Matteo B. Bianchi

 4,6 Sterne bei 14 Bewertungen

Lebenslauf

Matteo B. Bianchi wurde 1966 in Mailand geboren. Autor zahlreicher Romane und einer Biografie über Yoko Ono, schreibt auch Drehbücher. Gründer und Herausgeber der unabhängigen Literaturzeitschrift tina. Er lebt in Mailand. Der vorliegende Roman wurde ausgezeichnet mit dem Premio Stresa und dem Premio Orbetello.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Matteo B. Bianchi

Neue Rezensionen zu Matteo B. Bianchi

Cover des Buches Von dem, der bleibt (ISBN: 9783423284196)
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Rezension zu "Von dem, der bleibt" von Matteo B. Bianchi

SunnySue
Matteo B. Bianchi "Von dem, der bleibt"

"Ich bin schwach in diesen ersten Tagen, sehr schwach. Weiß nicht, ob ich überhaupt noch ich selbst bin, weiß nicht, ob ich überhaupt noch bin."

"Von dem, der bleibt" aus der Feder von Matteo B. Bianchi ist ein wirklich intensives Buch, über jene, die zurückbleiben. Ein Buch, das mir sehr nahe, mir sehr unter die Haut ging.

"Du lernst alle zu täuschen. ... innerlich verbrennt und verzehrt dich die Hölle. Nach außen gibst du dich normal."

Suizid war schon immer und ist auch heute noch ein Tabuthema. Niemand spricht darüber oder nimmt sich den Überlebenden, denn genau das sind die Angehörigen sagt der Autor, an. Matteo B. Bianchi ist selbst ein Überlebender, denn sein Partner hat sich das Leben genommen.

"Wir alle enthalten Licht und Schatten. Mein Schatten ist eine Finsternis, die so weit gehen kann, alles andere zu verdunkeln."

Inwieweit ist er selbst Schuld? Hätte er es wissen müssen? Hätte er es verhindern können?Fragen über Fragen und Schuldgefühle quälen ihn. Der Schmerz war so unbeschreiblich, dass er selbst über ein Ende seines Lebens nachgedacht hat, aber er wusste auch, dass das das Einzige ist, was er nicht tun kann. Er fühlt sich allein und ausgegrenzt, sucht nach Hilfe, aber niemand scheint ihn zu verstehen.

"Ich werde der Schmerz, der mich durchdringt."

Matteo B. Bianchi hofft mit diesem Buch anderen Überlebenden eine Hilfe zu sein, ihnen zu sagen, dass er versteht. Dass sie nicht allein sind. Es ist mehr eine Sammlung seiner Gedanken, eine Mischung aus Tagebuch und Gedankenprotokoll. Vorsichtig und gefühlvoll schildert uns Bianchi seinen langen Weg zurück ins Leben, ohne dabei seine Rückschritte und Fehler zu verschweigen. So spricht er auch davon, dass der Überlebende nicht nur von außen Hilfe benötigt, sondern auch eine innere Bereitschaft sich von den Schuldgefühlen loszusagen.

"Ich dagegen fühlte mich, als schleppte ich Sandsäcke mit mir herum. Als hingen meine Kleider, vollgesogen mit Finsternis, wie Blei an mir und ich müsste jeden Schritt mühsam dem Boden abringen."

Übersetzt aus dem Italienischen von Amelie Thoma.

Cover des Buches Von dem, der bleibt (ISBN: 9783423284196)
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Rezension zu "Von dem, der bleibt" von Matteo B. Bianchi

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Suizid-Hinterbliebene aufgepasst! Dieses Buch ist für Euch!

Der Italiener Matteo Bianchi erzählt in seinem autobiografischen Roman „Von dem, der bleibt“ vom Suizid seines Ex-Partners, der sich in der gemeinsamen Wohnung erhängte, obwohl die beiden zu dem Zeitpunkt schon getrennt waren. 

Aber es geht weniger um den Täter selbst, als vielmehr um die Hinterbliebenen, die zurückbleiben mit all dem Schmerz und den vielen Fragen, die solch eine Tat aufwirft. 


