Cover des Buches Das Steinerne Auge (ISBN: 9783937357355)
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Rezension zu Das Steinerne Auge von Ruben Wickenhäuser

Denunzianten finden sich immer

von Dr_M vor 9 Jahren

Rezension

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Dr_Mvor 9 Jahren
Die Leute kommen von selbst und schwärzen ihre Nachbarn an. Das lesen wir in einer der 17 Kurzgeschichten, die man in diesem Buch vereint und dann wegen des gemeinsamen Themas Episodenroman getauft hat. In diesen Geschichten geht es um Intrigen, Verrat und Denunziation in allen Zeitaltern. Die erste Geschichte spielt im Ägypten Echnatons, die letzte 2020. Doch nicht nur das Thema verbindet. Durch alle Geschichten und über 3400 Jahre reist ein wie ein Auge aussehender Stein, der durch seine zufällige Weitergabe den Eindruck vermittelt, als würden wir immer wieder einen kurzen Blick in die verschiedenen Zeiten erhaschen.

Dem ist natürlich nicht so, denn die Erzählungen entstanden als ein gemeinsames Projekt. Ich bin kein besonderer Freund solcher Vorhaben, da bestellte Kunst meist nicht viel taugt und der pädagogische Zeigefinger oder das Ausleben persönlichen Sendungsbewusstseins bei der Beschreibung verwerflichen Handelns oft nicht zu vermeiden sind. Doch die meisten der hier teilnehmenden Autoren halten sich diesbezüglich glücklicherweise angenehm zurück. Auch das künstlerische Niveau der meisten Geschichten ist ansprechend.

Intrigen und Verrat gehören zum Inventar des menschlichen Zusammenlebens. Daran werden alle künstlerischen, philosophischen oder gesellschaftspädagogischen Versuche von Weltverbesserern nichts ändern. Wenn man eine Erkenntnis aus den in diesem Buch vereinten Erzählungen gewinnen kann, dann ist es die über die Unveränderbarkeit des Menschen.

Zwischen dem Leiden, das der Pharao Echnaton mit seinem Gotteswandel über die bisherige ägyptische Priesterkaste brachte und der verlorenen Schlacht der Römer im Teutoburger Wald, die die zweite Geschichte thematisiert, liegen bereits 1400 Jahre. Dann folgt eine Erzählung über Neros brennendes Rom und den Kampf der Römer mit den aufbegehrenden Christen. Die nächste Geschichte spielt bereits zur Zeit der Kreuzzüge. Zwei Erzählungen, die sich mit der Inquisition befassen und mir besonders gut gefallen haben, schließen sich an. Auch die folgende Erzählung befasst sich mit der katholischen Kirche und zeigt, wie angebliche Prinzipien schnell der Machterhaltung zum Opfer fallen. Zwei Geschichten später befinden wir uns bereits in der Zeit der großen Preußenkönige und erfahren, mit welcher Brutalität Friedrich II. von seinem Vater gezwungen wurde seiner Jugendliebe abzuschwören. Wer diese Geschichte noch nicht kennt, bekommt sie hier sehr gut erzählt. Dieser Teil des Projekts ist nicht nur der längste, sondern aus meiner Sicht auch einer der besten. Leider werden die nachfolgenden Erzählungen dann etwas schwächer. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass wir mehr in die Gegenwart kommen und uns die Umstände vertrauter werden.

Fazit.
Alles in allem ist dieser Band besonders für die Freunde historischer Literatur eine Fundgrube. Nicht nur, dass einige der Erzählungen wirklich gut sind, man kann sich darüber hinaus auch ein Bild über den Stil und das künstlerische Vermögen zahlreicher Autoren machen.
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