet, Pfeil der Zeit und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Martin Amis, geboren 1949 in Oxford, war einer der bedeutendsten englischen Gegenwartsautoren. Er ist der Verfasser von vierzehn Romanen, zwei Kurzgeschichtensammlungen und sechs Sachbüchern. Für sein Romandebüt Das Rachel-Tagebuch (1973) erhielt er den Somerset Maugham Award. Zu seinen bekanntesten Werken zählen weiterhin Gierig (1984), London Fields (1989), Interessengebiet (2015) und sein Essayband Im Vulkan (2018). Bei Kein & Aber erschien zuletzt sein autobiografischer Monumentalroman Inside Story (2022). Martin Amis starb 2023 in Lake Worth, Florida.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Martin Amis

Cover des Buches Interessengebiet (ISBN: 9783036959535)

Interessengebiet

 (20)
Erschienen am 26.04.2017
Cover des Buches Pfeil der Zeit (ISBN: 9783423132091)

Pfeil der Zeit

 (10)
Erschienen am 01.06.2004
Cover des Buches Gierig (ISBN: 9783036959306)

Gierig

 (9)
Erschienen am 13.08.2015
Cover des Buches Night Train (ISBN: 9783596149353)

Night Train

 (6)
Erschienen am 01.02.2001
Cover des Buches Haus der Begegnungen (ISBN: 9783446230521)

Haus der Begegnungen

 (5)
Erschienen am 20.08.2008
Cover des Buches Das Rachel-Tagebuch (ISBN: 9783036959313)

Das Rachel-Tagebuch

 (1)
Erschienen am 13.08.2015
Cover des Buches Die Hauptsachen (ISBN: 9783423136594)

Die Hauptsachen

 (1)
Erschienen am 23.04.2008

Neue Rezensionen zu Martin Amis

Cover des Buches Interessengebiet (ISBN: 9783036957241)
Buecherseele79s avatar

Rezension zu "Interessengebiet" von Martin Amis

Holocaust aus drei Blickwinkeln
Buecherseele79vor 5 Tagen

"Nach einer Weile bemerkt man, dass alle Sonders das tun: Sie alle suchen ihre Augen zu verbergen. Und wer hätte gedacht, wie essenziell notwendig es im Umgang miteinander ist, die Augen des anderen zu sehen? Ja. Denn die Augen sind die Fenster der Seele, und wenn die Seele weg ist, sind auch die Augen unbewohnt." (Seite 112)

Es ist schwer dieses Buch in Worte zu fassen. Auf jeden Fall gelingt Martin Amis ein sehr bedrückendes und erschreckend geliefertes Bild über den Holocaust.

Wir haben es mit drei männlichen Protagonisten zu tun. 

Alle drei "arbeiten" im Kat Zet. Alleine dass es so ausgeschrieben wird hat mich fasziniert. Man kann sich denken, mit gewissen geschichtlichen Hintergrund, um welches Kat Zet es sich handelt.

Golo Thomsen ist SS- Offizier und ist tätig im Kat Zet. Er hegt Recht früh Gefühle für Hannah, die Frau an der Seite des Lagerkommandanten. Thomsen war mir lange Zeit zu zwielichtig, machte eher den Eindruck als geht es hier nur um Frauen und wer sie ins Bett bekommt. Seine Rolle wird nicht ganz aufgeklärt, aber er hatte auf jeden Fall verschiedene Ansichten und auch mit einer gewissen Nazigrösse im Reich zu tun.

Paul Doll ist der Lagerkommandant und eigentlich, hässlich gesagt, dieser dumme Trottel der der ganzen Propaganda erlegen war und versuchte alles umzusetzen was möglich war. Interessant waren immer die Interaktionen zwischen ihm und seiner Frau Hannah, denn hier trafen Welten aufeinander und gerade Hannah konnte sich mit ihrer schrecklichen Ehrlichkeit in mein Herz spielen.

Der schwerste Part hat hier Szmul. Er ist dafür verantwortlich dass alle Wertgegenstände den Juden angenommen werden und ins Lager "Kanda" kommen. Man lebt auf jeden Fall besser als die restlichen Juden im Kat Zet aber was es für die Menschlichkeit bedeutet wird bei Szmul am ehesten erklärt. Und ich war hier zwischen geschockt und Unglauben weil es an Grenzen des Möglichen ging.