Warum scheidet ein Mensch selbstbestimmt aus dem Leben?! 

Vor zwanzig Jahren stand Bianchi mit dieser Frage so ziemlich alleine dar, denn der Mann, der einst Frau und Kind für Bianchi verließ, hat sich durch seinen Freitod dafür entschieden, Bianchi mit dieser Frage im Ungewissen zu lassen. Ein Telefongespräch zwischen den beiden entpuppt sich als Abschied für immer: „Wenn du wiederkommst, bin ich schon nicht mehr da“. Bianchi versteht diesen Satz als lapidare Information, ein folgenschweres Missverständnis, dass ihn noch lange beschäftigen wird. 


Noch immer gilt Suizid als Tabuthema, deswegen mangelt es auch an Hilfsangeboten, vor allem für Hinterbliebene. Als Medizinerin und nach langjähriger Tätigkeit im Rettungsdienst könnte ich fast selbst ein Buch über dieses Thema schreiben. Fast immer erwischt es die Angehörigen kalt und sie haben so gar nicht mit dem plötzlichen freigewählten Tod des geliebten Menschen gerechnet. Es ist für alle Beteiligten stets eine Ausnahmesituation, denn sowas wird auch nach Jahren und zahlreichen (unterschiedlichsten!) Suiziden nicht zur Routine. Es ist für mich das erste Buch, das literarisch die Hinterbliebenen in den Vordergrund stellt und nicht den Suizidanten und wie ich finde, eine großartige Idee des Autoren Matteo Bianchi.


Ein wahrer Albtraum entfaltet sich 1998 für Bianchi mit dem Suizid seines Expartners „A.“. Wie groß muss die Verzweiflung eines Menschen sein, wenn er als einzige Lösung seiner Probleme den Freitod sieht?!


Nach sieben Jahren Beziehung trennte sich Bianchi drei Monate zuvor von A. - hätte er es auch getan, wenn er sich nicht getrennt hätte?! Schuldvorwürfe plagen ihn und er denkt darüber nach, ob nicht ein Suizid auch für ihn eine Lösung wäre:


"Wenn dir eine solche Tragödie widerfährt, dann willst du nur noch Schluss machen. Dich von allen und allem entfernen, der Qual auf einen Schlag ein Ende setzen. Und genau das ist das Einzige, was du nicht tun kannst."


Zwanzig Jahre bastelte er an „Von dem, der bleibt“ und 2024 kommt es endlich zur Veröffentlichung des Buches. Bianchi möchte damit vor allem zu einer Enttabuisierung des Suizids beitragen und auf den Mangel an Hilfs- und Präventionsangeboten aufmerksam machen, denn lange wusste er selbst nicht, wohin mit sich und fühlte sich schrecklich einsam und ausgegrenzt als Hinterbliebener eines Suizid-Toten. 

Viele Streifzüge durch Psychiatrien und einige Therapien später hat Bianchi Leidensgenossen in einer Selbsthilfegruppe gefunden, die in der Lage waren, seinen Schmerz zu lindern. 

Er rechnet uns vor, dass statistisch gesehen, alle 40 Sekunden ein Mensch Suizid begeht (weltweit) - wie erschreckend, oder?! 


Absolut selbstkritisch hinterfragt er seinen Opferstatus und möchte vor allem eins nicht : eine weitere Moraldebatte anzetteln! 

Zur Überwindung seines Traumas und der damit verbundenen Schuldgefühle sieht Bianchi ein Zusammenspiel aus Hilfeannahme und Eigeninitiative von Nöten: 


"Ist es möglich, einfach zu sagen: genug gelitten, jetzt fange ich wieder an zu leben? Bei mir war es so. Als würde man einen Schalter umlegen. Ich habe auf 'Ein' geschaltet, und die Lichter gingen wieder an."


War es nun ein Rückblick auf sein Leben oder vielmehr ein Tagebuch, ein Gedankenprotokoll oder eher ein  journalistischer Recherchebericht, den Matteo Bianchi hier mit „Von dem, der bleibt“ verfasst hat?!

