Rezension zu "Die Krise hält sich nicht an Regeln" von Max Otte
Eigentlich, so dachte ich, bezieht sich dieses Buch ein wenig mehr auf die Auswirkungen der von der Merkel-Regierung im Zusammenhang mit der Corona-Krise angerichteten Katastrophe, die man erst in einigen Monaten wirklich zu Gesicht bekommen wird. Vielleicht dauert es auch noch länger, denn wenn Merkel etwas gut kann, dann ist es das Verschieben von Problemen in eine Zukunft, die sie nicht mehr betrifft.
Ich kenne das Vorgänger-Buch mit demselben Titel nicht und kann deshalb keine Vergleiche ziehen. Allerdings vermute ich, dass Herr Otte mit Krise nicht die Corona-Krise meint, die im Buch nur am Rande vorkommt, sondern die ungelösten ökonomischen Krisen, durch die sich Deutschland, die EU und auch die USA seit einigen Jahren durchwurschteln. Da keines der Probleme wirklich gelöst wurde, die zum Beispiel 2008/2009 in die Finanzkrise geführt haben, kann man darüber immer neue Bücher schreiben. Viel Neues steht dann allerdings auch nicht mehr in ihnen. Hier ist das nicht anders.
Und vermutlich hat es auch keinen Sinn, solche Bücher zu schreiben, wenn man glaubt, wenigstens einige der politischen Entscheider wären lernfähig. Sie sind es nicht. Inzwischen scheint das auch Herrn Otto langsam klar zu werden. Noch in der Brexit-Phase dachte er, nun käme die EU endlich zur Besinnung. Natürlich ist diese Hoffnung nicht eingetreten. Betrachtet man das kompetenzlose Herumirren der deutschen Regierung in der Corona-Krise, dann kann man doch das Mantra genau sehen, dem die europäischen Eliten folgen: Es funktioniert nicht – also mehr davon!
Max Otte macht in diesem Buch eine Reihe von Vorschlägen, die sicher gut sind und schon einmal funktioniert haben, beispielsweise die preußische Auffassung vom Staat für Deutschland (der deutsche Erfolgsweg nach 1870 und 1945). Allerdings sind sie allesamt völlig illusorisch. Die sogenannte europäische Politik ist auf einem ganz anderen Weg, auf dem sie zwar irgendwann scheitern muss, aber eben nicht demnächst. Strukturen wie die der EU sind nicht nur zutiefst undemokratisch, sondern auch (und gerade deswegen) lange haltbar. Dass die DDR keine Zukunft hat, war eigentlich schon 1953 klar, gescheitert ist sie jedoch erst einige Jahrzehnte später.
Man findet in diesem Buch viele Anregungen und interessante Darstellungen. Mir fehlte jedoch die Tiefe. Und manchmal fand ich den Text auch recht diffus. Ein Frage-und-Antwort-Spiel macht es einem Autor leicht, denn er muss sich nicht um eine tiefergehende Logik in seinem Text kümmern. Das ist für ihn einfach, macht es dem Leser aber schwer, denn es fehlt ein didaktisch klarer Ansatz.
Darüber hinaus haben mich einige Stellen in diesem Buch auch reichlich verwirrt. Otte kann es zum Beispiel nicht lassen über Hajek herzufallen und ihm zu unterstellen, er würde den Markt als eine Art Vollautomaten ansehen. Das ist so nicht richtig. Hajek legte besonderen Nachdruck darauf, dass "ein sorgfältig durchdachter rechtlicher Rahmen die Vorbedingung für ersprießliches Funktionieren der Konkurrenz ist".
Betrachtet man die US-Immobilienkrise von 2008/2007, dann sieht man das Staatsversagen im Finanzsektor besonders deutlich. Mehr noch – der Staat erwies sich sogar als Anstifter und Treiber der Krise. Auch in Deutschland wurden anschließend Banken gerettet, weil sie zum Sterben zu groß waren. Passiert ist danach nicht mehr viel. Der deutsche Staat ist weder willens noch fähig, den Finanzsektor zu reformieren und auf gesunde Füße zu stellen. Und weil der Staat eben keinen angemessenen Rahmen für ein Funktionieren des Marktes schafft, kommt es zu Auswüchsen, die keiner will. Hajek jedenfalls ist daran nicht schuld.
Otte spricht sich für eine Finanztransaktionssteuer aus und lebt gerne in der Illusion, dass damit eine gewisse Ordnung ins System kommen würde. Das wird nicht passieren, denn jede Steuer wird immer nach unten durchgereicht, so wie dies auch hier der Fall sein wird. Bei der Finanztransaktionssteuer geht es in Wirklichkeit nur darum, dass der Staat an den Transaktionen der Finanzjongleure mitverdienen möchte und überhaupt nicht um eine Regulierung. Wenn man zum Beispiel den Sekundenhandel an oder besser vor der Börse verhindern möchte, dann kann man ihn als Staat schlicht und einfach verbieten, denn er verstößt gegen das Prinzip "gleiche Informationen für alle Marktteilnehmer". Mich wundert schon, dass sich Herr Otte an der Heuchelei beteiligt, die mit einer solchen Steuer verbunden ist.
Um es auf den Punkt zu bringen: Viel Neues steht nicht in diesem Buch, wenn man sich mit den Dingen schon beschäftigt hat. Wer glaubt, er würde einige Informationen über die Anlagephilosophie von Max Otte erfahren oder seine Sicht für die nähere Zukunft, wird ebenso enttäuscht werden. Ich hatte mir eigentlich ein etwas tiefgründigeres Buch erwartet.