Die vielbeschworenen "goldenen Zwanziger", in deren Zeitspanne Berlin zur Kulturmetropole wurde, werden in diesem Buch aus erotischem Blickwinkel betrachtet. Seien es Nachtclubs, Amüsiermeilen, Bars oder S/M Studios - die Historie des sexuell auschweifenden Berlins von 1920 - 1933 wird detailliert erläutert und mit vielerlei Bildern und Zeichnungen visualisiert. Für Freunde der Weimarer Republik durchaus mal einen Blick wert.
Mel Gordon
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Sündiges Berlin
Erik Jan Hanussen
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Herschmann Chaim Steinschneider wurde 1889 in Wien Ottakring als hebräischer Junge geboren. Diese sehr kurzweilige und informative Biografie erzählt reichhaltig bebildert und mit vielen Plakatmotiven und Zeitungsausschnitten aus jener Zeit versehen vom Leben dieses Mannes als armer Bettler in Wiens Strassen, über seine Tätigkeiten auf Jahrmärkten, in Zirkussen und auf den Bühnen Europas und Amerikas als Hypnotiseur, Hellseher, als Wünschelrutengänger und parapsychologischer Berater verschiedenster Polizeidienststellen. Als sich Steinschneider für einige Tage unerlaubt als Soldat von seiner Truppe entfernt und in einem Zug nach Wien den Wiener Charakterschauspieler und etwas windigen Impressario Josef "Peppi" Koller trifft war "Erich Jan Hanussen", Hellseher aus Kopenhagen, geboren. Unter diesem falschen Namen würde man den Fahnenflüchtigen auf einer Bühne in Wien nicht erkennen... später wurde Erich zum nordischen Erik geändert. Aus dem Wiener Juden war ein dänischer Nobelmann geworden... Faszinierend ist es zu verfolgen, dass sich das Blatt des Steinschneider-Hanussen in den dunkelsten Momenten seines Lebens immer wieder zum Guten wandte und er schlußendlich zu einem extrem wohlhabenden Mann mit einem enorm großen Bekanntheitsgrad wurde. 1931 traf Hanussen auf den an schwarzen Künsten sehr interessierten Graf Wolf Heinrich von Helldorf, der seines Zeichens einer der höchsten Führer der SA in Berlin war. Helldorf wurde zu einem der größten Schuldner Hanussens, der sich mit der Geldverleiherei eine gesicherte Position schaffen wollte. Im Juni 1932 stellte Helldorf dann Hanussen dem Führer vor, der ebenso wie Helldorf sehr an Okkultem interessiert war. Hanussen profitierte von diesem Interesse und konnte durch seine Nazi-Kontakte und durch seine Hellsehershows und seine astrologische Zeitung großes Interesse auf sich ziehen und in Berlin schlußendlich den pompösen "Palast des Okkulten" errichten. In der Eröffnungsnacht des Palastes, am 26. Feber 1933, hypnotisierte Hanussen die tschechoslowakische Schauspielerin Maria Paudler, die in Hypnose "Da ist Feuer. Ich sehe ein großes Haus in Flammen stehen" ausrief. 20 Stunden später brannte der Reichstag. Widersacher und Neider Hanussens begannen eifrigst, die jüdische Abstammung Steinschneider-Hanussen's zu publizieren und so wurde der Mann für das Nazi-Regime ein Dorn im Auge. Die bei ihm schwer verschuldeten SA-Männer Karl Ernst, Wilhelm Ohst sowie Graf Helldorf distanzierten sich daraufhin freundschaftlich wie geschäftlich von ihm. Der "Mann, der niemals falsch liegt", der "Prophet des Dritten Reiches", welchem vermeintliche hellseherische Fähigkeiten und ein Sechster Sinn von anerkannten Wissenschaftern bescheinigt wurden (obwohl Steinschneider sie selbst oft als Bühnentricks erklärte), sah seinen Tod durch diese Männer nicht kommen. Am 23. März 1933 wurde Hanussen in seiner Privatwohnung verhaftet und in der Nacht des 24. März erschossen. Seine Leiche wurde Tage später, schlimm durch Wildfraß verunstaltet, in einem Waldgebiet südlich Berlins aufgefunden.
Eine sehr lesenswerte Biografie und wunderbare geschichtliche Ergänzung rund um den Niedergang der Weimarer Republik und der dramatischen Götterdämmerung des Dritten Reiches.
Eine Stadt tanzte auf dem Vulkan. Die Jahre 1919 (in welchem der Kaiser nach Holland ins Exil ging und die strengen wilhelminischen Gesetze ihr Ende fanden) bis 1933 (in welchem Hitler's Machtergreifung dem Spaß nicht nur in Berlin das Ende setzte) schienen in Deutschland aufgrund des Wegfalls des einen Extrems bis zum Beginn des anderen Extrems zu einem explosiven Suchen und zur Erforschung neuer Werte und Grenzen geführt haben. Auch die Wirtschaftslage des Landes begünstigte Grauzonen vieler Betätigungsgebiete wie z. B. Prostitution oder Okkultismus. Ausländische Besucher konnten mit ihrer Währung um wenig Geld in Saus und Braus feiern und leben und haben dadurch auch sagenhafte Eindrücke von Berlin in die Welt hinaus tragen und somit damals das Bild des Sündenpfuhls und des erotischen Mekkas prägen können... ein Bild, welches man auch heute noch von dieser wunderbaren Stadt serviert bekommt. Der "britische Peter Pan" - Christopher Isherwood - war an der Zeichnung des "Sodom an der Spree" maßgeblich beteiligt. Das Buch schildert kurzweilig und informativ die schillernde Vielfalt Berlins in jenen Jahren: In Kapiteln über die sexuelle Bandbreite der Stadt (von den verschiedensten Formen der Prostitution und des schwullesbischen Lebens oder den sexuellen Grenzgängern bis hin zu interessanten Berichten über Nudistenvereine, dem Lustschmerz Ergebenen und anerkannten Sexualwissenschaftern wie Dr. Magnus Hirschfeld), dem Aufblühen des Okkultismus (u. a. Hanussen) und der Sexualmagie über die Verbrecherwelt bis hin zum Weltenbrand in den 30er Jahren schildert das Buch mit ausführlichen Beschreibungen von Lokalen, Typen und Jargons und unterstützt von ausgefallenem, seltenen, amüsanten wie auch verwunderlichen Bildmaterial eine unglaubliche lebhafte Periode der Stadt... die damals trotz der jämmerlichen Lage zu feiern verstand. Dem Buch ist auch eine CD beigefügt, die musikalisch die erotische Stimmung der sündigen Jahre zu vermitteln weiß.
Wer sich für Berlin und die Geschichte der Stadt interessiert - dies ist eine ideale Ergänzung zu den obligatorischen Stadtinformationen!
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