Rezension zu "Ja, Liebling / Es tut sich was im Paradies / Tee und Toast" von Mary Scott
Die meisten unter uns Lesern haben sicherlich ein Lieblingsbuch oder gar eine ganze Serie aus Jugendzeiten - die sie vielleicht irgendwo in einer verborgenen Ecke ihres Bücherregals aufbewahren und Jahre später, sei es durch Zufall oder aufgrund nostalgischer Anwandlungen, aus der Versenkung holen. So geht es mir mit den heiteren Romanen der Neuseeländerin Mary Scott, deren Vorfahren mit den ersten Missionaren auf die schönen Inseln im südlichen Pazifik kamen, die heute zum Sehnsuchtsland vieler Urlauber und Auswanderwilligen mutiert sind. Und wie gut, dass ich sie allesamt aufbewahrt habe, denn im Handel sind sie kaum mehr erhältlich, obwohl sie gerade in Deutschland in den 60er und frühen 70er Jahren viel und gerne gelesen wurden! Tatsächlich waren die herzerfrischenden, humorvollen Romane der Neuseeländerin hierzulande weitaus bekannter und beliebter als in ihrer eigenen Heimat, ein Phänomen, das nicht recht zu erklären ist, das man aber gar nicht so selten findet, denn wie sagt man so schön? "Der Prophet im eigenen Lande gilt nichts"!
Prophet? Ach, das wäre bei Mary Scott zu hoch gegriffen; sie schrieb leichte Romane, voller Lebendigkeit und Fröhlichkeit freilich, echte Herzerwärmer über Menschen in einem Umfeld, das sie nur zu gut kannte, lebte sie das Leben ihrer Protagonisten doch selbst über viele Jahre! Mit einem akademischen Abschluss versehen und nach kurzer Lehrerinnentätigkeit "in der Zivilisation" folgte die gegen Ende des 19. Jahrhunderts geborene Schriftstellerin ihrem Mann ins damals noch dünn besiedelte und mit keinerlei Annehmlichkeiten ausgestattete Hinterland der Nordinsel, um gemeinsam mit ihm eine Schaffarm aufzubauen - und es begann eine lange Zeit der Entbehrungen, in der die Familie immer wieder Rückschläge hinnehmen musste, von denen sie sich allerdings nicht entmutigen ließ. Echte Pioniere eben! Doch fanden sie einen Zusammenhalt, fanden sie tiefe und echte Freundschaften, die ganz sicher für all das entschädigten, was ein Stadtleben ihnen wahrscheinlich geboten hätte.
So sind Mary Scotts Protagonisten zumeist Farmer, vielmehr deren liebende und gar langmütige Ehefrauen, die im täglichen Existenzkampf, geprägt von viel harter Arbeit, doch ausgestattet mit unverwüstlichem Humor und Optimismus, allerhand kleine und große Abenteuer erleben, die den Leser, mutmaßlich zum größeren Teil Leserinnen, immer wieder aufs Neue erfreuen, bewegen und auf jeden Fall zum Lächeln bringen.
Im hier zu besprechenden Roman, der den Originaltitel Pippa in Paradise trägt und, in 1955 beziehungsweise in der deutschen Übersetzung 1957 erschienen, das dritte Buch der Autorin war, weicht diese ein wenig ab von ihrem üblichen Schema, denn ihre Protagonistin Pippa - von ihrer etwas versponnenen Mutter nach Robert Brownings Heldin des gleichnamigen Gedichtes Pippa Passes benannt, was noch zu einigen Verwicklungen und Verirrungen führen soll - ist keine Farmersfrau sondern eigentlich ein Stadtkind, das aber nach einer unverhofften, wenn auch für heutige Verhältnisse sehr überschaubaren Erbschaft beschließt, sich einen Traum zu erfüllen! Der Stadt, in der sie einsam und nie so richtig glücklich war, möchte sie den Rücken kehren, um irgendwo im Norden, nicht weit vom Meer, wo sie als Kind unvergessliche Ferien verbracht hatte, eine kleine Leihbücherei zu eröffnen. Eine rechte Pippa-Idee, findet ihr Vetter und Berater, der gesetzte und etwas spießige Rechtsanwalt James, die nur schiefgehen kann, Doch Pippa lässt sich nicht beirren, setzt sich eines schönen Morgens in ihr kleines altes Auto, dem sie den seltsamen Namen Balduin verpasst hat - und fährt einfach los, sicher, dass der Zufall und das Glück sie schon genau an den Platz führen werden, an den sie gehört!
Und so ist es denn auch, Pippa findet Rangimarie, ein kleines, verschlafenes Nest, dessen Namen aus der Maorisprache kommt und soviel wie "friedliches Paradies" bedeutet - sehr vorausschaubar, wenn man mit Mary Scott und ihren Romanen vertraut ist. Vorausschaubar auch, dass die beherzte Pippa, die, ihrem Vetter zufolge, über zuviel ausufernde Phantasie wie auch unkritische Menschenfreundlichkeit verfügt, einige Hürden zu überwinden hat, bis es soweit ist, und dass ihr Plan, wie weiland Brownings Pippa, allein durch ihr Vorübergehen das Leben der Menschen, denen sie begegnet, nachhaltig zum Positiven zu verändern, so einfach nicht in die Tat umzusetzen ist ohne sich den einen oder anderen blauen Flecken an Leib und Seele zuzuziehen. Ja, Pippa lernt vieles da oben im Norden, bei ihren "Hinterwäldlern", denen sie rasch aufs Herzlichste zugetan ist, was im übrigen auch umgekehrt gesagt werden muss und was nicht verwunderlich ist bei der Freundlichkeit der Protagonistin, - auch, dass man bei allen guten Taten, die zu vollbringen man sich vorgenommen hat, sich selbst nicht vergessen darf! Dies vor allem lernt Pippa, an der das persönliche Glück um ein Haar vorbeigegangen wäre - hätte sie nicht so viele gute Freunde gewonnen, die am Ende dem Schicksal ein wenig auf die Sprünge helfen müssen, um Pippa zu zeigen, wohin, oder besser zu wem sie gehört - und damit der jungen Frau, die "vorübergeht", und dem Leser ebenso, zu einem wunderschönen und alle Beteiligten zutiefst befriedigenden Happy End zu verhelfen!
Und somit bleibt zu wünschen, dass der eine oder andere Leser die Möglichkeit haben mag, Mary Scott wieder- oder , mit etwas Glück, in einem Antiquariat oder in den verstaubten Regalen einer älteren Verwandten neu zu entdecken, denn eine Neuauflage ihrer Werke wird es vermutlich so bald nicht geben, aber doch vielleicht irgendwann, wenn man sich im Zuge der "Vintage"-Hype auch auf die leichte, durchaus ein wenig verstaubt anmutende und daher umso charmantere Literatur auch der 50er Jahre besinnt! Schön wär's....
Achtung: diese Rezension bezieht sich nur auf 'Es tut sich was im Paradies'!