Maurice Chappaz

Lebenslauf

Maurice Chappaz (1916–2009)Chappaz war nicht nur Dichter, sondern auch Weinbauer, Hilfsgeo­meter beim Bau des Staudamms der Grande-­Dixence sowie Umweltaktivist. Zahlreiche Wanderungen und Reisen. Publikation von über 40 Werken. 1997 wurde er mit dem Großen Schillerpreis und dem Prix Goncourt de la ­Poésie ausgezeichnet. Das Paar Bille-Chappaz, dem die Beschwörung der Natur als archaischer Kraft gemeinsam ist, gilt heute als ein Mythos der Schweizer Literatur.

Quelle: Verlag / vlb

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Neue Rezensionen zu Maurice Chappaz

Cover des Buches Ich werde das Land durchwandern, das Du bist (ISBN: 9783858698308)
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Rezension zu "Ich werde das Land durchwandern, das Du bist" von Corinna S. Bille

Alles in allem ein interessantes Buch mit vielen wundervollen Passagen.
Gwhynwhyfarvor 4 Jahren

https://literaturblog-sabine-ibing.blogspot.com/p/ich-werde-das-land-durchwandern-das-du.html

«Am Tag, nachdem ich von dir wegging, war ich so traurig, dass ich sterben wollte, doch dann hat sich alles aufgehellt und jetzt bin ich glücklich, ein stilles, gewaltiges Glück, Maurice, wir besitzen eine ganze Welt, wir können uns nie langweilen, wir können nie wirklich unglücklich sein.»


Corinna Bille und Maurice Chappaz waren ein Schweizer Liebespaar (wohl das unkonventionellste Schriftstellerpaar dieses Landes), Eltern von drei Kindern. Ein Paar, das immer auf Reisen war, häufig seperat, sie wohnten bewusst oft getrennt, später gingen sie viel gemeinsam auf Reisen. Lis Künzli hat ca. ein Drittel des Briefaustausches des Paars herausgesucht und aus dem Französischen übersetzt. Ein Buch, das ich nicht in einem Zug gelesen habe, da es sehr persönlich ist: die aufkeimenden Liebe, eine gefestigte Liebe, Schreibblockaden, Trauer, Wut, Eifersucht, Einsamkeit, Sehnsucht, depressive Phasen, Geldsorgen, Probleme mit Kindern und Verwandten, zum Ende auch die Krankheit von Corinna Bille. Der erste Brief beginnt mit ihrer ersten Begegnung 1942 und endet mit dem Tod von Corinna Bille im Jahr 1979. Letztendlich ist dies auch ein Zeitdokument. Komischerweise wird der Krieg, Politisches völlig ausgeklammert. Maurice Chappaz wird während des Zweiten Weltkriegs eingezogen, an der Grenze zu Italien und Frankreich Dienst zu schieben und er hat bei dem ein oder anderen Flüchtling weggeschaut. Viel mehr wird zum Krieg nicht erwähnt, auch nichts zum Nachkriegsgeschehen. Da dies eine Auswahl ist, mag es sein, dass diesbezügliche Korrespondenz ausgeschlossen wurde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man hierüber völlig hinwegtappte im Austausch. Beim Lesen stockt man häufig, grübelt, was wohl der Auslöser zu dem Brief gewesen sein mag. Wütende Briefe, depressive, ständiges Entschuldigen, besonders von Corinna, bei der die Ursache nicht immer klar ist. 


«Deine Zärtlichkeit umhüllt Körper und Seele noch immer wie ein Balsam.»


