„Ist das ein Mensch?“ von Primo Levi ist wohl eines der frühesten und mittlerweile bekanntesten Zeugnisse des Holocaust. Primo Levi berichtet darin unmittelbar und schonungslos über seine Inhaftierung im Konzentrationslager Auschwitz und wie es ihm gelungen ist, zu überleben – ohne vielleicht wirklich zu leben. In ihrer Graphic Novel greifen Matteo Mastragostino und Alessandro Ranghiasci Primo Levis Lebensgeschichte auf und betten sie in eine Erzählung ein.
Darin steht Primo Levi im Herbst 1986 vor der Klasse einer italienischen Schule und erzählt als Zeitzeuge von seinen Erlebnissen während des Holocaust. Die Rahmenhandlung wird dabei immer wieder unterbrochen von Szenen aus Levis Leben – zunächst aus seiner Zeit bei der Resistenza und dann schließlich aus seiner Zeit in Auschwitz. Diese Art der Aufarbeitung hat mir gut gefallen (vor allem in Hinblick auf junge Leser*innen), denn der „alte“ Levi ordnet das Erzählte selbst ein, während die Schüler und Schülerinnen Fragen stellen und Diskussionen aufmachen.
Die Bilder tragen die Erzählung dabei. Sie sind in Schwarz-Weiß gehalten und machen den Eindruck von Bleistiftzeichnungen. Ich fand sie unglaublich ausdrucksstark und auf den Punkt und vor allem in Bezug auf die Szenen in Auschwitz auch unglaublich erschütternd und (trotz Verfremdung) realistisch. Text und Bild ergeben ein schockierendes Ganzes und ich muss wirklich sagen, dass diese Graphic Novel neben Art Spiegelmans „Maus“ für mich eine der eindrücklichsten und am besten umgesetzten zum Thema Holocaust ist. Entziehen kann man sich Primo Levis Geschichte, seinen Empfindungen und Erlebnissen beim Lesen auf jeden Fall nicht.
So kann ich nur sagen: Wer „Ist das ein Mensch?“ noch nicht kennt oder sich vielleicht vorab erst einmal einen Überblick über Primo Levis Leben verschaffen möchte, findet in dieser Graphic Novel eine kompakte und dabei nicht weniger bewegende Zusammenfassung. Am Ende bleibt nur, auf Primo Levis eigene Worte zu verweisen: „Wenn Verstehen unmöglich ist, dann ist Wissen notwendig, denn was geschehen ist, könnte zurückkehren. Das Gewissen kann von neuem verführt und verdunkelt werden: auch unseres.“ (S. 106) Sich das ins Gedächtnis zu rufen, ist gerade an Tagen wie heute (dem Tag der Befreiung von Auschwitz), aber generell immer und gerade jetzt unglaublich wichtig.