Cover des Buches Diebe, Lügner und Helden wie wir (ISBN: 9783522184236)
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Rezension zu Diebe, Lügner und Helden wie wir von Matthew Baker

Eine sehr ungewöhnliche Geschichte mit einem hochbegabten Ich-Erzähler

von lauchmotte vor 8 Jahren

Kurzmeinung: Eine eigenwillige Geschichte mit einem hochbegabten Ich-Erzähler

Rezension

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lauchmottevor 8 Jahren
Der elfjährige Nicholas ist hochbegabt und verfolgt mitunter ungewöhnliche Gedanken. Eine besondere Liebe hat er für Zahlen und Musik. Er spielt Geige und verinnerlicht sämtliche Begriffe zu musikalischen Spielweisen wie pianissimo, decrescendo, fermate usw. problemlos und löst in der 7. Klasse bereits Inhalte des Mathematikunterrichts der 11. Weiß man nicht mehr über ihn, liegt die Vermutung nahe, dass er aus einem privilegiertem Elternhaus stammen muss, dem alle Wege für eine berufliche Karriere offen stehen. Doch weit gefehlt! Sein Vater findet in der Region wie viele andere keinen Job und die Mutter arbeitet in der Altenpflege. Das Geld reicht nicht aus, um das Haus weiter zu finanzieren. Das Haus, in dessen Garten Nicholas' Bruder in Form einer Kiefer steht! Er wurde zu früh geboren und konnte nicht überleben. Während die Eltern nicht mehr über den Bruder sprechen, ist Nicholas davon überzeugt, dass sein Bruder ein Baum ist. Jeden Tag geht er hin, gießt im Sommer seine durstigen Wurzeln, unterhält sich mit ihm und holt sich Rat und Hilfe. Die Vorstellung, das Haus und damit auch den Garten mit der Kiefer an eine andere Familie zu verkaufen, erfüllt ihn mit Panik. Als überraschend sein über 80 Jähriger, von der Mutter für tot erklärter Opa aus dem Gefängnis entlassen wird und bei ihnen auftaucht, nimmt die Geschichte ihren Anfang. In lichten Momenten redet der Alte von wertvollen Erbstücken, die alle Geldsorgen lösen würden. Im nächsten Augenblick erkennt der Demenzkranke seine eigene Tochter nicht und kann sich an nichts erinnern. Um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, muss er zunächst aus dem Altersheim raus. Nicholas verhilft ihm zur Flucht und mit zwei vermissten Opas aus dem Altersheim, drei Jungen, die in der Schule gemobbt werden und dennoch unterschiedlicher kaum sein könnten, vermeintlichen Geistern und einer geheimnisvollen Wahrsagerin beginnt ein außergewöhnliches, teils absurdes Abenteuer.

Der Einstieg ist ebenso verwirrend wie die Gedanken des hochbegabten Ich-Erzählers. Er zeichnet dem Leser das Bild einer Kindheit, die an die unserer Großeltern und Urgroßeltern in schlimmen Zeiten erinnert. Geldsorgen, geprügelte Kinder, brutales Mobbing unter Kindern, Lehrer die nicht eingreifen und ein wildes, freies Leben mit Schlägereien und Diebstählen nach der Schule und ohne technische Unterhaltungsmedien oder AG's in der Freizeit sind für heutige Kindern schwer nachvollziehbar. Die kindlichen Figuren sind als Opfer ihrer familiären Zustände schräg, teils bösartig und voller Widersprüche. Eine besondere Rolle kommt der Beziehung zwischen zwei Jungen und ihren Großvätern zu, die von den Eltern der Kinder nicht verstanden und abgeschoben werden. Trotz Altersmacken nehmen die Jungen sie an und sind darum bemüht, ihnen den letzten Wunsch zu erfüllen und zeigen sich damit von einer liebenswerten und selbstlosen Seite. Die Freundschaft untereinander ist ebenso schwierig wie die Jungen selbst. Ihre bisherigen Lebenserfahrungen lassen Vertrauen nur schwer zu und der Wunsch nach Anerkennung unter den angesagten Kindern der Schule stehen einer Annäherung der drei Außenseiter untereinander zusätzlich entgegen, könnte das doch die Position in der Schule weiter verschlechtern.

Durch die eigenwillige Vorliebe von Nicholas für musikalische Begriffe sind diese regelmäßig tiefergestellt im Text eingefügt, um die Wahrnehmung des Ich-Erzählers zu verstärken. Für den Leser stört das den Lesefluss erheblich. Selbst musikalisch gebildete Kindern können sich diese nicht merken, da es einfach zu viele sind.

Fazit: Das Buch ist "gewöhnlichen" Kindern frühestens ab 11 Jahren eingeschränkt zu empfehlen. Für schwierige hochbegabte Kinder ist es möglicherweise eine angemessene Lektüre.

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