Rezension zu "Leben 3.0" von Max Tegmark
Breiter und fundierter Überblick als Prognose und Warnung
Das Thema der „Künstlichen Intelligenz“ (KI) ist nicht neu, durchaus bekannte Wissenschaftler wie Nick Bostrom haben bereits leidenschaftliche Warnungen einer ungeregelten Entfaltung von KI bis hin zur „Herrschaft der Maschinen“ (und das nicht als Science-Fiction Block Buster gedacht) ausgesprochen.
Mit dem Huawei Mate 10 ist unlängst ein Handy auf dem Markt erschienen, dass erstmalige auf „KI“ im Prozessor setzt. Hauptsächlich zur „intelligenten, selbstlernenden“ Kamera Software, aber auch andere Funktionen sind oder werden noch integriert.
Aber was heißt das genau? Wenn KI den Alltag beginnt, sich anzueignen in zunächst kleinen Schritten, Algorithmen den Wertpapierhandel beginnen, zu dominieren und demnächst auch diese auf selbstlernende Prozessoren zurückgreifen?
Was ist die Rolle, die Stellung des Menschen, geht man vom heutigen Stand des Möglichen und der Prognose für die Zukunft mit und um die KI aus? Werden „Maschinen das Sagen“ haben, in nächster Zukunft? Ist der Mensch Kontrolleur und nur reaktiv in seinen Handlungen dann mehr? Bis hin dazu übrigens, dass durch eine weitere, rasante Entfaltung der KI ein Moment hinzutritt, dass noch nicht auf dem breiten Schirm der öffentlichen Wahrnehmung in aller Bedeutung angelangt ist: Dass eine KI beginnt, selber neue KI´2 zu programmieren und diese immer besser auf die entsprechenden Ziele adaptiert.
„Falls sie dieses rekursive Selbstverbesserungsprogramm in Gang setzten könnten….schon bald klug genug sein, um sich selbst all die menschlichen Fähigkeiten beibringen zu können, die hilfreich wären“.
Bedenkt man zudem, dass die zentralen technischen Fortschritte der Menschheit immer auch im militärischen Sinne verwertet wurden (so sie nicht explizit in diesem Bereich überhaupt erfunden wurden“, so steht eine Gemengelage am Horizont der Zukunft, die wahrlich ernst bedacht werden sollte. Schaut man allein die Entwicklung der letzten 10 Jahre an, so ist zu erwarten, dass dies alles auch mit hoher Geschwindigkeit auf die Menschheit zukommen wird.
Gerade die Einleitung dieses überaus wichtigen und lesenswerten Werkes zeigt diesen Fortschritt als ernsthafte Prognose in Form einer kleinen Geschichte eines „Omega Teams“ auf (beginnend bei kleinen Exkursen in die Medienwelt, dann die Übernahme derselben und die unaufhaltsame Ausbreitung der KI dieses Teams von Technikern in jeden Beriech des (digitalen) öffentlichen Lebens) und bereitet damit in bester Weise den Boden für die anregende Lektüre der einzelnen Themenfelder, die Tegmark abschreitet.
„Die Technologie verleiht dem Leben das Potential, zu gedeihen wie nie zuvor - oder sich selbst zu zerstören“. Und das sind keine Mahnrufe Übervorsichtiger, die Tegmark thematisiert und auf die er sich bezieht.
Gerade weil die Differenzen auch in der Wissenschaft so groß sind, weil von stärkster Warnung bis zum enthemmten Optimismus alles an Haltung vorhanden ist, ist eines der vordringlichsten Probleme eben dieses Fehlen eines Konsenses. Weder im „Wann“ einer dann sich deutlich bemerkbar machenden „KI“ noch im „Was“, worauf sich diese also beziehen wird (konzentriert oder in der Breite aller Möglichkeiten) herrscht eine gewisse Einigkeit oder ein konzentrierter Blick. Es sind aber mit die klügsten Köpfe, wie Stephen Hawking, die intensiv vor einem „einfach weiter so und so schnell wie möglich! Warnen.
Mitten in diese Kontroversen positioniert sich nun Tegmark, der in einem breiten Blick von der Entfaltung des Lebens als „Komplexität“, über die nahen Folgen in Bezug auf Waffen, Jobs Gesetzte und die Fehleranfälligkeit der KI, hin zur Klärung, was „allgemeine Intelligenz“ ist und wie sich diese entfalten könnte, wird sie künstlich hergestellt bis hin zu einem weiten Blick nach vorne (in 10.000 Jahren).
Um mit einerseits deutlicher Benennung der Risiken und dringend zu kontrollierenden Eckpfeiler der KI dennoch (unter ausführlicher Darlegung und Verweis auf eine Forschungskonferenz in Puerto Rico, welche die „Kontrolle und Sicherheit der KI“ zu einem zentralen Thema erhoben hat) mit einem „achtsamen Optimismus“ zu enden.
Ein hervorragend zum Einlesen in dieses komplexe Thema geeignete Buch (auch wenn Tegmark eher wissenschaftlich-sachlich-trocken im Stil verbleibt), dass „Bewusstsein“ und „allgemeine Intelligenz“ beschreibt, sich tief in die Innensicht der KI begibt und wichtige Folgerungen für den Umgang (und den Angang) an diese dem Leser vor Augen legt.
Es bleibt letztlich auch keine andere Alternative als dieser „achtsame Optimismus“, denn man muss Tegmark in seiner Grundthese absolut zustimmen, dass diese KI in breiter und weiter Form kommen wird. Wie alles technisch Mögliche immer gekommen ist. Und dass dieses „Leben 3.0.“, künstlich und maschinell definiert, durchaus wohl die zentrale Macht der Welt werden wird.