Menschenmengen sind nicht jedermanns Sache – und für Henry stellen sie eine nahezu unüberwindbare Hürde dar. Er leidet unter einer schweren Form der Agoraphobie, die weit über bloße Panik hinausgeht. Der Gedanke, das Haus zu verlassen, ist für ihn kaum erträglich. Doch trotz dieser Belastung hält seine Ehefrau Lily fest zu ihm. Ihre Beziehung wird auf eine harte Probe gestellt, aber sie gibt ihn nicht auf. Als hochbegabter Robotikingenieur hat Henry den Vorteil, dass er sein Zuhause nur selten verlassen muss. Sein Labor, ein Zufluchtsort und zugleich ein Hort seines Genies, befindet sich direkt auf dem Dachboden. Jede freie Minute verbringt er dort, versunken in die Arbeit an seinem Lebensprojekt. Dieses Projekt ist kein gewöhnliches: Henry hat einen humanoiden Roboter namens William erschaffen, ausgestattet mit einer von ihm selbst entwickelten künstlichen Intelligenz. William ist beeindruckend, sein Intellekt bahnbrechend, und die Art, wie er kommuniziert und interagiert, fasziniert auf den ersten Blick. Doch es liegt eine gewisse Unruhe in der Luft. Etwas an William fühlt sich… falsch an. Diese subtile Unstimmigkeit entgeht auch Henry nicht, doch er schiebt seine Zweifel beiseite – zumindest vorerst.
Henry weiß, dass seine Ehe längst bessere Zeiten gesehen hat. Eine zunehmende emotionale Distanz hat sich zwischen ihm und Lily eingeschlichen. Er hat das Gefühl, keinen Zugang mehr zu ihr zu finden. Die Nachricht von Lilys Schwangerschaft hätte ein Lichtblick sein können, doch in ihm keimen gemischte Gefühle. Gleichzeitig wird er von seltsamen Albträumen geplagt. Immer wieder erscheinen ihm Bilder einer alles verschlingenden Leere und mysteriöse Zitate drängen sich in seinen Kopf: „Das Leben trägt den Tod in sich, und nur der Tod kann neues Leben hervorbringen.“ Solche Gedanken und Träume belasten ihn zunehmend. Es ist spürbar, dass nicht allein seine Angst vor der Außenwelt ihn so eigenartig macht – da ist mehr, etwas Dunkleres, das ihn umtreibt. Henry lebt völlig zurückgezogen, abgesehen von Lily hat er keinerlei soziale Kontakte. Lily hingegen, eine talentierte Programmiererin, hat durch den lukrativen Verkauf ihrer Firma ein finanziell unabhängiges Leben ermöglicht. Sie arbeitet nicht mehr und widmet sich ganz ihrer Familie – und ihrem Versuch, Henry zu unterstützen. Doch wie weit kann Liebe reichen, wenn eine Partnerschaft so stark auf die Probe gestellt wird?
Die erste Hälfte der Geschichte plätschert gemächlich dahin, gespickt mit subtilen Details, die später an Bedeutung gewinnen. Die Spannung nimmt spürbar zu, als Lily eines Tages Freunde zu sich nach Hause einlädt. Für Henry, der keinerlei fremde Menschen in seinem geschützten Raum duldet, ist dies eine enorme Belastung. Er fühlt sich gestresst und bedroht. Während die Gäste eintreffen, hält er sich zunächst im Hintergrund. Doch schließlich entscheidet er sich, William vorzustellen. Die Vorführung ist ein voller Erfolg: Die Gäste sind beeindruckt von Henrys Schöpfung, die sich anfangs von ihrer besten Seite zeigt. William wirkt charmant, zugänglich und nahezu perfekt. Doch die harmonische Stimmung schlägt abrupt um, als ein unvorhergesehener Zwischenfall geschieht. Was genau passiert, wird zunächst nicht ganz klar, doch es sorgt für Unbehagen – bei den Gästen, bei Lily und vor allem bei Henry selbst.
