Mela Hartwig

 4,3 Sterne bei 11 Bewertungen

Lebenslauf

Geboren 1893 in Wien, war Mela Hartwig zunächst Schauspielerin. Sie heiratete den jüdischen Rechtsanwalt Robert Spira und verlegte ihren Lebensmittelpunkt nach Graz. Infolge der Veröffentlichung ihrer ersten Erzählungen (auf Fürsprache von Alfred Döblin) sowie des Novellenbands "Ekstasen" (1928) und des Romans "Das Weib ist ein Nichts" (1929) hatte sie Schwierigkeiten, als Jüdin von einem Verlag angenommen zu werden. Sie begann zu malen. 1938 emigrierte das Ehepaar – nach der Enteignung durch die Nazis und der Vernichtung von Mela Hartwigs Bildern – nach England, wo sie sich mit Virginia Woolf befreundete und in den Jahren 1946 bis 1948 die Romane "Der verlorene Traum" und "Inferno" schrieb, die zu Lebzeiten nie veröffentlicht wurden. 1967 starb sie in London. »Eine große Autorin der Moderne: Mela Hartwig war eine Pionierin im Beschreiben weiblicher Gefühlswelten.« (Gisela von Wysocki, Die Zeit)

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Mela Hartwig

Cover des Buches Bin ich ein überflüssiger Mensch? (ISBN: 9783990591697)

Bin ich ein überflüssiger Mensch?

(3)
Erschienen am 29.04.2024
Cover des Buches Das Weib ist ein Nichts (ISBN: 9783854206156)

Das Weib ist ein Nichts

(3)
Erschienen am 30.09.2022
Cover des Buches Inferno (ISBN: 9783990590201)

Inferno

(2)
Erschienen am 10.08.2018
Cover des Buches Der verlorene Traum (ISBN: 9783990591826)

Der verlorene Traum

(2)
Erschienen am 14.02.2025
Cover des Buches Das Verbrechen (ISBN: 9783854206590)

Das Verbrechen

(1)
Erschienen am 30.09.2022

Neue Rezensionen zu Mela Hartwig

Cover des Buches Der verlorene Traum (ISBN: 9783990591826)
MarcoLs avatar

Rezension zu "Der verlorene Traum" von Mela Hartwig

MarcoL
Literarisch sehr gediegener Roman über die Sehnsüchte einer (unterdrückten) Frau

Mela Hartwig (1893-1967) verfasste diesen bislang unveröffentlichten Roman in den Jahren 1943/44 in London, nachdem sie 1938 mit ihrem Ehemann vor den Nazis aus Graz floh.

Frau Dr. Barbara Brenner lebt eine ruhige, unspektakuläre Ehe. Ihr Mann ist ein angesagter Bakteriologe, und sie arbeitet bei ihm im Labor mit. Der Alltag ist geprägt von einer wiederkehrenden Monotonie, alles hatte seinen festen Platz, die zeitlichen Tagesabläufe scheinen in Stein gemeißelt. Sie ordnet sich ihrem Mann (zu dessen Wohl und Ego) unter, sei es beruflich wie auch auf der emotionalen Ebene.

Während eines Theaterbesuches entdeckt Barbara einen jungen Mann, einen Schönling, ein wahrer Adonis, der sie derart verzückt, dass ihr geordnetes (und zugegebener Maßen auch langweiliges) Leben gehörig ins Wanken gerät. Sie ist fortan besessen von dem Antlitz und setzt alles daran, die Bekanntschaft mit jenem Herren zu machen. Ihre Ehe gerät ins Trudeln, als sie äußert, ihre private Zeit auch gerne mal selbst zu bestimmen. Sie verstrickt und verheddert sich allmählich in ihrer Gefühlswelt. Ihr Mann, der zuerst so etwas wie Verständnis heuchelt, wendet sich mehr und mehr ab, spielt aber dennoch bis zu einem gewissen Punkt das Spiel mit und entpuppt sich stets als Spielleiter, schürt in Barbara große Gewissensbisse und setzt ihre Verzweiflung taktisch ein.

Selbstbestimmung der Frau versus gelebtes Patriarchat, das in der Gesellschaft etabliert ist. Zeitweise erscheinen die Zeilen wie ein Fiebertraum, in dem sich Barbara befindet. Traumwelten vermischen sich mit der Realität, drehen sich herum. Verzückung und Sehnsucht nehmen eine berauschende Fahrt auf, und prallen dann mit voller Wucht auf die Felsen der Realität.

