Ein tiefschürfendes Buch über die deutsche Schande, wirklich allen ans Herz gelegt. Sehr inhaltsschwer, so daß man nur langsam und mit Bedacht lesen kann. An die Walser-Rede konnte ich mich noch erinnern, sein Buch "Tod eines Kritikers" hätte vielleicht auch Erwähnung in diesem Appell finden können.
Max Czollek
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Max Czollek
Desintegriert euch!
Gegenwartsbewältigung
Versöhnungstheater
Lyrik von Jetzt 3
Desintegriert euch!
Jubeljahre
Akzente 1 / 22
Druckkammern
Neue Rezensionen zu Max Czollek
Deutschland inszeniert sich international gerne als Erinnerungs-Weltmeister - vom Warschauer Kniefall über das Holocaust-Mahnmal in Berlin bis hin zum Instagram-Projekt ichbinsophiescholl. Doch wie viel Ehrlichkeit, wie viel Substanz steckt wirklich in der deutschen Erinnerungskultur? Der Lyriker und Essayist Max Czollek seziert in seinem neuen Buch "Versöhnungstheater" den Umgang der Deutschen mit ihrer gewaltvollen Geschichte, von der Erinnerung bis zur Gegenwart.
Für Max Czollek ist die Erinnerungskultur in Deutschland kein Versuch der Wiedergutmachung, sondern vielmehr der Wiedergutwerdung, ein Sich-Frei-Machen von der Schuld, die heute in neu errichteten Preußenschlössern gefeiert werden kann und in der eine "Zeitenwende" in die deutsche Politiklandschaft Einzug hält, in der Deutschland international - politisch und auch militärisch - wieder eine führende Rolle spielen soll. Eine wirkliche und ernsthafte Aufarbeitung des Massenmords an sechs Millionen Jüdinnen und Juden existiert für den Autor schon deshalb nicht, weil für viele Schuldige die Taten ohne Konsequenzen blieben. Das Versöhnungstheater setzt aber auch da ein, wo eine Versöhnung ungefragt einseitig beschlossen wird, ohne auf das Leid und die Untröstlichkeit des Gegenübers wirklich einzugehen.
Der Essay ist aufrüttelnd und unbequem, aber vor allem notwendig, zeigt er doch die Gefahr auf, die eine bloß symbolischen Erinnerung an deutschlands Nazi-Vergangenheit birgt: die fehlende Aufklärung des NSU, die rassistischen Attentate in München, Halle und Hanau, der Einzug einer rechtspopulistischen und rechtsextremen Partei in den Bundestag - die Liste lässt sich ewig weiterführen. Wie eine Erinnerungskultur aussehen müsste, damit sich die Gewalt der Vergangenheit eben nicht wiederholt, zeigt Czollek mit seiner Kritik auf - für mich auf den Punkt und unbedingt lesenswert!
Das Buch beschäftigt sich mit deutscher Leitkultur und was darunter verstanden wird, mit Parteipolitik, die sich an der Hufeisentheorie orientiert und doch lieber mit rechts als links zusammenarbeitet und zu allem Überfluss versucht, den Heimatbegriff wieder positiv zu besetzen. Es geht auch um widerständige Literatur und Poesie und deren politische und gesellschaftliche Bedeutung und um Intersektionalität, radikale Vielfalt und soziale Gerechtigkeit. Das Buch ist sehr dicht und informativ; ein wiederholtes Lesen ist daher bestimmt sinnvoll, weil mensch beim ersten Mal gar nicht alles aufnehmen kann.
Besonders interessant fand ich den titelgebenden Begriff der Gegenwartsbewältigung. Ich habe es so verstanden, dass die Vergangenheitsbewältigung des Nationalsozialismus nur unzureichend stattgefunden hat und es deswegen nötig ist, sich in der Gegenwart mit den Folgen auseinanderzusetzen.
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