Maurice Hindle

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Neue Rezensionen zu Maurice Hindle

Cover des Buches Dracula (ISBN: 9780141196886)
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Rezension zu "Dracula" von Bram Stoker

Wie können Erinnerungen trügen und richtig sein?
GetReadyvor 3 Jahren

Vorweg: ich werde hier keine Handlungszusammenfassung geben,  ich gehe davon aus, dass die grobe Handlung allgemein bekannt ist.
Dracula im Original stand schon lange auf meine Leseliste, quasi zur Wiedervorlage.
Denn natürlich hatte ich als später Tennie und junge Frau eine ordentliche Vampirmacke. Nicht mit affigen asexuellen, glitzernden Vampiren beschäftigte ich mich, sondern mit den Raubtiergleichen, manchmal schön und immer tödlich, manchmal auch niedlich und albern.
Polodori, LeFanu, Byron und diverse Anthologien mit alten Geschichten zum Thema stehen immer noch in meinem Regal, neben den ersten 3 Bänden der Lestatreihe und dem kleinen Vampir.
Lustigerweise habe ich Dracula erst ziemlich spät gelesen. Damals habe ich die Geschichte hauptsächlich als Schauerroman gelesen, der auf die unterdrückte Sexualität von Frauen abzielt. Diese hat entweder quasi keusch oder doch gesellschaftlich gezähmt zu sein oder wird bei freiem Ausleben unter die strenge Herrschaft eines ebenso zügellosen Mannes geknechtet und bedarf sowohl der Bestrafung als auch und Erlösung durch Gott.
Ebenso wie ich damals wie heute erstaunt war, über den geringen erotischen Reiz des Herrn Dracula.
Das kann ich immer noch so sehen.

Wobei Mina Harker als Figur sowohl in die Zukunft sowie in die Vergangenheit weist. Einerseits ist sie nahezu der Kopf der Gruppe, die durch ihre analytischen Fähigkeiten und Tatkraft entscheidend zum Erfolg beiträgt, gleichzeitig gibt es eine Stelle, in der sie sich abfällig über die modernen Frauen äußert und zwischendurch ist sie sonderbar auf Konventionen bedacht.
Eigentlich kulminiert in ihr auch die ganze Strategie der Vampirbekämpfer : Wissenschaft + (Aber-) Glauben und Tradition führen zum Erfolg.

Wobei ich auch an den sehr übertriebenen Schauerelementen des Romans großen Spaß hatte und habe. Ständig werden die Hände gerungen, die Zähne gebleckt, Gesichter verzogen. Böse und gemein, wer dabei an Schmierenkomödianten denkt. Wobei ich vermute, es ist vor allem aus der heutigen Sicht so extrem.
Draus folgern lässt sich aber, dass Stoker sprachlich_stilistisch kein Genie war. Tatsächlich liest sich meine deutsche Übersetzung teilweise literarischer, als das Original.
Was er aber großartig gemacht hat und somit eine neue Form geprägt hat, waren 2 Dinge. Zum einen ist diese Montagetechnik diverser Erzählperspektiven, der diversen Briefe und Tagebücher neu und toll. Er nutzt sie geradezu für ein fast filmisches Erzählen. Leider gibt er aber den einzelnen Figuren, mit Ausnahme des van Helsings keine eigene Stimme, stilistisch ist er nicht variabel genug. Van Helsing bekommt irgendeine Art Dutch-English, das meinen Lesefluss erheblich gestört hat, das aber stimmig ist.

Zum anderen vereint er in der Figur des Dracula mehrere Aspekte sehr unterschiedlicher alter Vampir-Mythen, so entsteht ein lernfähiges, anpassungsfähiges Monster.

Spannend war für mich, beim Wiederlesen auch, wie sehr sich diverse Filmhandlungen in meiner Erinnerung über die Originalhandlung gelegt haben.

Ich finde, dass dieses Buch von jedem Fan von Vampiromanen gelesen werden sollte.
Meine Ausgabe gehört zu den eigentlich schönen Clothboundreihe von Penguin. Dieses Cover finde ich aber wenig stimmig zum Roman. Die vorgestellten Essays sind in diesem Falle unterhaltsam und informativ, anders als die schwafeligen , redundanten Vorworte von Frankenstein.
Im Anhang finden sich weitere aufschlussreiche Dokumente von Storkers Schaffen. Besonders seine Forderung nach Zensur von pornografischer Literatur ist doch sehr erhellend.

