DIE EINSAMKEIT DER ERSTEN IHRER ART
Matthias Gruber
Die 14-jährige Arielle ist anders als ihre Freundinnen: Sie hat einen seltenen Gendefekt, der sich bei ihr dadurch äußert, dass sie kaum Haare auf dem Kopf hat, fehlerhafte Zahnreihen ihr Gebiss prägen und sie keine Schweißdrüsen besitzt, die für einen normalen Temperaturausgleich sorgen ...
Um ein schönes Lächeln vor dem Spiegel zu erhalten, gibt es nur die Möglichkeit, Münder aus Illustrierten auszuschneiden, diese an einem Strohhalm zu fixieren und sich diese Lippen anderer Frauen vor den eigenen Mund zu halten.
Ihr großer Traum ist es, makellos schön zu sein, perfekte Selfies zu machen und diese auf den angesagten Foren zu posten.
Da kommt es ihr gerade recht, als sie bei einer Wohnungsentrümpelung ein gebrauchtes Handy findet, dass voll mit Fotos eines wunderschönen Mädchens ist.
Diese Bilder lädt sie hoch, beschreibt diese mit interessanten Untertiteln, erlangt auf diese Weise schnell den begehrten blauen Haken und steigert sich so in eine Abhängigkeit hinein, die böse enden könnte …
Was für ein gelungenes Debüt!
Der leichte Schreibstil, welcher mich nur so durch die Seiten fliegen lies, hätte doch fast einige Male den tiefen Inhalt vertuscht.
Traurig und berührend ist diese Geschichte, die auf Gefahren in der Social Media weist, ohne den Finger zu erheben.
Das Ende hat mir mein Herz gebrochen 💔 passte aber perfekt zum Buch.
Chapeau Matthias Gruber, ich freue mich auf weitere Bücher.
Große Leseempfehlung.
5/ 5
Matthias Gruber.
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Die Einsamkeit der Ersten ihrer Art
In und um Salzburg
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Inhalt
Die 14-Jährige Arielle weiß, dass sie hässlich ist, denn Vergleiche unter Gleichaltrigen konfrontieren sie tagtäglich mit dieser Wahrheit. Es tröstet sie kaum, dass es an ihrer Erbkrankheit, der ektodermalen Dysplasie liegt, dass sie nur spärlichen Haarwuchs und wenige Zähne besitzt und sie nicht schwitzen kann. Wer fragt schon nach den Ursachen, wenn das Resultat derart abschreckend wirkt. Dennoch hat sie ein klein wenig Frieden mit ihrem Äußeren geschlossen, denn sie hat zumindest eine beste Freundin und ihren Außenseiter-Freund von der Müllkippe. Mit ihrem Vater beräumt Arielle Wohnungen und befreit diese von all den Dingen, die Menschen zurücklassen, weil sie ihnen keinen Wert beimessen. Doch Arielles Familie lebt davon, weil der Vater die ausrangierten Dinge weiterveräußert und so zumindest ein kleines Einkommen erzielt.
Als sie eines Tages auf ein ausrangiertes Handy stößt, mit zahlreichen Fotos eines blonden, hübschen Mädchens, beschließt sie die Daten aufzubereiten und mit fremder Identität an den Interaktionen im Web teilzunehmen. Sie schafft ihren eigenen Social-Media-Account, der binnen weniger Tage zum absoluten Favoriten avanciert und mehr und mehr Likes erzielt. Sehr schnell springt Paulines depressive Mutter auf den Zug auf und nutzt das neue Sprachrohr der Tochter, um ihre Kosmetikprodukte virtuell zu vertreiben. Endlich haben die beiden wieder mal ein gemeinsames Hobby, bis sich eine Userin über den Fake beschwert, denn die schöne neue Welt, die sich Arielle erschlichen hat, gehört eigentlich einer anderen …
Meinung
Von diesem aktuellen Roman war ich sehr überrascht, denn das Debüt des österreichischen Autors Matthias Gruber, schafft eine ganz eigene, traurige, kleine Welt, die in ihren Details eine Menge Gesellschaftskritik aufwirft, ohne mit dem erhobenen Zeigefinger daher zu kommen. Erzählt wird sie von einem jungen Mädchen, welches ganz und gar das Kind seiner Zeit ist, nur unter denkbar schlechten Startbedingungen. Die Eltern sind arm, die Mutter depressiv, der Vater leidet körperlich unter seiner schweren Arbeit, die dennoch keinen Gewinn abwirft und sie selbst ist wegen ihrer Krankheit gezeichnet. Aber wie andere Teenager auch, interessiert sie sich für Mode, Jungs und ein spannendes Leben.
Die Welt der Sozialen Medien und deren Anonymität ermöglichen es ihr, für eine gewisse Zeit in eine andere Rolle zu schlüpfen. Endlich kann sie Kontakt mit anderen aufnehmen, die ihr scheinbar Interesse entgegen bringen, ohne sie auf Grund ihres Äußeren auszugrenzen. Doch sie merkt schnell, dass sie niemals jene Pauline sein wird, die sie auf Ihrem Account darstellt. Und selbst das labile Familiengefüge gerät in ungesunde Schieflage, als auch Arielles Mutter miterleben muss, wie fragil der Account der Tochter doch ist, obwohl sie genau damit ihre Kundschaft erreichen wollte.
