Maxim Kantor, Was er hier mit seinem 700 - Seiten - Wälzer vorlegt, hat mich tief beeindruckt. Er ist top informiert, deutet Wahrheiten und Fakten manchmal nur mit einem Satz an ... schade, wenn diese Wahrheiten für den nicht so informierten Leser verloren gehen würden.
Solomon Richter liegt im sterben. Der Leser darf dabei sein wenn 100 Jahre Sowjetunion / Russland vorbeiziehen.
Zugegeben, eine eigenwillige Geschichtsaufarbeitung eines Russen der heute in Deutschland lebt. Einmal zulesen begonnen, kann ich mich diesem Werk nicht mehr entziehen. Schnell bemerkt man die Klugheit des Autors
Alles was in der Geschichte des Landes in den letzten 100 Jahren geschah, wird hier analysiert. Spannend wie der Autor zwischen aktuellen Ereignissen und geschichtlichen Episoden wechselt und doch alles zusammenpasst.
Bei Maxim Kantor kommen sogar die deutschen Kämpfer in der Ostukraine der Gegenwart vor. Viele in Deutschland wissen bis heute nichts davon, dass um die 300 österreichische und deutsche Kämpfer, meist Russlanddeutsche der dritten verlorenen Generation, im Osten der Ukraine für Putin kämpfen. Sie meinen Russland vor Europa mit der Kalaschnikow verteidigen zu müssen. Offizielle in Deutschland nehmen diesen Tatbestand bis heute nicht wahr.
Sehr gut, dass der Autor sie in seinem Roman auftauchen lässt.
Ein Gemisch von Fiktion und tatsächlicher Ereignisse, ein wenig Humor und irgendwie so etwas wie ein tragischer Abgesang liegen vor mir. Bei mir landet der Autor damit sehr gut. Welch eine Tragik liegt über den letzten 100 Jahren Russlands !
Solomon Richter stirbt auf der letzten Seite des Romans. Er steht für eine Generation, die ihr Leben lang auf der
Suche war nach einem besseren Leben, nie für sich allein, für die Demokratie !
Jetzt am Ende seines Lebens stirbt da auch die Demokratie in Russland und Europa ?
Ein großer Russlandroman, der sich mit der Entwicklung der Demokratie eines ganzen Kontinents beschäftigt !!!
Maxim Kantor
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
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Rotes Licht
Neue Rezensionen zu Maxim Kantor
Normalerweise beginne ich meine Rezensionen immer damit, den Inhalt des Buches kurz zusammenzufassen oder einen Überblick über das thematische Spektrum des von mir gelesenen Romans zu geben. Dass ich bei Maxim Kantors 700-Seiten Epos Rotes Licht nicht dazu in der Lage sein werde, wurde mir schon nach der Lektüre der ersten paar Seiten bewusst. Sicherlich kann ich darauf hinweisen, dass Rotes Licht nicht nur der Roman eines russischen Autors, sondern auch ein Roman über die russische Geschichte ist; ich kann anmerken, dass der Fokus stark auf dem 20. Jahrhundert liegt und dem Zweiten Weltkrieg liegt, dass aber ebenso der Beginn des Ukrainekonflikts und die gegenwärtigen innenpolitischen Entwicklungen Russlands zur Sprache kommen; ebenso kann ich sagen, dass ein Mord eine Rolle spielt und das Schicksal verschiedener russischer Familien über mehrere Generationen beleuchtet wird. Doch das alles reicht nicht aus, um den Inhalt von Rotes Licht widerzugeben, spart es doch die vielen philosophischen, literarischen, kunstgeschichtlichen und historischen Anspielungen aus, die den gesamten Text durchziehen und die den Roman doch größtenteils zu dem machen, was er ist.
Das Schicksal erfüllt sich in drei Schritten: Dreimal wird der Schlüssel im Schicksalsschloss gedreht. Großvater – Vater – Sohn; klick – klick – klick – und die Zellentür schließt sich. Drei Akte des Dramas, das jeder sich ansehen kann. Der Großvater hat die Konturen des Schicksals skizziert, der Vater im Hauptakt mitgewirkt, die finalen Dramenszenen aber werden von den Kindern gespielt werden müssen. In der Regel dauert dieses Drama ein ganzes Jahrhundert. (S. 654)
Was dieses „was“ genau ist, kann ich nicht sagen. Auch ob ich mit meinen obigen Einschätzungen richtig liege, weiß ich nicht. Denn über weite Strecken der Lektüre war ich auf den Seiten verloren. Das liegt nicht allein an Maxim Kantors thematisch anspruchsvoller Breite wie tiefe, sondern auch an seinem fragmentarischen und assoziativen Stil. Zwar gibt es so etwas wie Hauptfiguren, zwar weisen die einzelnen Kapitel hin und wieder einen kohärenten Erzählstrang auf; insgesamt erscheint Rotes Licht jedoch als Mosaik von Gedanken, Erzählungen, Schicksalen und historischen wie literarischen Persönlichkeiten. Sie alle haben vermutlich ihre Funktion in diesem Roman, doch wie alles miteinander zusammengehört, konnte ich bis zum Schluss nicht enträtseln.
Darf man denn alle Schicksale in einer einzigen Geschichte vermischen? Man darf, wie man sieht. (S. 575)
Insgesamt habe ich die Lektüre von Rotes Licht als sehr intensiv, gleichzeitig aber auch als sehr flüchtig erlebt. Intensiv war sie nicht nur, weil ich während des Lesens viel recherchier habe, sondern mich quasi, indem ich mich durch den Text gebissen habe, in ihn verbissen habe. So merkwürdig das nach meinen vorherigen Worten klingen mag, lässt einen Rotes Licht ab einem gewissen Moment nicht mehr los: Man fühlt sich herausgefordert, kann sich auch durchaus an den hochintellektuellen und bisweilen unkonventionellen Gedanken erfreuen und findet etwas Lehrreiches in dem Roman. Nichtsdestotrotz blieb über viele Seiten ein Gefühl der Ratlosigkeit und des Unverständnis. Zu oft habe ich mich gefragt, was ich hier eigentlich lese und was man mir mit dem Geschriebenen mitteilen möchte. So ganz angekommen bin ich auf den 700 Seiten nie, Frust und Verlorenheit stellten sich beim Aufschlagen des Buchs immer wieder ein. Und so weiß ich auch nach dem Lesen und nach dem Schreiben dieser Besprechung immer noch nicht, ob ich das Buch nun empfehlen kann und ob ich die Lektüre nicht in gewisser Weise doch bereue. Meine Unschlüssigkeit spiegelt sich daher auch in der Bewertung wieder: 3 Sterne!
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