„Viktor“ von Mary Lee Wagner ist ein einzigartiger Roman. Ich beobachte den Werdegang der Autorin schon seit ein paar Jahren, seit ich sie damals auf Wattpad entdeckt habe. Seitdem lassen ihre Geschichten mich nicht mehr los, denn sie schreibt über Themen, die mich wahnsinnig interessieren und entwickelt Charaktere, die ich mir in Geschichten schon immer gewünscht habe. Sie sind so vielschichtig, haben Ecken und Kanten und man kann sie lieben und hassen. Es sind keine platten Klischees, genauso wenig wie ihre Geschichten. Obwohl von Anfang an klar ist, dass Viktor ein Mörder ist, der einem Mädchen das Leben genommen hat, sind in der Geschichte so viele Überraschungen zu finden. Es wird beim Lesen nie langweilig.
Ich wollte herausfinden, was Viktor zu seiner Tat gebracht hat. Wollte mehr über seine Freundschaft zu Sarah erfahren, die eine ganz besondere ist.
Der Roman wird in zwei Zeitlinien erzählt. Zum einen gibt es die Gegenwart, ganz klar durch die Nutzung des Präsens ausgewiesen, in der Sarah nach Viktors Mord und seiner Verhandlung Zuhause sitzt und über alles, was passiert ist, nachdenkt. Nicht weiß, wie sie mit alldem klarkommen soll. Sie fragt sich, ob Viktor wirklich für sie getötet hat, wie alle sagen, und ob sie ihm das jemals verzeihen kann. Er war immer ihr bester Freund – und gleichzeitig hat er ein Leben beendet. Der Zwiespalt, in dem Sarah steckt, ist greifbar und ich habe absolut mitgefühlt.
Die zweite Zeitlinie, klar ausgewiesen durch die Nutzung des Präteritums, erzählt Sarahs und Viktors Geschichte von Beginn an. Sie haben sich als Kinder in der Grundschule kennengelernt, Viktor kam neu in die Klasse und war genauso ein Außenseiter wie Sarah. Nein, nicht genauso einer. Denn im Gegensatz zu ihr schien er sich nichts daraus zu machen, dass die anderen Kinder nicht wirklich was mit ihm zu tun haben wollten. Aber für Sarah interessierte er sich.
Die beiden lernen einander kennen und werden zu besten Freunden, die alles zu teilen scheinen. Denkt Sarah zumindest, bis ihr immer öfter auffällt, wie wenig sie über Viktor weiß.
Gleichzeitig lassen sie auch die Kinder aus der Schule nicht in Ruhe. Sie wird gemobbt, sogar körperlich erniedrigt, und niemand außer Viktor steht ihr zur Seite. Ein sehr wichtiges Thema, das im Roman sehr gut umgesetzt ist, wie ich finde. Viktor will dem ein Ende setzen und tötet schließlich, als sonst nichts hilft, Luisa, die immer die Hauptakteurin in Sachen Mobbing war.
Auch als Leserin bin ich in einen ziemlichen Zwiespalt geraten. Einerseits froh, dass Sarah endlich nicht mehr unter Luisa leiden muss, andererseits erschüttert, weil Viktor ein Leben genommen hat.
Dieses Buch sollte jede*r gelesen haben, es ist verdammt gut. Neben der tollen Thematik, der guten Umsetzung und den fabelhaften Charakteren ist auch der Schreibstil der Autorin fesselnd und mitreißend.
Ich warte gespannt auf jede weitere Veröffentlichung und empfehle dieses Buch jedem Menschen, der gerne gute Bücher liest, die aus der Masse herausstechen und sich anfühlen, wie das wahre Leben.