Rezension zu "Die Zehn Gebote" von Mathias Schreiber
Einen „Kodex der Vernünftigkeit“ nennt der Autor des Spiegelmagazins Mathias Schreiber jenen nach der Botschaft der Bibel auf dem Berg Sinai von Gott an Moses übergebenen Katalog von Regeln und Geboten, die seit Jahrtausenden unter dem Namen „Die Zehn Gebote“ Juden und Christen in ihrem Glauben und ihrem entsprechenden Verhalten in der Welt geprägt haben und bis auf den heutigen Tag für sie verbindlich sind.
Auch für nicht-religiöse Menschen aller Zeiten war dieser „Dekalog“ immer schon eine Art Prüfstein für ihre eigene Ethik. Die öffentliche Wirkung und der Bezug auf die Zehn Gebote ist heute nicht mehr „in“. Dennoch glaubt Schreiber, dass es dringend notwendig ist, dass sich die Menschen immer wieder an diesem „Kodex der Vernünftigkeit“ orientieren sollen, wollen sie eine Zukunft haben. Zu diesem Schluss gelangt er, nachdem er die Geschichte der Zehn Gebote und ihre Wirkungsgeschichte rekonstruiert hat. Er vergleicht sie mit anderen antiken Kulturen und Vorschriften und setzt sie einer Diskussion mit den modernen Erkenntnissen von Psychologie, Soziologie, Verhaltenbiologie und dem Recht aus.
Er setzt sich mit den ganz aktuellen Debatten um die Figur des Moses auseinander (hier vor allem mit der Kritik des Heidelbergers Jan Assmann und denen, die auf seine Kritik des Monotheismus reagiert haben) und gibt eine, wie ich finde, ganz wunderbare und theologisch reflektierte Interpretation der Gebote. Er erkennt klar der Vorrang und die Grundlegung im ersten Gebot und übersetzt das in seine Sprache. Ein Zitat soll einen Eindruck geben von der sprachlichen und theologischen Qualität dieses Buches, zu dem ich Mathias Schreiber nur gratulieren kann:
„Das erste Gebot ist also zugleich ein ‚Weg in die Freiheit’ gegenüber allen innerweltlichen Bevormundungen und ein Wink, dass wir nur im Bündnis mit dem absoluten Geheimnis unseres Seins so etwas wie eine ethische Identität unsere Persönlichkeit erlangen können.“
Für gläubige und nichtgläubige Menschen gleichermaßen geeignet, über ihre eigene Ethik, ihr eigenes Leben und was darin wichtig ist, nachzudenken. Vergleiche in diesem Zusammenhang auch das eben erschienene wunderbare Buch von Andreas Salcher, „Meine letzte Stunde“ (Ecowin 2010).