Bereits nach dem Tod der Mutter hatte die kanadische Balletttänzerin Mary Paterson Yoga und Meditation für sich als Heilmittel entdeckt. Nach dem Tod ihres Vaters zieht es sie ins buddhistische Kloster Plum Village in Südfrankreich, um dort ein neues inneres Zuhause zu finden.
Sie ist gerade 40 geworden und 40 eine heilige Zahl. Deshalb entscheidet sie sich für einen Aufenthalt von 40 Tagen. Jeden einzelnen beschreibt sie in ihrem Buch "Die Mönche und ich: Wie 40 Tage in Thich Nhat Hanhs buddhistischem Kloster mein Leben verändert haben".
Am Ende des Werks gibt die Autorin die Webseite des Klosters an. Natürlich bin ich ihr gefolgt und musste zuerst fesstellen, dass der Leiter des Klosters Thich Nhat Hanh am 22. Januar 2022 im Alter von 95 Jahren in seinem Heimatland Vietnam gestorben ist. Ich bin mir sicher, seine Seele lebt, ebenso wie die von allen anderen Verstorbenen auch.
Ich fand auch Bilder und sogar eine Klangmeditation im Internet. Letztere war von einer so unglaublichen Stille begleitet, dass es mich ebenfalls nach Plum Village zog.
Aber ich würde mich nicht für ein Winter-Retreat entscheiden, wie es Paterson getan hatte.
Ich bin eine sehr empathische Leserin. So habe ich nicht nur während des Lesens immer wieder gefroren, sondern hatte am Ende ein Kratzen im Hals, als die Autorin an einem grippalen Infekt erkrankt war.
Da hilft es auch nicht, dass ich nochmals durch sie und Thich Nhat Hanh gelernt habe, dass der Lotus aus dem Schlamm wächst. "Auf solchem Kompost lässt sich Freude ziehen, aber ich muss den Mist wirklich kompostieren, sonst bin ich ein schlechter Gärtner und sehe nur Unrat, der keine Freude aufkommen lässt."
Wie schwer das ist, beschreibt Paterson humorvoll an den Konflikten mit anderen Pilgerern. Während sie einem Gast behilflich zu sein versucht, stiehlt der ihr die Kopfhörer. Eine geliehene Thermosflasche wird nicht an eine kranke Teilnehmerin zurückgegeben. Vanna wirft Mary Übersetzungsfehler vor. Selbst in einem buddhistischen Kloster gibt es viel Schlamm, aus dem die Lotusblume emporwachsen kann.
Im Christentum habe die Autorin die Achtsamkeit nicht gefunden, schreibt sie. Mir geht es anders. "Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt; und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert", heißt es zum Beispiel im Kapitel 11 des Matthäusevangeliums. Es gibt so viele Bibelstellen, die mich zur Achtsamkeit auffordern, auch das fünfte Gebot, du sollst nicht töten. Und würde ich im Koran forschen, wäre das Ergebnis dasselbe.
Thich Nhat Hanh hatte das erkannt. Weihnachten ließ er das Kloster christlich ausschmücken. Vielleicht stand auch irgendwo ein Chanukkaleuchter und in einer Nische lag ein Gebetsteppich, der nach Mekka ausgerichtet war.
Welche Wellen die Liebe von Plum Village schlägt, habe ich am 17. Tag erfahren. Auf dem Bauernmarkt wird Mary von Brigette zur Suppe zu ihr nach Hause eingeladen, erhält dort nicht nur die Suppe, sondern auch noch eine Massage, einen warmen Pullover und wird anschließend zum Kloster zurückgefahren.
Was die Fülle in der Leere wirklich bedeutet, verdeutlicht Paterson am 35. Tag, als sie über die Räume zwischen den Ästen eines Baums meditiert. "Heilige und Weise haben den stillen, offenen, weiten Raum als 'Schoß der Schöpfung' bezeuchnet", schreibt sie und zitiert Thich Nhat Hanh, "Form ist Leere, Leere ist Form."
Anhalten, wann immer eine Glocke im Kloster schlägt, heißt eine Regel im Kloster. Da bei mir zum Glück nicht mehr so viele Alarmglocken wie Wecker und Ähnliches klingeln, wurde ich kreativ und entwickelte eigene Ideen, wann ich innehalten möchte.
Den gewohnten Trott durchbrechen und atmen, bewusst atmen. Das Leben ein- und die Spannungen ausatmen. Auch wenn das Paterson so nicht formuliert hat, möchte ich das doch zu meinem Ziel werden lassen, ebenso wie immer eine Sache zu machen und niemals zwei auf einmal.
Jedes Kapitel ziert neben einer, oft witzigen Überschrift wunderschöne Zitate. Allein deshalb ist das Buch lesenswert. Am 22. Tag heißt es: "Was die Erde bereitstellt, reicht zur Befriedigung der Bedürfnisse aller Menschen aus, aber nicht zur Befriedigung ihrer Gier." Mahatma Gandhi
Zuletzt bleibt mir, Mary Paterson herzlich für diese wunderbare Lektüre zu danken.
Vera Seidl