Man darf sich nicht vom Cover täuschen lassen: Bei "Wiedersehen in Hannesford Court" handelt es sich nicht um einen Liebesroman. Vielmehr bewegt sich Tom eher in den Ecken und Winkeln der Vergangenheit, um ein Geheimnis zu lösen, von dem eigentlich niemandem bewusst war, dass es existiert.
Martin Davies lässt Tom in der Ich-Perspektive erzählen, nicht meine bevorzugte Leseperspektive, weil es alles auf die Gedanken und Wahrnehmungen des Ich-Erzählers beschränkt.
Anfangs erlebt der Leser rückblickend mit Tom, wie die Zeiten vor dem Krieg auf Hannesford Court waren - die ausgedehnten Treffen des Freundeskreises, die einzelnen Charaktere der Freunde, immer überstrahlt von den Geschwistern Stansbury - gerade Harry, der Stammhalter, galt immer als strahlende, schillernde Persönlichkeit und steht nach seinem Tod im Krieg erst recht auf einem imaginären Sockel.
Überhaupt haben die meisten der Freunde den Krieg nicht überlebt, sodass Tom sich glücklich schätzen kann, wieder in der Heimat zu sein und noch dazu körperlich unversehrt. Von den Dämonen, die sich in seinem Kopf tummeln und ihn verfolgen, will die Gesellschaft selbstverständlich nichts hören. Überhaupt geht es in erster Linie um den Schein - der jeweilige Mensch dahinter hat unsichtbar zu sein mit all seinen lästigen Befindlichkeiten.
Martin Davies transportiert sehr eindrücklich wie unterschiedlich die Kriegswahrnehmungen derjenigen sind, die diesen Krieg an der Front bestreiten mussten, und derjenigen, die zu Hause blieben und sich eine eigene Realität zusammengebastelt haben.
Über diese gesellschaftlichen Konflikte und Konventionen tritt das Geheimnis um die Vorgänge in Hannesford Court vor dem Krieg in den Hintergrund, in der zweiten Hälfte des Buches hingegen dominiert es das Geschehen, vor allem Toms Gedankenwelt. Und auch mit der Lösung des Rätsels macht der Autor deutlich, dass jeder Mensch eine Maske trägt und kaum einmal jemand dahinterschaut.
"Wiedersehen in Hannesford Court" ist nicht das, was ich erwartet habe - nämlich leichte Lektüre, ein netter Roman. Auch damit wäre ich zufrieden gewesen, da es meine Erwartungen erfüllt hätte. Aber Martin Davies hat nachdrücklichere Spuren hinterlassen, gerade durch den Blick hinter die Kulissen der Gesellschaft und des Menschen darin.
Martin Davies
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Martin Davies
Wiedersehen in Hannesford Court
Die Pflanzenmalerin
The Conjuror's Bird
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Tom Allen kehrt 1919 aus dem ersten Weltkrieg zurück nach Hannesford Court. Ein geheimnisvoller Brief eines Freundes, der ebenfalls als Soldat den Krieg überlebt hat, gab den Ausschlag. Bei dem Tod eines deutschen Professors, der vor dem Krieg auf dem Anwesen der Stansburys nach Schmetterlingen forschte, sei etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen. Unbehagen hält Tom zunächst gefangen, denn er wollte eigentlich die älteste Tochter der Familie niemals wiedersehen, in die er damals verliebt war und die dann jemand anderen heiratete, der in der sozialen Rangordnung weit über ihm stand. Doch er trifft auch Ann Gregory wieder, die ehemalige Gesellschafterin der noblen Familie.
Ich musste beim Lesen hin und wieder an ‚Der Weg zurück‘ von Erich Maria Remarque denken. Ein Soldat, der nach dem ersten Weltkrieg nach Hause kommt und auf eine Welt trifft, die ihm so fremd geworden ist. Gefangen von seinen Erinnerungen macht sich Tom auf die Suche nach seiner Jugend und seinen alten Träumen. Er erkennt, dass er sie verloren hat, und dass damals nichts so war, wie es zu sein schien.
Martin Davies hat den ersten großen Bruch im Gesellschaftssystem eines modernen Industriestaates im Europa des 20ten Jahrhunderts wunderbar beschrieben. Die zu späte Aufklärung eines Kriminalfalles und eine sanfte Liebesgeschichte fesselten mich zusammen mit dem britischem Humor bis zum atemlosen Ende.
Zentraler Punkt der Geschichte ist der Rosenball auf dem Landgut der Familie Stansbury, auf dem der deutsche Professor Schmidt tot zusammenbricht. Hauptmann Tom Allen kommt 5 Jahre später wieder auf den Landsitz und erfährt was Mitgliedern der Familie und deren Freunden im Krieg geschehen ist. Etliche Personen werden beschrieben und ihre Charakterzüge dargestellt. Teilweise fand ich es schwer alle Zusammenhänge zu realisieren. Anfangs war es für mich spannend immer mehr über Professor Schmidt zu erfahren, doch je weiter ich im Buch kam um so "langweiliger" wurde es und zum Schluss hin war ich eher enttäuscht. Ich hatte etwas viel spektakuläreres erwartet.
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