Martin Wrede

 4,3 Sterne bei 3 Bewertungen
Autor*in von Ludwig XIV..

Lebenslauf

Martin Wrede, geb. 1969, ist Professor für die Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Grenoble.

Quelle: Verlag / vlb

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Cover des Buches Ludwig XIV. (ISBN: 9783806231601)

Ludwig XIV.

 (3)
Erschienen am 12.08.2015

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Cover des Buches Ludwig XIV. (ISBN: 9783806231601)
A

Rezension zu "Ludwig XIV." von Martin Wrede

Ludwig XIV. Sein Leben und seine Herrschaft
Andreas_Oberendervor 4 Jahren

Dem Leben und der Herrschaft Ludwigs XIV. von Frankreich (1638-1715) kann man sich auf dreierlei Weise nähern: Erzählend; analysierend; mit einer Kombination von Erzählung und Analyse. Martin Wrede hat sich für die dritte Variante entschieden. Sein schlankes Buch richtet sich an Leser, die sich ernsthaft mit Ludwig XIV. beschäftigen wollen und nicht nur an Anekdoten über Mätressen und höfische Intrigen interessiert sind. Ungeachtet der Angabe auf dem Schutzumschlag ist Wredes Buch keine Biographie im herkömmlichen Sinne. Die Darstellung schreitet nicht chronologisch voran, sondern ist nach Sachthemen gegliedert (Außenpolitik und Kriegführung; Innenpolitik und Regierungspraxis; Hofhaltung und monarchische Selbstinszenierung). Viele Geschichten und Episoden, die man aus älteren Ludwig-Biographien kennt, wird man bei Wrede vergeblich suchen. An biographischen Fakten wird nur das Nötigste mitgeteilt; die Zahl der Figuren ist ungewöhnlich überschaubar. Der Mangel an Farbigkeit und erzählerischem Schwung wird wettgemacht durch den analytischen Ertrag des Buches. Wrede fasst die Ergebnisse der jüngeren französischen und internationalen Forschung zusammen und macht sie für ein deutsches Lesepublikum zugänglich. In den letzten 30 Jahren sind in Frankreich, aber auch in der angelsächsischen Welt viele bedeutende Studien und Biographien über Ludwig XIV. erschienen, die hierzulande allenfalls in Fachkreisen wahrgenommen wurden, aber nicht jenseits der Wissenschaft. Die neuere Forschung hat das lange Zeit vorherrschende Bild Ludwigs XIV. - der Sonnenkönig als Inbegriff des sogenannten Absolutismus - in Frage gestellt und revidiert.

Wrede zeigt Ludwig XIV. als König, der ganz in seinen Pflichten aufging. Der Monarch stand im Mittelpunkt des politischen Systems und sprach das entscheidende Wort in allen wichtigen Fragen, agierte jedoch nicht unabhängig von Sachzwängen sowie innen- und außenpolitischen Gegebenheiten. Ludwig XIV. war ein kluger, aber nicht übermäßig gebildeter Mann. Er scharte kompetente Minister und Ratgeber um sich, mit denen er gemeinschaftlich die Regierungsgeschäfte führte. Wredes Darstellung ist anzumerken, dass sich die Forschung von vielen alten Lehrmeinungen verabschiedet hat: Ludwigs Herrschaftspraxis wird heute nicht mehr mit der Formel vom absolutistischen Durchregieren charakterisiert. Der König regierte nicht "im Bündnis mit dem aufstrebenden Bürgertum gegen den Adel", wie es französische Historiker der Dritten Republik zu wissen glaubten. Versailles war kein goldener Käfig, in dem der Adel "domestiziert" wurde, wie der deutsche Soziologe Norbert Elias einst behauptete. Wrede hebt den kooperativen Aspekt von Ludwigs Herrschaftspraxis hervor. Der König arbeitete eng mit dem Adel und den Ständeversammlungen in den Provinzen zusammen. Andere Herrschaftsformen waren unter den Bedingungen des 17. Jahrhunderts gar nicht möglich. Im Gegensatz zu einigen älteren Autoren möchte Wrede Ludwig XIV. nicht als Modernisierer verstanden wissen. Zwar stellte der König nach den Turbulenzen der Jahrhundertmitte Ruhe und Ordnung wieder her, zwar kam es unter seiner Herrschaft zu einer Blüte von Wirtschaft und Kultur, aber das politische System, die Verwaltungsstrukturen und das Steuerwesen blieben weitgehend unverändert. Von einer allgemeinen Modernisierung Frankreichs in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kann Wrede zufolge keine Rede sein. Das Verharren in althergebrachten Strukturen erwies sich im 18. Jahrhundert als großes Problem für die französische Monarchie.

Breiten Raum nehmen die Außenpolitik und die Kriege Ludwigs XIV. ein. Der König war ein Mann seiner Zeit: Von einem Monarchen wurde erwartet, dass er für sich und sein Land auf dem Schlachtfeld Ehre und Prestige erwarb, dass er die Sicherheit seines Reiches steigerte, etwa durch Gebietserwerb und Optimierung des Grenzverlaufs. Diese beiden Motive lagen der zupackenden - und kostspieligen - Außen- und Expansionspolitik Ludwigs XIV. zugrunde, die vor allem darauf abzielte, die habsburgische Einkreisung Frankreichs endgültig zu überwinden. Mehrfach schlossen sich die anderen Mächte Europas zu Allianzen gegen den Sonnenkönig zusammen, aber keines der Bündnisse war stark genug, Frankreich in die Knie zu zwingen. Dauerhafte Hegemonie in Europa konnte der König seinem Land nicht sichern, aber immerhin erzielte er beachtliche Gebietsgewinne an der Ost- und Nordostgrenze. In der von Ludwigs Gegnern betriebenen antifranzösischen Propaganda sieht Wrede die Wurzel des Absolutismus-Mythos. Engländer, Holländer und Deutsche unterstellten dem König eine despotische Machtfülle, die er zu keinem Zeitpunkt seiner langen Regierung besaß. Sie verglichen ihn mit dem Türkensultan, beschuldigten ihn, Europa einer französischen Universalmonarchie unterwerfen zu wollen. Weitere Aspekte, die Wrede behandelt, sind das höfische Leben in Versailles und die Indienstnahme von Literatur und Kunst für die Selbstinszenierung des Königs. Der von Hofmalern und Hofdichtern geschaffene Mythos von "Ludwig dem Großen" wird kritisch hinterfragt. In der Summe zeichnet Wrede das Bild eines "normalen" Herrschers, der weniger Macht besaß und weniger Triumphe erzielte, als es die rührige königliche Propaganda den Franzosen und dem Ausland weismachen wollte.

An Wredes sachlich und nüchtern gehaltenem Buch gibt es wenig aussetzen. Wrede ist eine gute Balance zwischen Erzählung/Faktenvermittlung einerseits und Analyse/Interpretation andererseits gelungen. Ein sorgfältigeres Lektorat hätte nicht geschadet, denn der Text lässt in sprachlicher und stilistischer Hinsicht durchaus zu wünschen übrig. Der Verzicht auf Stammtafeln erweist sich immer wieder als Nachteil. Dessen ungeachtet ist das Buch ideal als Einstiegslektüre für alle, die keine episch breite, sondern eine kompakte und buchstäblich "auf den Punkt gebrachte" Darstellung zum Leben und zur Herrschaft Ludwigs XIV. suchen. 

(Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im August 2015 auf Amazon gepostet)

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