S. Corinna Bille wuchs als Tochter des Glasmalers Edmond Bille im Wallis auf und heiratete 1934 den Schauspieler Vital Geymond, lebte mit ihm in Paris, reiste nach Italien und Spanien. Zurück im Wallis, lernte sie den Schriftsteller Maurice Chappaz kennen. Beide verliebten sich sofort. Es gibt wundervolle Passagen in den Briefen, wie die beiden ihre Liebe beschreiben, gandios, ganz ohne Kitsch und doch so innig vertraut. Als verheiratete Frau musste Corinna Bille ihre Liebe zu Maurice Chappaz im erzkonservativen, katholischen Walis zunächst verheimlichen. Sie verabredeten sich im Verborgenen, Chappaz kaufte im Laufe der Zeit diverse Chalets, in denen sie sich u.a. trafen. Als 1944 ein uneheliches Kind aus dieser Beziehung hervorging, musste der Junge heimlich in einem dieser Chalets aufwachsen. Chappaz schickte Corinna hierhin Lebensmittelmarken für Milch, Butter und Sahne. Einmal ließ er ihr eine Gams zukommen, erklärte, wie man das Fleisch zerlegt, pökelt, einkocht. Es dauerte Jahre, benötigte viele Kämpfe, bis die Kirche einer Annullierung der unglücklichen Ehe von S. Corinna Bille und Vital Geymond zustimmte. Auch für  Maurice Chappaz war es schwierig, seinem strengen, verhassten Vater und den Verwandten seine Vaterschaft beizubringen, seine Beziehung zu Corinna. Das Paar heirateten 1947 und sie hatten drei Kinder. 1957 zogen sie nach Veyras. Später reisten sie durch die Welt.


«Meine Romanprojekte haben bereits Schiffbruch erlitten. Ich habe es probiert, ein Dutzend Seiten, und das hat nichts ergeben. Die Lust allein reicht nicht, wie für alles andere. Du kannst also beruhigt sein, da Du Dich ja so davor gefürchtet hast, dass ich etwas Neues in Angriff nehme.»


Der Briefwechsel spiegelt die Zeit. Corinna hütet die Kinder, macht den Haushalt, hat weniger Zeit zum Schreiben, während Maurice ständig unterwegs ist, sich zum Schreiben in eins der vielen Chalets zurückzieht. Aber beide suchen Unabhängigkeit und Freiheit. Bei Corinna führt die Isolation in Haushalt und Kinderbetreuung zu depressiven Schüben. Maurice kümmert es wenig, er nimmt sich die Freiheit, zu gehen. Corinna reißt oft aus dem Alltag aus, überlässt die Kinder Verwandten. Und anscheinend ist Maurice das ein oder andere Mal eifersüchtig auf ihren Erfolg, siehe Zitat. Neben den Schwierigkeiten am Anfang der Beziehung, die bestehende Ehe aufzulösen, zeigt ein anderer Umstand die Stellung der Frau in der Gesellschaft: die Arbeitsaufteilung. Corinna beschreibt, wie die Bankangestellten der «Crédit Suisse» sie auslachen, als sie vom gemeinsamen Konto Geld abheben will. Denn bis 1981 standen Schweizer Frauen unter der Vormundschaft ihrer Ehemänner. Das Wahlrecht für Frauen wurde erst 1971 eingeführt. Unglaublich, wenn man heute darauf zurückblickt!


«Ich brauche nichts hinzuzufügen, du bist so ganz und gar wunderbar, dass ich eine Ewigkeit brauchen werde, um das Land zu durchwandern, das du bist.

Es ist auch mein Land, nicht wahr?

Gib mir deine Hand und drück fest die meine, so werde ich nie sterben.

Du bist mein Freund, mein Kind, mein Bruder, mein Vater, mein Gott.

Ich liebe dich im Wissen, dass ich nur noch dich lieben werde.»


Alles in allem ein interessantes Buch mit vielen wundervollen Passagen. Historisch relevant lediglich ein wenig gesellschaftlich, weil Geschichtsträchtiges nicht erwähnt wird. Ein Band für bibliophile und Freunde von Brief-Dokumenten. 


«Hier, an der Seite eines Tyrannen (und ich glaube, dass alle Männer Tyrannen sind), verausgabe ich täglich jede Menge Energie, nur um frei atmen und denken zu können.» (Corinna über ihren Vater)


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