S. 23: „Warum haderst du mit deinem Mann, warum haderst du mit deiner Arbeit? Hadere mit deinem eigenen Herzen, das sich an ein Traumbild gehängt hat, das sich an ein Traumbild verschenkt hat, das alles, was deine Wirklichkeit ausmacht, zunichtemachen will, damit du diesem Traumbild Einlass in die Wirklichkeit gewährst. Hadere mit deinem ganzen Herzen, das dich so übel berät.“ 

Schon früh im Roman drängen sich ihr die eigenen Zweifel auf und werden zu einem opus moderandi. Und schnell kommt dann auch die Frage auf: darf eine Frau fühlen und ein selbstbestimmtes Leben überhaupt führen? Oder ist sie auf Gedeih und Verderb dem Mann ausgeliefert, der es durchaus versteht, zu manipulieren?  Enden feministische Wünsche im uferlosen Meer der Unterdrückung?

Sprachlich ist dieser Roman eine Wucht – die meist langen Sätzen versprühen eine gewisse Atem- und Ausweglosigkeit der Protagonistin. Ich bin versucht, Parallelen zu Thomas Mann zu suchen, vor allem fällt mir dazu sein Werk „Tod in Venedig“ ein, wo ich ein paar Ähnlichkeiten, literarisch wie auch inhaltlich (angelehnt und im übertragenen Sinne) sehe. Auch sind Ähnlichkeiten im Grundmuster durchaus auch bei Gustave Flauberts „Madame Bovary“ zu finden.

Ganz große Leseempfehlung für diese wunderbaren Roman, den ich ohne zu zögern als „Literarisch wertvoll“ einstufe.

Cover des Buches Der verlorene Traum (ISBN: 9783990591826)
L

Rezension zu "Der verlorene Traum" von Mela Hartwig

Lust_auf_literatur
Der verlorene Traum

Heute stelle ich dir keinen zeitgenössischen Roman vor, sondern einen Roman, der bereits 1944 verfasst wurde und bis jetzt noch nie veröffentlich wurde. 

Er stammt von der österreichischen Schriftstellerin Mela (Melanie) Hartwig, geborene Hess, später verheiratete Spira, die in den frühen 20er Jahre an den Bühnen Österreichs als Schauspielerin arbeitete und später nach ihrer Heirat mit dem jüdischen Rechtsanwalt Robert Spira mit dem Schreiben begann.

Bis 1938 veröffentlichte sie einige, zum Teil als skandalös empfundene Novellen und Erzählungen. Dann musste sie zusammen mit ihrem Mann auf Grund des Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich und der beginnenden Naziherrschaft nach England emigrieren.


In England konnte sie nicht mehr an ihre schriftstellerischen Erfolge anknüpfen und der 1943/44 entstandene Roman „Der verlorenen Traum“ wurde nicht veröffentlicht. 


Für mich war der Roman also ziemlich besonders, da ich heute eigentlich hauptsächlich zeitgenössische Romane lese.

Allerdings fand ich hier eine sehr lesenswerte und auch empfehlenswerte Lektüre, die ich aber durchaus mit anderen Augen als moderne Romane las.


Wie in der Kurzbeschreibung bereits ausgeführt wird und der Titel ebenfalls andeutet, verliert sich die Hauptfigur des Romans, Barbara, in ihren Träumen und Sehnsüchten.

Ausgelöst wird Barbaras Abdriften in eine Traumwelt während eines Theaterbesuches durch den Anblick eines jungen Mannes mit wahrhaft überwältigender Ausstrahlung und einem besonderen Gesicht:

 

„Es war nicht schön, aber es war mehr als schön. Es war bezaubernd.“


Im folgenden beschreibt Hartwig unglaublich detailliert und psychologisch genau, was dieser bestrickende Anblick in Barbara auslöst, nämlich eine völlige Erschütterung ihrer selbst. Diese genaue Beobachtungsgabe und die nachvollziehbaren Beschreibungen von Barbaras Gefühlswelten bilden das Herzstück des gesamten Romans.

Ich kann als Leser*in mitbeobachten, wie ein zufälliger Blickwechsel im Theater Barbaras gesamtes Leben zu zerstören droht. Sie stellt nicht nur sich selbst in Frage, sondern sie bemerkt in ihrer eigentlich liebevollen und glücklichen Ehe ein ungerechtes Ungleichgewicht. Genauso hinterfragt sie auf ihrer Arbeitsstelle von plötzlicher Klarsichtigkeit ergriffen (oder umnachtet?) die Rollen- und Aufgabenverteilung.


Eine feministische Epiphanie?


Kurz wähne ich mich in einem feministischen Befreiungsroman, doch der weitere Verlauf der Handlung widerlegt schnell diese Lesart.

Hartwigs plastischen Schilderungen einer weiblichen Gefühlswelt können auch heute noch mit ihrer Echtheit und Genauigkeit bezaubern, das von ihr beschriebenen Idealbild einer Ehe wohl eher nicht.

Mir ist schon oft aufgefallen, dass in älteren Romanen eine Ehebeziehung beschrieben wird, die wir heute nicht mehr als gleichberechtigt empfinden. Stattdessen erinnert sie eher an das Verhältnis zwischen einem Vater und einer Tochter. 

