Ein ruhiger Reihenauftakt...
von parden
Kurzmeinung: Ein ruhiger Reihenauftakt - hier überzeugt vor allem der feingeschliffene Schreibstil in Kombination mit der herausragenden Lesung!
Rezension
EIN RUHIGER REIHENAUFTAKT...
Allmen, eleganter Gentleman, Lebemann, Kunstsammler und charmanter Hochstapler, hat das Millionenerbe seines Vaters durchgebracht. Das Anwesen musste er verkaufen, er hat sich mit seinem lebenserfahrenen Faktotum Carlos aus Guatemala ins bescheidene Gewächshaus zurückgezogen. So schlecht er mit Geld umgehen kann, so virtuos beherrscht er den Umgang mit Schulden und Gläubigern. Insbesondere die diskrete Geschäftsbeziehung zu einem Antiquitätenhändler hilft ihm immer wieder aus der Bredouille. Anfangs war Allmen guter Kunde, mittlerweile ist er guter Lieferant, erst mit Stücken aus der eigenen Sammlung, dann mit Objekten, über deren Herkunft ein Kavalier besser schweigt. Bis ihn nach einem alkoholseligen Abend Jojo, eine heißhungrige junge Frau, in die Seevilla ihres Vaters abschleppt und er dort eine Sammlung von fünf traumhaft schönen Jugendstil-Schalen entdeckt.
Der Klappentext ist in diesem Fall sehr aussagekräftig, weshalb ich an dieser Stelle nicht weiter auf den Inhalt eingehen möchte. Etwas verwunderlich ist es vielleicht, dass der Schöngeist Martin Suter, der stets Romanhelden aus der Welt der Reichen wählt, sich mit Johann Friedrich von Allmen und seinem Butler Carlos nun dem Krimigenre zugewandt hat. Allerdings tut er das auf seine ganz eigene Weise, und dadurch gerät es wieder zu etwas Besonderem.
Bereits sechs Bände umfasst die Serie um Allmen, und dieser erste ist ein sehr ruhiger Auftakt, der wohl in erster Linie der Einführung der Charaktere und ihrer Lebensumstände dient. Ein Lebemann ist dieser Allmen, dem als Schulfach vor allem der Kurs mit dem Thema des würdevollen Umgangs mit Schulden in Erinnerung geblieben ist - ein wertvoller Beitrag fürs Leben. Für seines zumindest. Denn Allmen balanciert nach dem Verprassen des Vermögens seines Vaters schon längst am Abgrund des Bankrotts, und erste Gläubiger beginnen nun vehement auf der Begleichung seiner Schulden zu pochen.
Irgendwoher muss also Geld kommen, und da Allmen nicht daran denkt zu arbeiten, braucht es andere Einnahmequellen. Da er keine eigenen wertvollen Stücke mehr hat, die er veräußern könnte, beschafft sich Allmen auf nonchalante Art fremde Kunstschätze, die er anschileßend zu Geld macht. Als er allerdings auf fünf Jugendstil-Schalen stößt, in die kunstvoll Libellen eingelassen sind, wendet sich das Blatt - es wird gefährlich. Lebensgefährlich sogar.
Johann Friedrich von Allmen ist kein wirklich sympathischer Charakter, aber man kommt nicht umhin, seine Lebensschläue zu bewundern. Glück hat er aber auch, seinen treuen Diener Carlos an seiner Seite zu haben. Die beiden sind ein eingespieltes Team, und oft benötigen sie keine Sprache mehr, um sich zu verständigen. Wenn Carlos beispielsweise sein eigenes Lieblingsessen kocht, dann hat er Heimweh (er stammt ursprünglich aus Guatemala) - lässt er dann aber die Fleischbeilage und die Avocado weg, wird dringend Haushaltsgeld benötigt. Dieser subtile Subtext an etlichen Stellen hat mir ein besonderes Vergnügen bereitet.
Neben der ausgefeilten Darstellung des Hintergrunds der Charaktere hat mir einmal mehr der elegante und dabei klare Schreibstil von Suter sehr gefallen. Sorgfältige Formulierungen und die Darstellung einzelner Szenen wie ein fein komponiertes Stilleben haben mich zuweilen zu einem wiederholten Hören verleitet. Das ist große Kunst.
Unterstrichen wird die Darstellung der Handlung in gehobenen Kreisen nicht nur durch den fein geschliffenen Schreibstil, sondern zusätzlich auch durch die sonore Stimme von Gerd Heidenreich, dessen Wahl hier überaus passend erscheint. Die getragene Lesung wirkt unaufgeregt und unterstreicht noch die Eleganz der Erzählung.
Trotz des geringen Spannungsaufbaus bot der Auftakt zu der Reihe um Allmen für mich daher ein wahres Hörvergnügen (4 Stunden und 3 Minuten). Ganz sicher halte ich demnächst auch nach dem zweiten Band Ausschau!
© Parden