Rezension zu "Wie im Traum" von Matthias Schmitt
Das Buch ist eine eintönige Männerfantasie, in der ein älterer Mann im Adoniskörper sein jüngeres Traummodel findet, damit er sie mit seinem Reichtum verwöhnen kann und sie reihenweise mit Schuhen und gutem Essen überschüttet. Das ist die ganze Haupthandlung. Sie gehen durch Paris spazieren, fressen sich voll und danach wird ins Bett gehüpft. Ich habe es bis Seite 202 gelesen und als sie wieder von Essen sprachen, musste ich abbrechen.
Ja, normale Menschen müssen Essen und Schlafen, das ist ein Fakt, aber etwas, das ich selbst genug erlebe, darüber will ich nicht lesen. Vor allem dann nicht, wenn sie in jedem Kapitel ihre drei Mahlzeiten zu sich nehmen und der Autor die Speisennamen nennt, ohne mir davon einen Happen in Form einer Beschreibung abzugeben.
Jedes Kapitel beginnt mit dem gemeinsamen Aufwachen (und sie wachen immer gemeinsam aus, die Gesichter zueinander gedreht, damit Ben Giulia lächeln sehen kann), dem Frühstück, einem Spaziergang, Mittagsessen, noch einem Spaziergang oder Shoppen, Abendessen, Bett und am Ende ficken sie glücklich.
Ben und Giulia werden als Hyperintelligente beschrieben, überdurchschnittlich schlau, was ich jetzt nicht verurteile, doch beiden wird bewusst, dass sie durch die Träume manipuliert wurden, um sich gegenseitig zu lieben, und die Superintelligenten in der Geschichte nehmen das einfach so hin. Ich, als Superdummkopf, trachte zwar auch nach Liebe, aber wenn ich hypnotisiert werde und so meinen Traummann finde, aber mir bewusst wird, dass die Gefühle zu ihm durch die Hand von irgendwelchen Wissenschaftlern manipuliert wurden, dann würde ich es nicht mehr schaffen, für ihn so bereitwillig die Schenkel zu öffnen. Oder wenn die Wissenschaftler uns eben durch die Träume verkuppelt haben. Ich hätte meine Zweifel.
Aber die beiden Figuren sind echt cool damit und lieben sich wie wahnsinnig und für Ben ist Giulia perfekt. Das sagt er auch. Mindestens einmal in jedem Kapitel, mindestens tausend Mal im ganzen Buch. Das klingt so lächerlich falsch. Das Wort wird hier auf die ärgste Methode abgenutzt. Und egal, was Giulia auch macht, wie sie sich auch anzieht, für ihn bleibt sie die Perfektion. Ja klar, wenn man einen liebt, findet man ihn superschön, aber hier wird maßlos übertrieben, so dass ich glauben muss, dass Ben verzweifelt versucht, den Leser wirklich davon zu überzeugen. Perfekt ist ein Wort, das nichts beschreibt. Perfektion ist langweilig.
Die Sexszenen, die mit zwei Sätzen abgestempelt werdend, sind völlig unerotisch, als würde ich einem alten Mann zu hören, der erzählt, dass er die und die und die flachgelegt hat in der und der und der Position, ohne in die Details einzugehen. Er gibt damit an, mehr nicht
Dann haben wir die Fremdsprachen im Buch, Englisch, Italienisch und vor allem Französisch. Kann man die Sprachen nicht, weiß man meistens nicht, warum der Autor etwas in einer Fremdsprache zitiert hat. Er liefert selten die Bedeutung und ich bin nicht eine, die die Bedeutung googeln wird. Meistens hat es mich genervt, wenn die Figuren sich genau über einen französischen Satz unterhalten haben und auch noch lachten, während ich nur blöd auf die Seite geglotzt habe. Entweder ist Erklärung da oder der Autor soll das nicht erwähnen. So was bremst den Lesefluss ungemein.
Ich bin überzeugt, dass Matthias Schmitt in Paris war, ist gleich um die Ecke. Ich war noch nie dort und ich dachte, er würde mir vielleicht Paris zeigen, schlussendlich kennt er sich aus und die Figur gibt auch damit an, dass er sich in dieser Stadt wie daheim fühle und ständig sagt, das und das und das wären schön. Doch alles, was ich von Paris zu sehen bekomme, sind die Adressnamen. Als hätte der Autor neben sich einen Stadtplan aufgeschlagen und die Namen der besonderen Tourismusorte notiert. Ich würde ja darüber nicht meckern, aber er haut mit so vielen Adressen um sich! Seine Figuren sind über die Schönheit Paris begeistert, während ich mich als Leser frage, was sie denn bloß dort sehen und was sie so begeistern. Ich bin ein Banause, ich kenne nur den Eifelturm und das war die einzige Sehenswürdigkeit, die ich im Buch auch sehen konnte, weil ich schlussendlich weiß, wie der Turm aus der Ferne aussieht.
Es gibt viele Perspektivenwechsel in der Geschichte. Das mit der NSA und den Wissenschaftlern, das war schon interessant, das ist Matthias gelungen, aber sobald Giulia dran war, habe ich es entweder überflogen oder gar nicht gelesen. Sie wiederholt nur alles, was passiert ist. Natürlich schwärmt sie die ganze Zeit über Ben, der so toll ist, ein Sixpack hat, sie zum Essen verführt und mit Schuhen überhäuft, weil sie ja nur Schuhe im Kopf hat, weil sie das 08/15-Model ist, das ohne Schuhe nicht leben kann.