Ab diesem Punkt entwickelt sich die Handlung zu einem packenden Katz-und-Maus-Spiel. Die Grenzen zwischen Jäger und Gejagtem verschwimmen, und eine Frage drängt sich immer stärker auf: Wer kontrolliert hier eigentlich wen? Da das gesamte Geschehen innerhalb des hermetisch abgeriegelten Hauses stattfindet, ist jede Möglichkeit zur Flucht von Anfang an ausgeschlossen. Jeder Versuch, dem zunehmend eskalierenden Chaos zu entkommen, scheitert – und dies auf erschreckend perfide Weise. Je näher die Geschichte dem Höhepunkt kommt, desto klaustrophobischer wird die Atmosphäre. Das Haus, einst Henrys sicherer Rückzugsort, verwandelt sich in eine beklemmende Falle. Die Szenerie wird zunehmend chaotisch, eine Zuspitzung, die in Anbetracht der Ereignisse nur logisch erscheint. Während sich die Lage zuspitzt, offenbart die Handlung schließlich ihr großes Geheimnis. Auch wenn aufmerksame Leser möglicherweise einige Hinweise frühzeitig erkennen, hält der Autor eine letzte, überraschende Wendung bereit, die bis zum Schluss fesselt.
Fazit:
„Alles ist gut.“ Ein Satz, der oft gesagt wird, obwohl er selten die Wahrheit widerspiegelt. Mason Coiles KI-Horror-Thriller William
erweist sich als blutiges Kammerspiel, das die philosophischen Fragen nach Leben, Tod und dem Streben einer KI nach Emotionen auf verstörende Weise beleuchtet. Mit klassischen Horrorelementen, klaustrophobischen Momenten und tiefgründigen Denkanstößen über künstliche Intelligenz und ihre moralischen Implikationen gelingt es Coile, einen spannenden und ungewöhnlichen Sci-Fi-Thriller zu schaffen. Zwar ist die Erzählung stellenweise verworren, doch diese Struktur zahlt sich aus: Die Gedankenwelten der Figuren werden geschickt verflochten, sodass ein zweites Lesen neue Perspektiven eröffnet. Mit diesem cleveren Ansatz hebt sich William
von vielen anderen Genrewerken ab und liefert ein intensives, nachhallendes Leseerlebnis.
Matthias Göbel
Autor: Mason Coile
Übersetzung: Thomas Salter
Hardcover: 304 Seiten
Verlag: Heyne Verlag
Veröffentlichung: 13.11.2024
ISBN: 9783453274846
Mason Coile
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Neue Rezensionen zu Mason Coile
Henry ist ein Robotikingenieur, der gern forscht, entdeckt und herumbastelt. Da er aufgrund einer Phobie an sein Zuhause gefesselt ist, hat er sich auf dem Dachboden sein Labor eingerichtet. Er liebt es, mit der künstlichen Intelligenz zu spielen und kreiert allerlei Wesen. Darunter auch William. Doch William scheint sich zu verändern und ein Eigenleben zu entwickeln. So funktioniert die Sprachsteuerung der Türen plötzlich nicht mehr und noch schlimmer: William hat es auf Henrys schwangere Frau Lily abgesehen. Wird es ihm gelingen, den Roboter rechtzeitig zu deaktivieren?
Autsch, das war nix! Und dabei klang der Plot so vielversprechend, dass ich mich wochenlang auf den Roman gefreut habe. Schon nach ein paar Seiten war mir allerdings klar, dass hier eine sehr unrealistische Geschichte auf mich wartet. Was mit einem eigentlich interessanten Experiment beginnt, entwickelt sich zu einem utopischen Escape Game im eigenen Haus. Fenster und Türen lassen sich nicht mehr öffnen, Besucher verschwinden spurlos und trotz allem traut sich Henry nicht, das Haus zu verlassen. Ich habe wirklich versucht, mich in seine Lage hineinzuversetzen. Habe überlegt, wie ich wohl reagiert hätte, hätte es eine KI auf mich oder meine Frau abgesehen. Vielleicht bin ich da zu kritisch und zu realistisch, weswegen es mir schwerfiel, Henrys Handlungen nachzuvollziehen. So hatten sie für mich leider einen unglaubwürdigen Touch.