Ich würde sagen, es war ein äußerst gelungener Mix aus diesen Dingen und ich bin dem Autoren dankbar, dass er sich die Zeit genommen hat (20 Jahre!) sich so intensiv mit seinen Erfahrungen als Suizid-Hinterbliebener auseinanderzusetzen. Denn ich denke, es gibt sicherlich viele Leser*innen, die dieses Buch brauchen und die es hoffentlich zur richtigen Zeit finden. Ich hoffe, ich habe durch meine ausführliche Rezension meinen Anteil dazu beigetragen, auf das Buch aufmerksam zu machen und wünsche mir, dass es den Weg in die richtigen Hände findet! 


Cover des Buches Von dem, der bleibt (ISBN: 9783423284196)
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Rezension zu "Von dem, der bleibt" von Matteo B. Bianchi

Kwinsu
Eine fühlbare Trauer

Kurz nach der Trennung nimmt sich Matteo Bianchi's Ex-Partner "A." das Leben - in ihrer ehemals gemeinsamen Wohnung. Die Trauer, die Bianchi fühlt, ist unfassbar, doch schafft es der Autor, sie fühlbar zu machen. Matteo Bianchi nimmt uns in seiner autobiographischen Traueraufarbeitung "Von dem, der bleibt" mit in die schwerste Zeit seines Lebens. Er vermittelt uns seinen Schmerz so, dass man ihn schier miterlebt. Die Ohnmacht wirkt greifbar, er klammert sich an viele Strohhalme - mögen sie auch noch so absurd sein, wie der Besuch bei mutmaßlichen Totenmedien - um zu verstehen, weshalb "A." den schlimmsten Schritt setzte, den sich Angehörige vorstellen können. 

Der Schreibstil des Autors ist emotional direkt, er verheimlicht nichts, geht offen mit Trauer, Selbstvorwürfen, Zweifeln und Anschuldigungen um. Die kurzen Kapitel ermöglichen immer wieder ein kurzen Innehalten. Bianchis Sprache ist in weiten Teilen literarisch beeindruckend und thematisch ergreifend. Er zeigt auf, dass es für die Hinterbliebenen unmöglich ist, den Suizid zu fassen, geschweige den zu verstehen und dass es ein langer Prozess des langsamen Heilens ist. Zudem wird aufgezeigt, dass sich in den letzten 25 Jahren gesellschaftlich auch etwas getan hat - war das Thema Suizid lange Zeit tabuisiert, erhält es langsam mehr Aufmerksamkeit und es beginnt die Möglichkeit, offen darüber zu sprechen, auch wenn eine endgültige Endtabuisierung noch nicht in Sicht ist. 

Bianchi gibt Hoffnung, dass "Überlebende", wie er die Hinterbliebenen nennt, auch heilen und die Trauer überwinden können, auch wenn der Weg beschwerlich ist und die hinterlassene Lücke niemals geschlossen werden kann. Der Autor hat immer wieder das Gespräch mit anderen Betroffenen und Expert:innen gesucht, um zu verstehen, weshalb Menschen ihr Leben beenden und wie den Hinterbliebenen geholfen werden kann.  Besonders zum Ende hin - hier steigt die Erzählperspektive aus der Emotion in die Sachlichkeit - vermittelt er Zuversicht, dass der schmerzhafte Trauerprozess schlussendlich ein Ende finden kann.

Mein Fazit: "Von dem, der bleibt" ist ein höchst berührendes, emotionales Buch über die Trauer eines Hinterbliebenen nach einem Suizid, dass nachvollziehen lässt, wie der Kreis des Trauerns - mit all seinen düsteren Facetten - funktioniert und wie er schließlich auch durchbrochen werden kann. Eine absolute Leseempfehlung für alle Betroffenen, um Hoffnung zu schöpfen und alle Interessierten, die sich auf eine emotionale und glaubhafte Aufarbeitung einlassen können.

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