Rezension zu "Der Club der Lügner" von Mary Karr
Klein Mary Madeleine und ihre zwei Jahre ältere Schwester Lecia wachsen zu Beginn der sechziger Jahre im tristen Ölförder-Areal Leechfield, Texas auf. Daddy ist ein texanischer Arbeiter mit "einem Spritzer Indianerblut", Mutter eine ewige Kunststudentin mit einem natürlichen Hang zur Dramatik, beide verbindet Abhängigkeit und Sucht. So verlaufen Marys Tage zwischen dem industriellen Umfeld der Ölförderanlagen, der Arbeiterwelt mit all ihren Geldnöten, dem Kampf mit den Nachbarskindern um Akzeptanz, Kneipen voller Qualm, dem Alkoholdunst und den Geschichten im Club der Lügner. Der Club der Lügner ist die Kneipengesellschaft um ihren Vater, Arbeits- und Trinkkollegen, die sich ihren Alltag mit Geschichten aus vergangenen Zeiten polieren. Mary liebt ihren Vater, der an kalten Abenden die Socken für sie auf der Heizung für den nächsten Morgen parat legt. Mary liebt ihre Mutter, die trotz Alkohol- und Tablettenexzessen stolz und grazil den Anschein einer heilen Welt aufrecht halten will. Mary liebt Lecia, ihre große Schwester, die viel mehr die Rolle der Hüterin wahrnimmt, als es für ein Kind gut sein kann.
"Der Club der Lügner" ist die wahre Geschichte der Mary (Madeleine) Karr, die nicht nur das Talent des Geschichtenerzählens von ihrem Vater geerbt hat, sondern auch die Fähigkeit immer wieder aufzustehen. Ganz egal, wie hart das Schicksal zuschlägt.
Ich habe einen Ausschnitt aus Tori Amos "Crucify" für den Titel dieser Rezension gewählt, weil mich Mary Karrs Geschichte so sehr an die Musik von Amos erinnert. Beide erzählen vom Leben als Weg, oft steinig und ohne Schutz vor Wind, Wetter oder diesen Straßenräubern, die uns dreist bestehlen und uns im Gegenzug weismachen wollen, wir hätten den falschen Weg gewählt, aber auch von schützenden Bänken am Wegrand, Schatten unter Bäumen mit mundwässernden Früchten und Begleitern, die unsere Wege kreuzen. Sie begleiten uns und lassen diesen Fleck in uns wachsen, dort, wo wir Liebe empfinden.
Eine Lebensgeschichte, wie alle Lebensgeschichten ohne Happy Ending, aber mit Kindheitserinnerungen, die unter die Haut gehen. Wer Geschichten, wie „Kaputte Suppe“ von Jenny Valentine oder Heather O’Neils „Wiegenlied für kleine Ganoven“ mochte, mag auch den „Club der Lügner“.
Und nicht vergessen...auch mal wieder Tori Amos mit dem Herzen anhören :]