Cover des Buches Wer es leicht nimmt, hat es leichter (ISBN: 9783492305136)
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Rezension zu Wer es leicht nimmt, hat es leichter von Mathias Fischedick

"Es ist alles in unserem Kopf."

von Dr_M vor 9 Jahren

Rezension

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Dr_Mvor 9 Jahren
Heute war ein schöner Tag. Zunächst malte ich mir ein Tattoo auf die Stirn, dann kam mir die Idee, zwei verschiedene Socken anzuziehen. Es bestand zwar kein Anlass, aber ich machte mich heute besonders schick. Nach dem Frühstück stieg ich in irgendeinen Bus, um irgendwohin zu fahren. Ich fragte einen der Fahrgäste, ob wir nicht mal ein Lied zusammen singen können. An einer Haltestelle, die mir gerade gefiel, stieg ich aus und begann zu tanzen. Leute, die mich besorgt fragten, ob mit mir alles in Ordnung sei, umarmte ich einfach. Mittags in einem Lokal ließ ich den Kellner ein Gericht für mich aussuchen. Zugegeben, ich hatte dann einige Probleme, wieder nach Hause zu finden, aber ein dafür reichlich belohnter Mitbürger brachte mich auf den rechten Weg. Zu Hause hörte ich dann noch jede Menge Musik, die mir noch nie gefallen hatte und fragte meinen Nachbarn, wie ich heute meinen Abend gestalten solle. Nachdem ich seinen etwas sonderbaren Vorschlag in die Tat umgesetzt hatte, fiel ich erschöpft ins Bett, natürlich verkehrt herum, denn das sollte den Tag krönend abschließen.

Wenn ich morgen aufwache, dann werde ich vielleicht wenigstens ein klein wenig ein anderer Mensch sein. Hoffentlich viel flexibler und nicht mehr so ein alter Jammerlappen wie bisher. Die kleinen Tricks, mit denen ich diesen Tag zu einem Erlebnis gemacht habe - und dies wahrscheinlich nicht nur für mich - stammen aus dem Buch von Herrn Fischedick. Nicht, dass jemand meint, ich würde mich über seinen Text lustig machen. Das ist keinesfalls so. Wer das jedoch tatsächlich (vielleicht sogar empört) denkt, sollte sich vielleicht einmal fragen, ob er denn wenigstens einen von Fischedicks 55 Vorschlägen zur Steigerung der eigenen Flexibilität wirklich energisch und alleine in die Tat umsetzen könnte. Zwischen begeistertem Verstehen und konsequentem Handeln liegt merkwürdigerweise oft ein tiefer Graben.

Selbst wenn man nach ernsthaftem Nachdenken tatsächlich sein Leben ändern möchte, dann wird man schnell herausfinden, dass der Haken an der Sache darin besteht, dass wir bei der Umsetzung von Ratschlägen bereits Eigenschaften brauchen, die wir uns gerade erst antrainieren wollen. Man wird leicht als Spielverderber oder (wie hier) als Jammerlappen dargestellt, wenn man darauf hinweist. In einem anderen Buch las ich neulich, wie sich eine Frau ihre Angst vor öffentlichen Auftritten abgewöhnte. Sie stellte sich in einer Großstadt auf einen belebten Platz auf eine Obstkiste und sang eine Stunde lang laut und falsch, was ihr gerade in den Kopf kam. Allerdings war jemand in ihrer unmittelbaren Nähe, der ihr das geraten hatte. Und darin besteht der entscheidende Unterschied zu einem Buch wie dem von Herrn Fischedick.

Fischedick zieht in seinem Text alle Register, um bei seinen Lesern Begeisterung für Änderungen in ihrem Leben hervorzurufen. Wenn man sich in diesem Genre etwas auskennt, dann findet man wenig Neues bei ihm. Das muss man auch nicht, denn die vorgestellten Methoden funktionieren erwiesenermaßen. Allerdings vor allem dann, wenn man Fischedick als persönlichen Trainer hat. Denn in Wirklichkeit geht es hier um die Darstellung einer bekannten Methode: alte Muster aufbrechen und durch neue ersetzen. Alleine kriegt man das nur selten hin, obwohl dies gerade im Buch als Erfolgsmasche propagiert wird. Es verwundert eben nicht, dass Fischedick viel von seinen Klienten erzählt. Diesen verdeckten Hinweis sollte man ernst nehmen.

Wer wirklich ernsthaft vor hat, Methoden, die in diesem Buch vorgestellt werden, konsequent anzuwenden, der sollte sich vorher darüber im Klaren sein, dass er damit eine nachhaltige Verhaltensänderung anstrebt und dass nur das Sinn und Zweck solcher Anstrengungen sein kann. Es geht hier nicht um die Lösung irgendwelcher kleinen Probleme. Der Autor erklärt das auch irgendwo ganz nebenbei im Text, als er von einer Klientin erzählt, die ihn nach seiner Methode befragt und dann für sich beschließt, dass sie sich doch besser nicht wesentlich verändern will.

Ob man alleine an im Unterbewusstsein durch ständige Wiederholungen tief verankerte Verhaltensmuster wirklich mit der in diesem Buch vorgestellten Eigentherapie herankommt und sie nachhaltig ändern kann, ist vermutlich sehr zweifelhaft. Wahrscheinlich bin ich nun ein Jammerlappen, was mir aber egal ist. Schließlich komme ich so wenigstens zweimal im Buch vor: einmal als schlechtes Beispiel und zum anderen beim "Vorteil, ich selbst zu sein" (181 ff.).
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