Ich war froh, dass das Buch nicht viele Seiten hatte und ich somit recht fix erlöst wurde. Auch wenn das jetzt etwas hart klingt. An Schreibstil und Sprache lag es nicht, denn beides war leicht verständlich und angenehm. Mir war es möglich, mir sowohl das Setting als auch die einzelnen Figuren bildlich vorzustellen. Ich kannte den Stil bereits von anderen Büchern des Autors, die er als Andrew Pyper veröffentlicht hat, und mochte es, dass er eine bestimmte Atmosphäre entstehen lassen konnte, bei der man sich entweder gruselte oder vor Spannung die Luft anhielt. Er kann also definitiv schreiben. Aber! Von Seite zu Seite wurde die Geschichte immer unglaubwürdiger und ich habe mich mehrmals dabei erwischt, wie ich deswegen mit den Augen gerollt und Passagen überflogen habe.
Henry und Lily sind interessante Protagonisten, mit den ganz klassischen Eheproblemen. Vor allem Henrys Phobie kam deutlich herüber und hat mich sogar kurz zum Nachdenken gebracht. Wie würde es mir ergehen auf einem Dachboden, mit wenig Sonnenlicht, wenig soziale Teilhabe? Möchte ich gar nicht herausfinden, ehrlich gesagt. Trotzdem hätte ich gern mehr über Lily erfahren, die Dinge mehr aus ihrer Sicht gesehen.
Auch die coole Wendung am Ende konnte das Ruder nicht mehr rumreißen. Da hatte ich bereits jegliche Neugier verloren und war einfach nur erleichtert, es bis zum Ende durchgehalten zu haben.
Fazit: Kann man lesen, muss man aber nicht. Wer auf utopische Geschichten steht und keine hohen/besonderen Ansprüche hat, hat mit WILLIAM sicher Spaß. Für KI-Fans sicher interessant. Für mich war dieses Buch leider ein Flop, aber vielleicht gehöre ich auch nicht zur Zielgruppe.
„William“ von Mason Coile
Inhaltsangabe:
Henry, ein brillanter Robotikingenieur, hat die größte Entdeckung seiner Karriere gemacht. Es ist ihm gelungen, ein künstliches Bewusstsein zu schaffen, das er William tauft. Tagelang schließt er sich mit William auf dem Dachboden ein, um ihn zu studieren. Doch etwas scheint mit William nicht in Ordnung zu sein: Er entwickelt Gefühle wie Hass und Eifersucht. Auf die Menschen im Allgemeinen und auf Henry im Besonderen. Gefühle, die er eigentlich gar nicht haben dürfte. Als William beginnt, eine Obsession für Henrys schwangere Frau Lily zu entwickeln, beschließt Henry, William abzuschalten. Er ahnt nicht, welchen Albtraum er mit dieser Entscheidung heraufbeschwört …
Eigene Meinung:
Mason Coiles Roman „William“ verschwendet keine Zeit mit langen Einleitungen und beginnt rasant mit einer unaufhaltsamen Abfolge grausiger Ereignisse. Diese Dynamik geht allerdings ein wenig zulasten der Figuren. Weder Henry noch seine Frau Lily konnten mich emotional wirklich erreichen, da ihre Persönlichkeiten und Motive nur oberflächlich beleuchtet werden.
Trotzdem bleibt die Handlung durchweg spannend und fesselnd. Die Atmosphäre ist beklemmend und unheimlich, vor allem durch den ständigen Wechsel zwischen schleichender Bedrohung und abrupten Gewaltausbrüchen.
Mein persönliches Highlight war das überraschende Ende. Es hat mich vollkommen aus den Socken gehauen und die bis dahin eher durchschnittliche Geschichte in ein unvergessliches Leseerlebnis verwandelt. Diese Wendung war ein absoluter Geniestreich und hat bei mir einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen.
Fazit:
„William“ ist ein temporeicher, beklemmender Tech-Horror-Thriller, der mit seiner cleveren Wendung und einem erschreckend realistischen Szenario punktet. Trotz Schwächen in der Charakterzeichnung ein absolutes Muss für Fans düsterer, KI-inspirierter Gruselgeschichten.
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