Scarlett Johnson heißt nicht nur fast wie die bekannte Schauspielerin, sondern sieht auch noch so aus. Da ist es verständlich, dass sie immer wieder mit ihr verglichen wird.
Ansonsten hat sie aber wenig mit ihr gemeinsam. Als Leiterin der europäischen Niederlassung des größten amerikanischen Verlagshauses widmet sie ihr Leben seit zwei Jahrzehnten allein ihrem Beruf. Höchst diszipliniert, ohne Fehltage, ohne Urlaub, ohne Privatleben.
Ein an sich ganz banales Versehen wirft sie jedoch plötzlich aus der Bahn. Sie landet irrtümlich auf der falschen Etage und gerät in ein Gespräch mit einem externen Mitarbeiter, der sie nicht kennt. So erfährt sie, was man im Haus über sie denkt. Man betrachtet sie als knallharte und unnahbare Businessfrau. In der Folge lässt sie sich nach Jahren erstmals wieder auf ein Date ein, beginnt eine Freundschaft mit ihrer Assistentin Karlotta, geht aus, knüpft neue Kontakte, stellt aber nach und nach fest, dass ihr geordnetes Leben aus den Fugen geraten ist. Eine Psychotherapeutin rät ihr schließlich zu einer Auszeit.
Mit der Reise nach Peru schlagen das Buch wie auch das Leben Scarletts gewissermaßen ein ganz neues Kapitel auf. Während ich als Leserin mich anfangs schwer damit tat, mich mit der perfekten und unnahbaren Geschäftsfrau Scarlett zu identifizieren, ihr beängstigend kontaktarmes und leeres Leben irritiert, bedrückt, sogar etwas abgestoßen haben, entführt der Autor nun in ein buntes, aufregendes Abenteuer, lässt den Dschungel mit seiner Tier- und Pflanzenwelt hautnah miterleben und beschreibt sogar das Camp und die Erfahrungen mit bewusstseinserweiternden Heilpflanzen so anschaulich, als würde man es selbst miterleben.
Die Wandlung Scarletts lässt sich daher nachvollziehen und miterleben. Spätestens am Airport Madrid tut sich ein Wendepunkt auf. Ein bewegender und auch schmerzhafter Seelentrip, der lange verschüttete, traumatische Erlebnisse zu Tage bringt.
Was anfangs nüchtern und kalt ist, wandelt sich in eine hoch emotionale und tragische Lebensgeschichte, die den Leser packt und gespannt bis zum Ende des Buchs folgen lässt.
Es mag viel Zufall dabei sein. Daran sollte man sich jedoch nicht stören, sondern es einfach als gleichsam heilsame Leseerfahrung nehmen, bei der am Ende alles, was vorher aus dem Gleichgewicht war, wieder an seinen Platz kommt. Zwar kommt Scarlett hier und da vielleicht etwas männlich daher, dennoch ist bemerkenswert, dass der Autor in die Rolle einer Frau schlüpft.
Der Roman entzieht sich meines Erachtens der Einordnung in die üblichen Kategorien. Er ist ein bisschen Liebesroman, Abenteuer, Seelentrip, sogar etwas Krimi und irgendwie auch ein wenig Märchen. Dass man „Airport Madrid“ nicht ganz klar einordnen kann, macht es aber gerade zu einer besonderen Lektüre. Die feine, äußerst bildhafte Sprache des Autors, die dem Leser selbst kleinste Details so nahebringt, dass man sie gleichsam fühlen, hören, riechen oder schmecken kann - seien es das Parfüm Karlottas, der Kräutertrank oder die Geräusche des Urwalds - machen das Buch ebenfalls zu einem Leseerlebnis. Selbst bei den Dialogen, ob mit Karlotta oder Matthew, hat man das Gefühl, selbst unmittelbar Adressat zu sein.
Fazit: absolut empfehlenswerte Lektüre für Leser, die offen für etwas ganz Neues sind.