Cover des Buches Frankenstein (ISBN: 0141439475)
B

Rezension zu "Frankenstein" von Mary Shelley

Wer "Frankenstein" liest, wird einige Überraschungen erleben
Bookishvor 6 Jahren

Zu Mary Wollstonecraft Shelleys "Frankenstein" entwickelt man leicht "falsche" Vorstellungen - ganz besonders, wenn man weder das Buch gelesen noch einen guten Film dazu gesehen hat.

Für mich hat das Buch daher einige Überraschungen bereitgehalten, da ich mir die Geschichte durch das unvollständige bzw. falsche "Vorwissen" sehr viel plumper vorgestellt habe. Glücklicherweise schreibt Mary Shelley aber deutlich raffinierter und nuancierter als gedacht.

Zur Geschichte im Detail:

Plot: Der junge Viktor Frankenstein begibt sich auf die Reise, um in Genf sein naturwissenschaftliches Studium anzutreten. Schließlich entdeckt er, wie er selbst menschliches Leben erschaffen kann und setzt auf fanatische Weise alles daran, um diese Idee zu verwirklichen. Frankenstein jedoch denkt nie weiter als bis zur Erschaffung seiner Kreatur. Was er mit dieser überhaupt machen will, wie er mit dieser umgehen will - an all das verschwendet er keinen einzigen Gedanken.

Als die Kreatur schließlich zum Leben erwacht - bezeichnenderweise erhält sie keinen eigenen Namen, sondern wird von Frankenstein später nur "creature" oder "monster" genannt - entzieht sich Frankenstein seiner Verantwortung und flüchtet.

Schreibstil: Natürlich entspricht der Schreibstil nicht mehr unseren heutigen Erwartungen - die Geschichte wurde 1831 geschrieben; das sollte man dem Buch zugutehalten.
Das Buch ist eine Mischung aus Briefroman und einer Erzählung aus der Ich-Perspektive. Leider hat es so manche Längen, die entstehen aber meiner Meinung nach hauptsächlich am Anfang. Gerade dieser Einstieg gestaltet sich relativ schwierig, einmal gemeistert, kann man dann aber ganz passabel weiterlesen.

Charaktere: Frankenstein hat hochfliegende Ideen, großen Ehrgeiz und besitzt auch eine gewisse Genialität, denkt jedoch nicht vorausschauend, handelt verantwortungslos und ist darüber hinaus unfassbar feige. In gewisser Weise ist er dadurch auch zum Prototyp eines schlechten, im Sinne von verantwortungslosen, Wissenschaftlers geworden.
Über weite Strecken des Buches hinweg ist Frankenstein daher ein Getriebener seiner Erfindung - er agiert nicht, er reagiert. Die Geschichte entwickelt sich zu einer Hetzjagd, in der die Autorin Frankenstein durch seine Kreatur immer wieder in seine Verantwortung zurückzieht und ihn nicht davonkommen lässt. Schließlich handelt die Kreatur mit Frankenstein einen Deal aus, der von Frankenstein seinen erneuten wissenschaftlichen Einsatz verlangt - im Gegenzug wird die Kreatur ihn für immer in Ruhe lassen.
Erst ab diesem absoluten Tiefpunkt kann Frankenstein endlich seine ganze schreckliche Verantwortung voll und ganz anerkennen und macht einen starken Sprung in der Charakterentwicklung hin zu einer sehr viel reiferen Persönlichkeit:

"Had I a right, for my own benefit, to inflict this curse upon everlasting generations? I had before been moved by the sophisms of the being I had created; I had been struck senseless by his fiendish threats: but now, for the first time, the wickedness of my promise burst upon me; I shuddered to think that future ages might curse me as their pest, whose selfishness had not hesitated to buy its own peace at the price, perhaps, of the existence of the whole human race?" (S. 171).

Ein mahnendes Zitat, das sich noch heute wohl jeder Wissenschaftler und Industrieforscher zurecht an die Bürotür pinnen könnte.

The "Creature" macht ebenfalls eine starke Charakterentwicklung durch, dafür aber kontinuierlicher. Gut gefällt mir, dass "the creature" nicht von vornherein als böswilliger Charakter dargestellt wird, sondern aufgezeigt wird, warum er sich aufgrund mangelnder "companionship" und seiner Äußerlichkeit so entwickelt und schließlich seinen Schöpfer und alles ihm wichtige jagt. Mary Shelley zeigt hier ihr Feingefühl für das Soziale und verweist auf dessen starken Einfluss: Hätte Frankenstein sich um seine Schöpfung gekümmert, wäre alles vielleicht ganz anders gekommen. The creature ist nicht qua Biologie "böse". Ein Aspekt, der mir ganz besonders gut gefallen hat, verweist er doch auf die ganze Bandbreite menschlichen Handelns unter unterschiedlichsten sozialen Verhältnissen. Dennoch ist Frankensteins Erfindung so ungeheuerlich, dass sie ihn psychisch überwältigt und er nicht in der Lage ist, adäquat darauf zu reagieren.

