Cover des Buches 3:46 Uhr - Ein protokollarischer Roman (ISBN: 9783942829052)
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Rezension zu 3:46 Uhr - Ein protokollarischer Roman von Masì De Sol

Rezension zu "3:46 Uhr - Ein protokollarischer Roman" von Masì De Sol

von Babscha vor 12 Jahren

Rezension

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Babschavor 12 Jahren
Eine Lebensgeschichte, komprimiert auf 24 Stunden. Geht nicht? Und ob das geht. Zumindest in diesem unscheinbaren, kleinen Werk, das seine literarische Größe erst mit fortschreitender Lektüre, und dann von Seite zu Seite intensiver, offenbart. Christian Moser heißt der Protagonist, ein altersloser Mann, der sich schwer tut mit der Welt, furchtbar schwer, der an ihr verzweifelt, der das ganze Elend der menschlichen Existenz wie eine Zentnerlast auf seinen Schultern trägt, ein Spinner, ein Sonderling, ein Messie, der sich in seiner Etagenwohnung völlig von seinen Mitmenschen abkapselt, nicht mehr vor die Tür geht, den alles ankotzt, der, von Langeweile erdrückt, in Tagträumen versinkt, sich in der Schizophrenie seines Geistes in sein Innerstes zurückzieht, nur um gleichzeitig immer wieder und mit aller Macht scheiternd den erfolglosen Versuch eines Ausbruchs aus seinem selbst gewählten Gefängnis zu unternehmen. Der mit hellwachem Geist immer neben sich steht, sich betrachtet, kontrolliert und reglementiert, der genau weiß, wie schlimm es um ihn steht und wohin ihn das alles führen wird, aber nicht das Geringste daran ändern kann. Und der bereits etwas Schlimmes begangen hat, für das er auf Bewährung verknackt wurde, jederzeit in Gefahr, seinen Bewährungshelfer zu verprellen und doch noch einsitzen zu müssen. Moser erzählt uns in akribischer Manier und exemplarisch den Verlauf eines typischen Tages in seinem Leben, eines sich ständig wiederholenden Alptraums. Ungeachtet vieler abstoßender, für das Gesamtverständnis aber unerlässlicher Einzelschilderungen dessen, was sich bei und mit Moser so abspielt, brilliert das Buch besonders an den Stellen, an denen er uns einen tiefen Blick in seine gequälte Seele werfen lässt, teilhaben lässt am unauflösbaren Dilemma einer zutiefst verängstigten Person, dem die menschliche Gesellschaft einerseits zuwider ist und der sich andererseits nichts sehnlicher wünscht, als sich irgendwie wieder in sie zu integrieren. Und genau deshalb schwankt man als Leser auch permanent zwischen Ablehnung und Mitleid. Und ob man´s glaubt oder nicht, das Buch bietet neben seiner kraftvollen bildhaften Sprache sogar einzelne Szenen voller unfreiwilliger Komik und tollem Sprachwitz. Für mich eine der größten literarischen Entdeckungen der letzten Zeit abseits jeden Standards. Unbedingte Leseempfehlung.
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