Rezension zu "Königin ohne Schmuck" von Maurizio Maggiani
Königin ohne Schmuck ist die Geschichte von Sascia im Genua des beginnenden 20. Jahrhunderts. Sascia hat ihre Mutter durch einen tragischen Unfall mit einem Elefanten verloren, Vater und Brüder haben sie verlassen. Alleine schlägt sie sich mit Gelegenheitsjobs durch: Unter anderem stellt Safranpulver her, mitunter trickreich. Und sie lernt den "Kohleprinzen" des Hafens kennen, Paride. Sie heiraten nicht und wohnen nicht zusammen, aber ihrer Liebe, die mit großer bellezza geschildert wird, entspringt ihr Sohn Giacomo. Während des Zweiten Weltkrieges stirbt Paride und ihm wird als Widerstandskämpfer ein Denkmal gesetzt. Giacomo wird als Priester auf eine polynesische Kanibaleninsel versetzt und freundet sich dort mit dem König an. Als dieser bei einem Unfall mit Giacomos Motorroller umkommt, muss er deren Tochter Lucy heiraten. Auf einer Schiffsreise gelangt er zurück nach Genua und der Kreis schließt sich.
Die Handlung ist so einfach und geradezu ziellos, ziellos wie der Kreis, der hier gezeichnet wird. Vom Welthafen Genua hinaus in die weite Welt, die nichts weiter ist eine kleine Insel im Nirgendwo, und erst ganz am Ende wieder hinein in den Trubel eines veränderten Genuas. Es ist schwer, dieses Buch zu verstehen. Die Zweiteilung von Sascia und Genua hin zu dem charakterlosen Sohn Giacomo auf der exotischen Insel ist krass und unerwartet und ein ums andere Mal fragt man sich, was das soll und wo es hinführt. Giacomos Lebensinhalt auf der Insel ist schließlich der Bau einer Straße für den Motorroller, der jahrelang dauert und nur bis zur ersten Serpentine in den Bergen voranschreitet. Dieser Bau und der Umfang, mit dem er geschildert wird, ist geradezu absurd und hier wird schließlich vielleicht auch die Botschaft deutlich, die man lange vergeblich gesucht hat. Das Leben ist schön, aber ziellos und gefüllt mit unerklärlichen Handlungen. Niemand symbolisiert das besser als Giacomo, der Priester, der den Sinn des Lebens in der Lehre der Kirche eigentlich gefunden haben müsste.
Überhaupt wirken die Charaktere gesichtslos und nicht wie Menschen. Sie sind Werkzeuge des Autors, um die Umwelt darzustellen, zu zeigen wie Genua einst war. Dies ist gelungen; im Gegensatz zu den Personen entsteht ein vielschichtiges Porträt, in das man eintauchen und genießen, sich stellenweise gar an den ungewöhnlichen Bildern und Worten berauschen kann. Man darf aber nicht versuchen, sich mit einem der Charaktere zu identifizieren oder mit ihrer Geschichte mitfiebern zu wollen. Es gilt, sich einfach treiben zu lassen, sich einzulassen auf das Experiment, das der Autor hier mit seinen Lesern durchführt. Ein Hauch von Realismo Mágico wabert durch die Zeilen.
Ich habe gelesen, dieser Roman wirke ein wenig wie aus der Zeit gefallen, es sei ein ungewöhnlicher Roman für die 1990er. Dies mag auf den Erzählstil zutreffen und allein schon wegen der Tatsache, dass es sich um einen historischen Roman handelt. Aber dennoch erkennt man, dass dieses Sich-treiben-lassen, die Schönheit bewundern und sich keinen Konventionen zu beugen, ohne gleich ein Rebell zu sein oder Prinzipien zu haben, sondern einfach zu leben wie man möchte, sehr wohl ein Abbild der 1990er ist. Dennoch lässt mich dieses Buch etwas ratlos zurück. Es hat mich mit seinen schönen Worten und Bildern fasziniert, aber es hat mich auch gelangweilt mit seinen dialogfreien, ziel- und endlosen Kapiteln bisweilen ein wenig verstört. Nach langem Nachdenken bleibt doch nur die Botschaft der bellezza zurück. Und das nach zwei Monaten für endlose 512 Seiten.