Die Tatsache dass hier drei Männer erzählen fand ich sehr gut umgesetzt. Denn meist waren sie in der Zeit des Dritten Reichs an der Macht, waren die Anführer und Wortgeber. Wie sie den Holocaust, ihre Taten erleben, verantworten, darüber nachdenken oder nicht war erschreckend realistisch und hat mich sehr oft ins kalte Wasser geschmissen.

Ich glaube durch diese drei Protagonisten ist auch klar geworden wie sehr man abstumpfen kann. Gegenüber den Menschen im Allgemeinen, aber auch gegenüber Frauen. Gerade die zwei Männer Doll und Thomsen waren fast schon besessen was den Sex und die Frauenwelt angeht. 

Dieses Buch befasst sich mit den Abläufen in einem Kat Zet und welche Interessengebiete hier eine Rolle gespielt haben. Eine ganz eigene, dreckige und absolut menschenunwürdige Welt die sich in diesem Buch offenbart. 

Ganz klar ein Buch was man gelesen haben sollte. 

Cover des Buches Im Vulkan (ISBN: 9783036957883)
J

Rezension zu "Im Vulkan" von Martin Amis

Engagierte Gelegenheitsarbeiten
jamal_tuschickvor 5 Jahren

Bertolt Brecht konnte nicht schreiben, wenn er erkältet war. Martin Amis nimmt die Frage eines Leserbriefschreibers zum Anlass, sich als Arbeiter am Schreibtisch darzustellen – so abhängig von der Verfassung des Leibes wie jeder, der nur seine Körperkraft im Verein mit einem Können auf den Markt werfen kann. Amis beschreibt seine Produktion als physischen Prozess ohne den Aspekt der Entfremdung. Der Vergleich mit dem Arbeiter humpelt solange, bis man an seiner Stelle einen Athleten auftreten lässt. Der Autor schildert Schreiben als Sport: professionell betrieben auf den Ebenen des Romans; spielerisch-belustigt und angeturnt in Ausnahmesituationen (so wie bei einem London Trip mit Tony Blair im gepanzerten Jaguar auf geräumten Straßen, den Triumphbogen des Constitution Arch tunnelnd und alle roten Ampeln überfahrend) in den Niederungen der Zeitungsprosa. Eine von Daniel Kehlmann herausgegebene Sammlung von Amis‘ Besprechungen und essayistischen Übungen zeigt den hingerissenen und (vom Premier) mitgenommenen Amateur, der ohne professionellen Abstand zu seinen Gegenständen zum Sekretär einer rauschenden Gegenwart wird.

„Nun fällt mir auf, dass der Premierminister nicht angeschnallt ist.“

Amis erklärt Blairs jugendliches Aussehen mit einer Quarantäne: „Zehn Jahre in einer Welt ohne Straßenverkehr.“ Er überliefert, was er zu Blair gesagt hat. Die Reportage „Unterwegs mit Tony Blair“ liest sich, als habe der Staatschef kaum Gelegenheit gefunden, dem Autor gegenüber ausführlich zu werden.

Amis erscheint als Rezensent so engagiert wie Prinz Philipp von Griechenland als Ehemann einer Königin, die zehn Premierminister überlebte und nur bei ihrer Taufe in der Öffentlichkeit auf Contenance verzichtete. Er stürzt sich auf die Titel, Thesen, Termine und Temperamente, die ihm offeriert werden. Er reißt das Thema einer Stunde mit einem intellektuellen Nackenbiss, auf Figuren zur Textaufwertung stets verzichtend. Der Griff einer Frau in ihr Haar, eine obsolete Redewendung oder der verregnete Anblick einer vergessenen Sache lösen Romane aus den Klammern des Vorbewussten. Den Schwung für die Gelegenheitsarbeiten erhält das Golfen auf avancierten Allgemeinplätzen. Der Tod einer traurigen Prinzessin, „die Nachricht erreichte Balmoral Castle um ein Uhr früh am 31. August 1997“, zwang Königin Elisabeth zu Vorspiegelungen, die Amis eine Chance boten, das Haus Windsor introspektiv einzunehmen.