Die NSA ist böse, das will ich loswerden, das zeigt auch der Autor, da sage ich nichts, aber sobald irgendein Amerikaner auftaucht, wird er gleich als dummes, fettes Arschloch dargestellt, das seine Austern frittiert, statt roh zu essen. Ich habe noch nie Austern gegessen und ich weiß nicht, wieso frittieren schlecht sein sollen. Wird wieder im Buch nicht beschrieben.
Dann merken die beiden Figuren, dass man nicht nur ihre Handys abhört, daran haben wir uns wohl alle schon gewöhnt, nein, es gab eine Kamera in ihrer Wohnung, später taucht noch eine Kamera auf, und danach entdecken sie, wie alles durchwühlt wurde, und die beiden bleiben ganz cool, chillen in der Bude, essen, saufen, ficken. Wenn jemand bei mir einbrechen würde und das so überdeutlich, ich könnte diese Ruhe nicht zeigen, sondern würde mich extrem unwohl fühlen und schon gar nicht wäre ich dazu bereit, einfach so im Bett zu ficken, weil ich ständig befürchten würde, dass mich jemand weiterhin beobachtet, dass irgendwo sicherlich noch eine zweite Kamera ist oder ein Mikrofon, der das Klatschen von Schenkeln in HD aufzeichnen könnte und das ist etwas, das ich mit niemanden teilen möchte. Ben und Giulia sind aber cool, die machen einfach weiter, folgen den gewöhnten Alltag und essen und schlafen und essen und schlafen und essen und schlafen.
Was mich aber am meisten genervt hat, sind die Sätze, die aus zwei Wörtern bestehen. Wenn sie hin und wieder auftauchen und genau im richtigen Moment, dann würde ich das verstehen, aber sie sind meistens in den eintönigen Dialogen drinnen und sollen ein Spektrum von Gefühlen beschreiben: „Sprachloses Staunen.“ Das wird so oft wiederholt und es bewirkt rein gar nichts. Wieso zeigt uns der Autor das nicht, sondern hackt es bloß mit zwei Wörtern ab? Als würde ich kein Buch lesen, sondern ein Comic. „High Five.“ „Gequältes Lachen.“ „Ungläubiges Staunen.“ „Fragender Blick.“ „Leichtes Kopfschütteln.“ Und „Fragender Blick“ wird so oft wiederholt, als würde der Autor einen Cheatcode für Gefühle verwenden.
Dabei ist die Idee gar nicht mal so schlecht, das mit den Träumen Menschen so zu manipulieren, das finde ich gut, das hat mich wohl zum Weiterlesen animiert. Aber die Idee kann dem Spannungsbogen der Geschichte nicht folgen, das mit jedem Essen und jedem Kitsch und mit dem Wort „Perfekt“ so oft gebrochen wird, dass das Lesen mit jeder Seite anstrengender wurde.
Auf Seite 21 erzählt Ben, wie Giulia ihn leidenschaftlich küsst. Ende. Was ist leidenschaftlich? Das wird nicht beschrieben, nicht gezeigt, überhaupt kommen die meisten Gefühle so kurz rüber, werden mit einem einzelnen Wort abgehackt, während über Giulia Schuhe ganze Seiten aufgefüllt werden.
Das Lachen von Giulia wird als einmalig dargestellt, nicht sexy, sondern laut und schallend. Das kommt mir nicht einmalig vor. Wenn jemand in einem Restaurant laut lacht, dann drehen sich nun mal die Leute zu ihm um, das ist ein Reflex, das macht das Lachen nicht einmalig. Es wäre vielleicht einmalig, wenn sie zwischen jedem Ha laut schlucken würde, wenn sie beim Lachen sich zurückwirft, mit dem Kopf dreht, als wollte sie jede Silbe in eine andere Richtung lenken, das wäre einmalig. So lacht sie bloß schallend. Und das wird auch viel erwähnt, der Satz: „Sie lachte schallend.“ Genau so und nicht anders. Das hat gar keinen Effekt.
Auf Seite 47 wird der Sex als traumhaft gut beschrieben. Das ist eine nichtssagende Aussage, die nichts bewirkt. Wieso zeigt uns der Autor nicht, was daran so traumhaft schön ist. Wenn ich an Sex denke, denke ich an Körperflüssigkeiten, die die Laken durchtränken.
Auf Seite 58 wird der Sex danach als unglaublich intensiv beschrieben. Was genau war daran so unglaublich intensiv?
Die schöne Aussicht auf die Dächer von Ile de la Cite hätte ich auch gerne gesehen oder den Blick auf den Notre Dame, der angeblich so traumhaft ist.
Auf Seite 89 wird davon geredet, dass in den letzten drei Tagen so viel Unglaubliches passiert ist. Was denn genau? Sie haben nur gegessen und miteinander geschlafen. Nicht wirklich Unglaublich. Es wäre anders, wenn die Gefühle nicht so kurz kommen würden, die Schmetterlinge im Bauch, das Herzklopfen, irgendwas, aber beide sehen sich und schon sind sie so gut drauf wie alte Kumpel. High Five.
Auf Seite 181 wird irgendeine Speise als ultralecker beschrieben. Das ist so, als würde ich sagen, dass Hundescheiße ultralecker schmeckt. Wieso? Keine Ahnung, ich behaupte es halt. Und das ist nicht anders mit jeder Speise in dieser Geschichte, die erwähnt wird. Sie wird immer als lecker und gut bezeichnet, aber das Wieso bleibt ein Geheimnis.
Fazit: Das ist ein Buch, das ich echt gern zurückgeben würde, damit ich meine zehn Euro wiederbekomme.