Es hat mir ausgesprochen gut gefallen, dass hier so Vieles zwischen den Zeilen steht und gar nicht explizit erwähnt werden muss, der Leser begreift dennoch schnell und zieht seine eigenen Schlüsse daraus. Gerade die Hoffnungen der jungen Frauen und ihr ungesundes Spiel mit einer scheinbaren Wirklichkeit in einem Paralleluniversum haben mich traurig gemacht. Die menschlichen Werte haben sich unmerklich, aber nachhaltig verschoben und es sind immer noch die Schwachen und Hässlichen, die nicht mithalten können.
Fazit
Ich vergebe gute 4 Lesesterne für einen spannenden, unterhaltsamen, tiefgründigen Roman, der mit einfacher Sprache und klaren Gegebenheiten punkten kann. Die großen Probleme werden hier in ein trauriges Jugendleben hineininterpretiert, dem es an Entwicklungschancen auf allen Ebenen fehlt. Dabei legt der Autor aber Wert darauf, nicht nur die „äußere“ Welt dafür verantwortlich zu machen, in welche Richtung sich Arielles Leben entwickelt, sondern auch aufzuzeigen, wie sich Perspektivlosigkeit in menschlicher Interaktion widerspiegelt. Arielle zieht hier ihre eigenen endgültigen Schlüsse und lässt den Leser desillusioniert zurück – eine schöne neue Welt ohne Akzeptanz ist auch nicht besser als ein schäbiges Leben am Rande der Gesellschaft.
Die Einsamkeit der Ersten ihrer Art – Matthias Gruber
Dies ist das bemerkenswerte Debüt eines österreichischen Autors, erschienen im Jung und Jung Verlag. So speziell wie das Coverbild in Kombination mit dem Titel bereits wirkt, so besonders ist auch das Thema dieses Romans.
Gruber erzählt von dem 14-jährigen Mädchen Arielle, das so anders ist, als gleichaltrige Jugendliche. Sie leidet unter einer erblichen Genveränderung – den genauen Namen der Krankheit erfährt man nicht. Mit ihrer sehr blassen Haut, nicht vorhandenen Schweißdrüsen, kaum Haaren auf dem Kopf und verkümmerten Zähnen im Mund, kann Arielle nicht mit gängigen Schönheitsidealen mithalten. Sie kann weder beim anderen Geschlecht punkten, noch in den alles beherrschenden sozialen Medien. Außerdem ist ihre Familie arm. Zusammen mit ihrem Vater räumt sie Häuser von Verstorbenen aus und findet dabei so einiges. Zum Beispiel ein Handy samt Fotos, die sie in den sozialen Medien hochlädt – mit überraschend großem Erfolg. Die Sache läuft jedoch aus dem Ruder, als ihre Mutter sich in den gefakten Account mit einklinkt und ein Geschäftsmodell wittert.
Auf den ersten Blick kommt dieses Werk wie ein klassischer Coming-of-Age-Roman daher. Das Mädchen, das abgesehen von ihrer Krankheit recht gewöhnliche Sorgen und Nöte hat, und auch die Sprache, die extrem eingängig und gut lesbar gehalten ist. Kein Wunder, ist es doch die Ich-Erzählerin Arielle, die uns in diese Geschichte mitnimmt. Gruber hat es nicht nötig, den Roman mit künstlich verkomplizierter Sprache aufzumotzen. Im Gegenteil entfalten die einfachen, teils kurzen Sätze ihre Wirkung. Vieles wird auch gar nicht ausgesprochen, sondern nur angedeutet, steckt zwischen den Zeilen.
Arielles Geschichte macht betroffen. Einige Stellen sorgen auch für Entsetzen. Es ist weniger das offene Mobbing, dem das Mädchen ausgesetzt ist, als vielmehr die kleinen Seitenhiebe und gut gemeinten Ratschläge. Dabei schlägt sie sich wirklich gut, doch was zählt wirklich in einer Welt, die von Social Media dominiert wird?
Ein sehr kluges Buch am Puls unserer Zeit, das die Oberflächlichkeit unserer Gesellschaft unter die Lupe nimmt und viele existentielle Fragen aufwirft.
Tolles Leseerlebnis, das nachdenklich stimmt.
4 Sterne
Gespräche aus der Community
Wir wollen gemeinsam diese absolute Schönheit hier lesen! Und wen das Cover allein noch nicht überzeugt hat, den kriegt vielleicht der Klappentext: "Jede Wette, Sie finden kein witzigeres, unterhaltsameres Buch über die schöne neue Welt der Sozialen Medien und unsere gute alte Wirklichkeit!"
Keine Verlosung! Jeder nimmt mit seinem eigenen Exemplar an der Leserunde teil.
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