‚Die Clique‘ sind 8 Frauen, die zusammen in Upstate New York an einer kleinen, teuren Universität für Frauen studiert und 1933 ihr Examen gemacht haben. Der Roman erzählt, was sie in den 6 folgenden Jahren bis 1939 erlebt haben. Warum sollte man das lesen?
Das sollte man lesen, weil es so witzig und anschaulich geschrieben ist, dass es einfach Spaß macht, das Leben der 8 Frauen zu verfolgen. Das sollte man aber auch lesen, weil es einen Einblick in eine Zeit erlaubt, in der studierende Frauen ein Novum und eine Rarität waren und die meisten Männer und Eltern der Ansicht waren, ein Studium habe für Frauen vorwiegend den Zweck, den Marktwert auf dem Heiratsmarkt zu erhöhen - und nebenbei die Armseligen, die trotzdem keinen Ehemann abkriegten, finanziell abzusichern.
In diesem gesellschaftlichen Umfeld versuchen die 8 Frauen nun eine berufliche Karriere zu starten - in den wenigen Bereichen, in denen Frauen überhaupt eine Chance hatten. Gleichzeitig versuchen sich die meisten auch an Ehe und Familiengründung. Die Schwierigkeiten, einen halbwegs brauchbaren Ehemann zu finden sowie Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen, kommen einem so bekannt vor, als würde die Geschichte in der Gegenwart spielen. Auch der Versuch der Frauen, einen eigenen Lebensstil zu finden und nicht den der Eltern zu kopieren, kommt einem bekannt vor. Nur dass es den Lebensstil der Eltern mit Butler, privaten Clubs und Debütantinnenbällen heute so nicht mehr gibt.
Interessant zu lesen ist, dass in den akademischen Kreisen New Yorks der dreißiger Jahre mit dem Kommunismus und Trotzkismus geflirtet wurde – in einem Land, in dem es keine kommunistische Arbeiterbewegung und damit keine Aussicht auf Verwirklichung des Gesellschaftsmodells gab. Ab und zu wird kurz erwähnt, was zeitgleich in Deutschland, Spanien oder in der Sowjetunion passierte, ohne dass die Protagonisten wissen, wie es dort endet. Auch die Psychoanalyse stand hoch im Kurs und erlaubte es, zum Entsetzen der älteren Generationen, offen über Sexualität zu diskutieren.
Jedes Kapitel ist aus der Sicht eines anderen Mitglieds der Clique erzählt. In langen Rückblenden wird mit einer Fülle von Details die Familien- und Lebensgeschichte dargestellt. Wenn man sie nicht gleich wieder vergessen will, darf man das Buch nicht allzu schnell lesen. Nach den Rückblenden kommt es im Leben der jeweiligen Protagonistin zu einer Schlüsselszene, die teilweise unter die Haut geht. Es ist also kein chronologischer Bericht darüber, was von Jahr zu Jahr passierte - die Zeitsprünge muss man sich aus der Handlung erschließen. Im letzten Kapitel sind die Charaktere so vertraut geworden, dass sich sogar ein leichter Abschiedsschmerz einstellt.
Eine kleine technische Randbemerkung: In der deutschen Ausgabe von 2017 sind die Dialoge ohne Absätze in den Fließtext eingebaut, was eine unstrukturierte Bleiwüste erzeugt. Oft ist unklar, wer gerade spricht. Dialoge sind ohnehin nach meinem Geschmack etwas zu selten in dem Roman - daher könnte man sie ruhig etwas hervorheben, damit klar wird: jetzt passiert etwas in der Jetzt-Zeit!
Die 8 Frauenschicksale repräsentieren die Alternativen, die Hochschulabsolventinnen der dreißiger Jahre zur Auswahl hatten. Am wenigsten unglücklich war diejenige der Clique, die im Verlagswesen Erfolg hatte – wie die Autorin selbst, die ebenfalls 1933 an derselben Hochschule ihren Abschluss gemacht hatte. Sie veröffentlichte das Buch 1963 und spielte in der gerade entstehenden amerikanischen Frauenbewegung eine große Rolle.