Cover des Buches Das Geheimnis der Lady Audley (ISBN: 9783940855473)
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Rezension zu Das Geheimnis der Lady Audley von Mary Elizabeth Braddon

Das Geheimnis der Lady Audley

von Svanvithe vor 10 Jahren

Rezension

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Svanvithevor 10 Jahren

1862 schockierte Mary Elizabeth Braddon die englische Nation zwar mit ihrem Roman "Das Geheimnis der Lady Audley" wegen der "zufälligen" Bigamie und einem ungestümen weiblichen Ehrgeiz, hatte damit aber gleichzeitig erfolgreich einen der beliebtesten sensationellen Romane der damaligen Zeit geschrieben. Sie bot mit dem kühnen Ehrgeiz ihrer im Mittelpunkt stehenden weiblichen Hauptfigur ein anderes Frauenbild, das so gar nicht dem herkömmlichen Vorstellungen des viktorianischen Englands von einer vermeintlichen Dame der höheren Gesellschaft entsprach.

Bei diesem Roman kann man gleich von Beginn an seine Fantasie spielen lassen. Schon die ausführliche Beschreibung des Herrensitzes lässt das zu. So nähert man sich gern Audley Court mi seinen spitzen Giebeln, wuchernden Efeuranken, bunten Glasscheiben und einer dicken Eichentür inmitten eines Tals voller prächtiger Bäume, üppiger Weiden und von hohen Hecken gesäumter Wiesen.

Als der ältere Witwer und Herr von Audley Court, Sir Michael Audley die wesentlich jüngere Lucy Graham im Hause des örtlichen Arztes, wo sie als Gouvernante der beiden Töchter arbeitet, sieht, verliebt er sich sofort in sie und heiratet die junge Frau, zum Leidwesen seiner 18-jährigen Tochter Alicia, ohne auch nur mehr von ihrer Vergangenheit zu kennen als die Behauptung, sie sei eine Waise. Nach der Heirat in einer Position, die ihr den Luxus ermöglicht, den sie erträumt hat, behagt es ihr scheinbar nicht, dass sich der Neffe ihres Mannes, Robert Audley, bei einem überraschenden Besuch von dem gerade aus Australien heimgekehrten George Talboys begleiten lässt. Dieser hat bei seiner Rückkehr vom Tod seiner geliebten Frau Helen Kenntnis erhalten und nimmt keinerlei Notiz von Dingen, die um ihn herum geschehen bis zu dem Moment, als er ein Bildnis von Lady Audley zu Gesicht bekommt. Wenig später ist er verschwunden.

Robert Audley, der bislang eher sorglos und mit phlegmatische Gemüt als Advokat durchs Leben schreitet, ist vom Verschwinden seines Freundes ohne ein Wort dermaßen überrascht, dass er sich auf die Suche begibt und Nachforschungen anstellt. Dabei dringt er immer weiter in "Das Geheimnis der Lady Audley" vor, obwohl diese nichts unversucht lässt, ihn auf falsche Fährten zu locken und dabei auch vor unlauteren Mitteln und sogar einem Mordversuch nicht zurückschreckt.

Dabei kann man im Grunde Lucy Graham zunächst nichts vorwerfen. Für eine Frau ihrer Zeit gibt es nicht viele Möglichkeiten. Die eine ist eine gute situierte Ehe, eine andere die Arbeit als Gouvernante. Dass Sir Michael Audley des Weges kommt, ganz vernarrt in sie ist und sie heiratet, verschafft ihr eine gesicherte Position. Dabei möchte man ihr die Ehrlichkeit zugute halten, die sie mit dem Geständnis beim Heiratsantrag ihres zukünftigen Mann an den Tag legt, dass sie ihn nicht liebe und seit ihrer Kindheit auf ihren Vorteil bedacht gewesen sei. Zudem mag man nicht glauben, dass sie überhaupt in der Lage ist, Menschen zu schaden, ihnen Böses anzutun. Und doch verbirgt sich hinter dem schönen Gesicht ein dunkles Geheimnis. Das Geheimnis, das sich dem Leser früh zu offenbaren scheint, in Gänze zu entwirren, bereitet großes (Lese)Vergnügen. Und mit den unermüdlichen Ermittlung von Robert Audley auf der Suche nach seinem Freund beginnt die sorglose Fassade der charmanten jungen Frau zu bröckeln, und der Leser bekommt einen Blick auf ihre wahre Persönlichkeit bis zur endgültigen Entdeckung der Wahrheit. Gleichzeitig erfährt auch der sonst eher langweilige Advokat, der bisher gleichmütig in den Tag hineinlebte und der nicht einmal die Avancen seiner Cousine Alicia bemerkt, eine Entwicklung zum Mann, der über längeren Zeitraum hartnäckiges Interesse an einer Sache beweist und auf Grund seines neu erworbenen Durchsetzungsvermögens der Lady Geheimnis ergründet.

Trotz der Vorhersehbarkeit der Geschichte ist diese in sich atmosphärisch stimmig, die Protagonisten weisen eine genaue und tiefgründige Charakterisierung auf, einige überraschende Momente vermögen gleichwohl, einen leichten Spannungsbogen zu halten, der bei einer Kriminalgeschichte erwartet wird. Zur angenehmen und unterhaltsamen Lektüre trägt ebenfalls die bearbeitete, den heutigen Lesegewohnheiten angepasste Übersetzung von Anja Marschall bei. Die "Entstaubung" der Sprache der damaligen Zeit, die sie bei der neuen Übertragung des Textes ins Deutsche vorgenommen hat, deren Grundton allerdings durchaus beibehalten wurde, empfinde ich als gelungen.

Zu guter Letzt lädt auch das zeitgemäß, viktorianisch-nostalgische Cover ein, dieses Kleinod der Literatur wieder zu entdecken. Einmal mehr beweist der Dryas Verlag, dass ein historischer Roman mit einem ansprechenden Umschlag versehen werden kann.

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