„Die Rede der Königin“ entstand 2002. Im Text kehrt der Autor zurück zum Anfang eines Endes. Er malt sich den jungen Philipp in der Rolle des Verehrers als Habenichts mit „sensationellem Stammbaum“ aus. Er geht steil: „Freud persönlich riet Philipps Mutter, da sie sich einbildete, die Geliebte von Buddha und Jesus zu sein, zu einer Bestrahlung der Eierstöcke, um das Einsetzen des Klimakteriums zu beschleunigen“.

Amis beruft sich auf Orwell in seiner Erklärung, warum die repräsentative Monarchie das XX. Jahrhundert überlebt hat. Angeblich gibt es einen Trutz der Zuneigung, der „fast so alt ist wie die Geschichte. Die Idee, dass der König (die Königin) und das gemeine Volk eine Allianz gegen die herrschende Klasse bilden.“

Manches erscheint so exaltiert, als habe sich ein Troll an der Übersetzung vergriffen. Das gilt zumal für die Titelgeschichte „Im Vulkan“ - in Anspielung auf Malcolm Lowrys Hauptwerk „Unter dem Vulkan“. Ich weiß nicht, ob Amis seine wilden Feststellungen auf der Grundlage einer Biografie traf, die Gordon Bowker unter dem Titel „Pursued by Furies“ veröffentlichte, oder ob er, als Sohn von Kingsley Amis fürstlich informiert, über jeden Zweifel erhabenen Betriebstratsch in die Konsumentensphäre streute. Ich finde die Ladung so überspannt, dass ich das Original vom 12.12.1993 googele. „Demons under the volcano: A new life of Malcolm Lowry shows the 'internal romance' of the boozy, bragging drifter“ liefert dem Text die herabsetzende Überschrift. Die Übersetzung trifft aber jeden Punkt einer irrwitzig engagierten Auseinandersetzung.

„Lowry war zusätzlich mit einem besonders kleinen Penis ausgestattet, was geholfen haben dürfte.“

Wobei denn?

Die Bemerkung wird von negativen Zuschreibungen gerahmt. Der „fünfunddreißig Jahre lang (nahezu ununterbrochen) beschickerte“ Lowry sei unzuverlässig gewesen, ein zwanghafter Lügner und Aufschneider vielmehr.

„Um als Alkoholiker wirklich erfolgreich zu sein, um bis zum Ende durchzuhalten, muss man (noch) eine Reihe anderer Eigenschaften haben: Man muss … vor kaum etwas zurückschrecken, solipsistisch leben, unsicher und unermüdlich.“  Der Satz bricht da ab. Gleichwohl überliefert er den blutleeren Exzess eines Mannes, der sein Leben an die Sucht delegierte, nicht anders als William Seward Burroughs, den Amis unterschlägt.

Cover des Buches Interessengebiet (ISBN: 9783036957241)
leseleas avatar

Rezension zu "Interessengebiet" von Martin Amis

Umstritten - zu Recht!
leseleavor 7 Jahren

Martin Amis‘ Roman Interessengebiet schlug schon vor seinem Erscheinen hohe Wellen: Sein deutscher Verlag, der Hanser-Verlag, schlug die Publikation des Buches aus. Der Kein & Aber-Verlag entschloss sich schließlich zur Veröffentlichung und druckte in kluger Voraussicht ein Zitat aus Der Welt auf den Klappentext: „Vergessen Sie alles, was Sie über diesen Roman gelesen haben. Lesen Sie ihn selbst.“ Das habe ich und andere getan: Im Feuilleton fiel der Roman über weite Strecken durch, im Literarischen Quartett gingen die Meinungen auseinander, hier bei LovelyBooks findet man hingegen durchaus auch positive Bewertungen.

Woran liegt diese Polarisierung? Nun, laut Klappentext geht es im Interessengebiet um eine Liebesgeschichte – eine Liebesgeschichte, die nicht nur während des Nazi-Regimes spielt, sondern direkt im Zentrum seiner Grausamkeit: in Auschwitz! Der SS-Offizier Golo Thomsen verliebt sich in Hannah Doll, die Frau des Lagerkommandanten Paul Doll. Während meiner Recherche nach der Lektüre dieses Buches stieß ich immer wieder auf die Meinung, es sei diese Diskrepanz zwischen Liebesgeschichte und Ort des Massenmordes, die den Roman so verstörend machte und Probleme bei den Lesern hervorrufen würde. Hier kann ich direkt sagen: Das war nicht mein Problem!

