Rezension zu "Untenrum offen – Der Beckenboden nach der Geburt" von Martina Lenzen-Schulte
Für viele Frauen wird der Beckenboden erst dann zum Thema, wenn er bereits arg in Mitleidenschaft gezogen wurde: nach der Geburt. Selbst in der Fachwelt ist das Problem oft noch tabuisiert. Das muss sich dringend ändern, meint Dr. med. Martina Lenzen-Schulte.
„Untenrum offen - Der Beckenboden nach der Geburt“ ist ein Sachbuch von Dr. med. Martina Lenzen-Schulte.
Meine Meinung:
Das Buch beginnt mit einem kurzen Vorwort, an das sich sechs Teile mit mehreren Unterpunkten anschließen. Angefügt sind ein Glossar mit medizinischen Begriffen sowie weiterführende Literatur und Quellen, thematisch angeordnet gemäß der unterschiedlichen Teile des Buches. Dieser Aufbau ist schlüssig und funktional.
Ein weiteres sinnvolles Extra: Das Buch beinhaltet mehrere bildliche Darstellungen, vor allem der weiblichen Intimzone.
Die Sprache des Buches ist sehr konkret und schonungslos. Medizinische Aspekte werden detailliert und mit Fachvokabular, aber gleichzeitig gut verständlich formuliert.
Inhaltlich ist das Buch nichts für schwache Nerven. Es geht um das Tabu Beckenbodenschäden, den Beckenboden an sich, Geburtsverletzungen und deren Folgen wie Gebärmutterprolaps und Inkontinenz, den Kreißsaal als Tatort sowie Geburtsrisiken. Wer selbst betroffen ist, erkennt sich darin vermutlich wieder. Wer nicht selbst eine (oder mehrere) der beschriebenen Beschwerden ertragen muss, wird aufrüttelt. Drei Fragen stehen im Vordergrund: Wie funktioniert der Beckenboden? Wie kann frau ihn in der Schwangerschaft und unter der Geburt schützen? Was ist zu tun, wenn es zu Schäden und Verletzungen gekommen ist?
Mit Ärzten, Hebammen und sonstigem Personal in der Geburtshilfe geht die Autorin nicht zimperlich um und übt an ihnen deutliche Kritik. Sie legt den Finger in die Wunde und zeigt Fehler im System auf. Zugleich macht sie Frauen Mut und motiviert sie, für ihre Rechte einzutreten, sich zu informieren, ihre Beschwerden in Angriff zu nehmen und vorzubeugen.
Untermauert werden die Passagen mit Studien, Zitaten von Experten und Fallbeispielen. Immer wieder wird deutlich, dass die Autorin weiß, wovon sie schreibt, und auf diesem Gebiet eine große Expertise besitzt.
In aufklärerischer Sicht leistet das Sachbuch mit seinen mehr als 200 Seiten wertvolle Arbeit. Allerdings darf sich die Leserin kein Patentrezept dazu erwarten, auf welchem Weg sie Schäden an ihrem Beckenboden künftig komplett vermeiden kann. Ein paar konkretere Tipps hätte ich mir gewünscht. Anmerken muss ich jedoch auch, dass die Studienlage wohl noch nicht in allen Bereichen so umfassend ist, dass sich in jeglicher Hinsicht widerspruchsfreie Handlungsempfehlungen ableiten lassen.
Mein Fazit:
Mit „Untenrum offen - Der Beckenboden nach der Geburt“ hat Dr. med. Martina Lenzen-Schulte ein erschütterndes und in Teilen schockierendes Sachbuch geschrieben. Eine aufklärende Lektüre, die nicht nur für Betroffene interessant ist, sondern vor allem auch von der medizinischen Fachwelt beachtet werden sollte.