Prämisse: Wissenschaftliche, omnipotente Ambitionen außer Kontrolle - wie der, sich die Kreation des Lebens anzumaßen - enden in Tod und Zerstörung.

Das Ende: Mary Shelley beweist mit ihrem Ende, dass sie Mut hat. Die Geschichte geht folgerichtig aus, wie sie ausgehen muss: ohne Happy End. Das ist für mich deshalb so bemerkenswert, weil es heutzutage leider eine selten anzutreffende Eigenschaft ist, ein Buch so ausgehen zu lassen, wie es vom Gesamtsetting her passt. Mary Shelley hätte kein besseres Ende schreiben können, als das, was sie uns hier präsentiert hat.

Ethische Aspekte: Das ganze Buch ist als Warnung zu verstehen. Als Warnung vor dem menschlichen und wissenschaftlichen Größenwahn, als Warnung vor Verantwortungslosigkeit, als Warnung vor Erfindungen des Menschen, die so viel größer sind als er selbst, dass er nicht mehr in der Lage ist, ihnen Einhalt zu gebieten. Mit dieser Warnung hat Mary Shelley leider Recht behalten: Die beiden Weltkriege und auch der Kalte Krieg wurden mit monströsen, wissenschaftlich hergestellten Waffen ausgetragen. Seien es Chemiewaffen oder später auch die Möglichkeit des Einsatzes einer die Menschheit vernichtenden Atomwaffe. Sicherlich waren diese Erfindungen weder Grund noch Auslöser dieser Ereignisse, trotzdem kommt der Wissenschaft (und auch der Industrieforschung!) hier eine Verantwortung zu. Shelleys "creature" lässt hier sogar noch einen Ausweg, den es bei den heutigen Erfindungen gar nicht gibt: The creature ist nicht an sich eine "böse" Erfindung, d. h. wird nicht zu Tötungszwecken kreiert, wie es bei jeder Waffenforschung natürlich der Fall ist. Die Wirklichkeit ist also sogar härter als ihre literarische Vorlage.

Das Buch erhält für seine literarischen Qualitäten drei Sterne. Den vierten Stern erhält es aufgrund seiner eindrücklichen, aktuellen Warnung, die bis heute schriftstellerisch unübertroffen geblieben ist.

Cover des Buches Frankenstein (ISBN: 9780141439471)
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Rezension zu "Frankenstein" von Mary Shelley

Sicher ein Buch, über das es sich zu diskutieren lohnt, aber keines für mich
suse9vor 9 Jahren

Nicht immer muss ein Protagonist sympathisch sein oder ich mich  als Leser mit ihm identifizieren können, es ist aber hilfreich und erleichtert den Zugang zum Buch. Wenn jedoch die Handlung schlüssig und interessant ist, kann ich mich auch mit einem negativen Helden arrangieren. Die Geschichte des Romans „Frankenstein“ ist zwar gut erzählt und transportiert einige wichtige zeitlose Botschaften, jedoch verhält sich der Titelheld dermaßen abstoßend, dass ich das Buch mit steigendem Unwillen las. Immer wieder versuchte ich mir vorzusagen, dass es nicht umsonst ein Klassiker geworden ist und erkannte auch seine Bedeutung, aber niemand kann aus seiner Haut und ich mich nicht mit Frankenstein anfreunden. Er jammerte sich durchs Buch, dass selbst mein mitfühlendes Herz am Ende kapitulierte und die verbleibenden Seiten zu zählen begann. Nicht jeder hat die Stärke, Fehler zu erkennen und zu diesen zu stehen, aber wenn ein Held so gar keine Entwicklung in einer Geschichte durchlebt und alles und jeden nur nicht sich selbst für seine ach so verfahrene Situation verantwortlich macht, da steigt mein Adrenalinspiegel extrem. Ziel dieses Romans ist es vielleicht sogar, gerade solche Gedanken und Gefühle beim Leser zu erzeugen, aber für meinen Geschmack fiel Frankenstein einmal zu oft in Ohnmacht oder stahl sich in eine Fieberattacke. Ich bin einfach nur froh, dass ich das Buch beendet habe. Klassiker hin oder her – es gibt ganz sicher bessere Bücher und von mir keine Leseempfehlung.

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