Nachdem ich den Roman "Sorck" und die drei Geschichten in "Das Maurerdekolleté des Lebens" von Matthias Thurau gelesen hatte, wusste ich ungefähr, was mich in diesem Band erwartet - nämlich das Unerwartete.
Was mir zu diesen 29 sehr unterschiedlichen Texten einfällt, ist das Wort "verspielt". Aber das klingt viel zu niedlich, denn inhaltlich passiert oft Schockierendes, meist ist das Leben der Protagonist*innen alles andere als ein heiteres Spiel. Dafür liebt der Autor es, mit Ideen und Gedanken, mit Wörtern und Bildern, Sprachstil und auch Einflüssen anderer Werke zu spielen und aus allem etwas Originelles, Eigenes zu erschaffen.
Das finde ich spannend, weil ich, wie schon erwähnt, vorher nie weiß, was mich erwartet. Die Texte lassen sich keinem bestimmten Genre zuordnen, behandeln eine Vielzahl von Themen, sei es unmenschliche Behördenmaschinerie ("Joboffensive") oder toxische Maskulinität ("Masse"). Einige sind sehr kurz, aber deswegen nicht weniger stark ("Der Mitatmer"), einige zeichnen sich durch unerwartete Twists und Auflösungen aus ("Not in Love", "Trauben"), andere durch rauschartige, surreale Bilder ("Double Cheese").
In letzter Zeit lese ich oft Kurzgeschichtenbände und lerne diese Form gerade wegen dieses "Wundertüten"-Feelings immer mehr schätzen. Das heißt nicht, dass ich immer alles aus der Tüte mag, das bringt das Prinzip mit sich. Aber ich liebe die Vielfalt und die Überraschung und dieses Buch ist ein Paradebeispiel dafür.
Ich empfehle außerdem die begleitenden Blogartikel zum Buch auf papierkrieg.blog, in denen man - nach dem Lesen der Geschichten - noch manch Erhellendes dazu erfährt.