Rezension zu "Unser Freund James Joyce" von Mary Colum
James Joyce ist einer der bekanntesten irischen Schriftsteller und auch während meines Anglistikstudiums ist sein Name immer wieder aufgetaucht – gelesen habe ich von ihm bisher allerdings noch nichts. Als ich vom Verlag Freies Geistesleben dann auf diese Biografie, die zwei seiner Freunde verfasst haben, aufmerksam gemacht wurde, hat mich die Neugierde gepackt: Wer war dieser Autor, von dem ich schon so viel gehört hatte?
In Unser Freund James Joyce erzählen Padraic und Mary Colum von ihrem ersten Aufeinandertreffen mit dem stolzen, fast schon arroganten Joyce und wie sich daraus eine jahrelange Freundschaft entwickelte, die bis zu Joyces Tod im Jahre 1941 bestand. Schon als junger Student hatte sich James Joyce einen Namen in der Literaturszene Dublins gemacht: Er schrieb Gedichte, die er gern jedem rezitierte, und verdiente sich etwas Geld mit dem Verfassen von Rezensionen dazu. Obwohl er bekannt und von vielen seiner Kommilitonen bewundert wurde, hatte er finanziell große Probleme. Immer wieder war er in abgewetzter Kleidung zu sehen und musste sich von seinen Freunden Geld leihen – auch Mary und Padraic halfen ihm gelegentlich aus. Als dann auch noch sein Roman Dubliner von Verlegern abgelehnt wurde, konnte man zunehmend mentale Probleme bei Joyce erkennen: Verfolgungswahn, erhöhter Alkoholkonsum, Verbissenheit – noch dazu wurde sein Augenlicht immer schlechter.
Unser Freund James Joyce geht sowohl auf die Berühmtheit des Autors ein, die Colums erzählen aber auch offen von seiner Geldnot, seinem psychischen Zustand und der Sorge um seine Tochter Lucia. Die Biografie lässt nicht nur die freundschaftliche Liebe zwischen Mary, Padraic und James durchblitzen, sie zeigt James Joyce vor allem als Mensch und nicht nur als den großartigen Schriftsteller, den wir heute kennen. Immer wieder werden persönliche Ereignisse aus dem Leben des Autors mit Personen oder Handlungssträngen aus seinen Büchern und Gedichten verglichen. Man erfährt, wo Joyce seine Inspiration herbekam, wie er die Beziehung zu seinem Vater in Ulysses verarbeitete und wie er seinem Heimatort Dublin tatsächlich gegenüberstand. Obwohl er es keinesfalls leicht im Leben hatte, bewundere ich eine Eigenschaft besonders an James Joyce: seinen Stolz. Er wusste immer genau, was er konnte und ließ sich nie vom Ziel abbringen. Ich denke, das ist Mary und Padraic Colum am besten gelungen –Joyce wurde als echter Mensch mit Ecken und Kanten dargestellt, vor dem man trotzdem großen Respekt hat, auch wenn man ihn nur auf dem Papier kennenlernt. Bis heute kenne ich kein Werk von James Joyce, doch die Biografie hat mich dazu ermuntert, Dubliner und Ulysses in die Hand zu nehmen und die Personen und Orte, die in Unser Freund James Joyce beschrieben werden, wieder zu treffen.