Wäre tatsächlich eine Liebesgeschichte erzählt worden, wäre hier tatsächlich von Romantik, ersten Blicken, zaghaften Küssen berichtet geworden – und das im Mitten des höchsten Grauens, das wir uns (nicht) vorstellen können, ich wäre, sofern das bei dieser Thematik geht, begeistert gewesen und hätte den Mut des Autors bewundert, diese beiden Gegensätze vereinen zu wollen. Doch meiner Meinung nach geht es hier nicht um Liebe, sondern um Sex! Auf gefühlt jeder zweiten Seite wird vom Ficken und Vögeln, von Körperteilen diverser Frauen, von Fingern in den Körperöffnungen ebendieser Frauen, von den Bedürfnissen des nationalsozialistischen Mannes an sich geschwafelt. Das Buch ist (für meine Verhältnisse und ich bin eigentlich nicht zartbesaitet) obszön und zwar gewollt. Amis setzt auf Provokation, indem er von sexuellen Gelüsten redet, während ein paar Seiten später jüdische Häftlinge erschossen, ins Gas geschickt, zu Tode geprügelt werden. Er setzt – und das ist mein Problem bei diesem Buch – auf Sex, Drugs und Holocaust!

Das Ganze ist makaber und das soll es auch sein! Der Holocaust wird hier in seiner, von vielen Tätern wohl so empfundenen Belanglosigkeit dargestellt, die nüchterne Industrialisierung diesen Massenmordes wird auf jeder Seite greifbar. Das mag der Realität entsprechen, das mag die grausame Wirklichkeit sein, die in vielen Büchern ausgespart wird – doch es bleibt grenzwertig. Bei fiktiven Romanen über den Holocaust, geschrieben von Autoren, die diese Zeit nicht erlebt haben, muss sich jeder – Schreiber wie Leser – die Frage stellen, wie darüber geschrieben werden kann, was darüber gesagt werden sollte. Hier kommt jeder zu einem anderen Fazit. Mein persönliche Bewertung zu Interessengebiet lautet: Das geht nicht! Für mich ist diese Art des Schreibens im Angesicht der Millionen von Opfer nicht angebracht!

Neben dieser moralischen und dabei zweifelslos persönlichen und emotionalen Bewertung gibt es aber auch „handwerkliche Mängel“, die ich zu kritisieren habe: Die Sprache des Romans ist mir zu gespreizt, die Figuren bleiben blass, klischeehaft und reine Schablonen (der Mitläufer Thomsen, der überzeugte Nationalist Doll, das Opfer Szmul, das zum „Täter“ wird). Es fehlt hier an Tiefe, obwohl ich dem Autor zugestehe, dass dies sicherlich eine Herausforderung ist. Hinzu kommt, dass in diesem Buch – abgesehen nun mal von dem Offensichtlichen – nichts passiert: Die im Klappentext angekündigte Liebesbeziehung verpufft bevor sie angefangen hat, ansonsten hat das Buch keine Handlung, keine Entwicklung. Vielleicht ist das bei diesem Ort des Geschehens auch nicht möglich, dann stellt sich mir aber die Frage, warum dieses Buch geschrieben worden ist. Positiv zu bewerten ist hingegen der ständige Perspektivwechsel der drei oben genannten Figuren, durch die die Geschichte an Dynamik erfährt, fortgeschrieben wird und sogar hin und wieder zu überraschen weiß.

Insgesamt lässt mich Interessengebiet ratlos, angewidert, aufgebracht und zugleich gelangweilt zurück. Worüber hier eigentlich erzählt werden sollte, wird mir bis zum Schluss nicht klar. Das Buch stellt keine Fragen, es bietet keine Antworten. So bleibt bei mir der schale Geschmack zurück, dass hier jemand einfach nur schockieren wollte, über diesen Effekt hinaus sich jedoch kaum Gedanken um die Geschichte und ihre eventuelle Botschaft gemacht hat. Interessengebiet fällt deswegen bei mir durch! 2 von 5 Sternen.

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