So auch bei bei Hartwig. Barbaras Ehemann ist der moralische unerschütterliche Fels in der Brandung zu dem die verwirrte Barbara nach ihrer Läuterung zurückkehren kann. Seine Integrität und Verhalten ist über jeden Zweifel erhaben und wird nicht hinterfragt.

Mir macht das sehr deutlich, wie sehr sich weibliches Schreiben mittlerweile (teilweise) verändert hat.


Und obwohl ich „Der verlorene Traum“ mit einer gewissen Distanz und mehr analysierend lese, wirkt Hartwigs Prosa subtil auf mich und ich verspüre einen gewissen, vielleicht sogar ein bißchen unfreiwilligen Genuss angesichts des völlig ironiefreiens und romantischen Endes.


Ich würde „Der verlorene Traum“ sicher nicht als feminischen Roman bezeichnen sondern als bemerkenswertes Zeugnis von weiblichen Erleben und Schreiben aus einer anderen Zeit. Oder wie es auf dem Klappentext heißt: „diese fiebertraumartige Liebes- und Sehnsuchtsgeschischte führt zurück in eine Welt von gestern.“


Für mich war der Roman eine sehr lohnenswerte Lektüre, die sich von meinen anderen aktuellen Leseerfahrungen abhob. Ich hätte mir eventuell noch ein Nachwort oder eine Einordnung gewünscht, wie ich das schon von anderen Neuveröffentlichungen nicht zeitgenössischer Lektüre kenne. So aber blieb mir die Freiheit einer komplett eigenen Meinungsbildung.



„Flüchtiger als der Wind ist die Zeit, du kannst sie nicht aufhalten, keiner kann es.“

Cover des Buches Bin ich ein überflüssiger Mensch? (ISBN: 9783854205746)
JayBrontes avatar

Rezension zu "Bin ich ein überflüssiger Mensch?" von Mela Hartwig

JayBronte
Das Extrem der Mitte

Hartwigs Roman ist zirka in den Jahren 

1929-1931 entstanden und wurde zu ihren 
Lebzeiten nicht publiziert da Ihr Verlag 
aufgrund des veränderten Lesegeschmacks
des Publikums kein Absatzpublikum für den 
Roman sah das dem damals modernen Bild 
der selbstsicheren Frau, Der Kraftquelle des
 heimischen Herds eine Neurotikern
 gegenüberstellt die sich über die Normen 
ihrer Zeit hinwegsetzt. 

Setzte Hartwig den Schwerpunkt ihrer
vorangegangen Schriften in der Auslotung von 
Gegensätzen wie gut und böse, 
schön und hässlich begibt Sie sich nun in die
Mitte der Gesellschaft. Wobei sie ihren
s ozialkritischen Blickpunkt erstmals in 
einen historischen Kontext einarbeitet und auch
die sozialökonomischen Bedingungen der Zeit
des Geschehens einfließen lässt.

Das Übergeordnete 
Thema des Buchs ist die selbstdiagnostizierte 
'Durchschnittlichkeit' ihrer Protagonistin Aloisia.
Die sachliche und nüchterne Sprache der 
Ich-Erzählerin unterstreichen den inneren Kampf 
des Charakters die ihre Erinnerungen aufrollt
und jedes Indiz ihrer eigenen 
Empfindungslosigkeit gnadenlos gegen ihr 
eigenes Schicksal richtet. Analytisch geht Sie 
mit sich selbst und Ihrer eigenen
 'Mittelmässigkeit' ins Gericht, reflektiert jede 
Vergangene Handlung und Gefühlsregung.
Jeder Verdacht  eigener Gefühlskälte ein
Beweis sich  Wiederstands- und 
Wiederspruchslos in das  eigene Schicksal zu 
fügen. Doch spiegelt sich  darin auch eine 
stumme Aufforderung des  Wiederspruchs von
aussen gegen die eigene  Überflüssigkeit. 
Der eigentlichen Unsicherheit der Protagonistin 
bezogen auf ihren eigenen Wert stehen
Situationen gegenüber in denen sie den eigenen
und fremd Erwartungen zuwiederhandelt.
Eine Art aufbegehren gegen das vorbestimmte
Schicksal. 

Ein mutiges Buch das in mir beim Lesen ein ums 
andere Mal die Frage aufwarf wie hoch der
A nspruch der Gesellschaft und des Individuums
an den einzelnen sein darf bevor er zerbricht.
Wieviel Anpassung an Normen verträgt die 
Persönlichkeit bevor sie zu einem Schatten wird.
Ist das Buch auch historisch in einen zeitlichen 
Kontext eingebunden so hat es doch an 
Aktualität nicht verloren. Die Autorin lässt die 
Frage nach dem weiteren Schicksal ihrer
Protagonistin unbeantwortet offen auf das jeder 
Leser die Frage nach Schicksal oder kein 
Schicksal selber beantworten kann und muss.


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