Normalerweise gehen derartige Geschichten so, hässliches Entlein wird stattlicher Schwan. Um uns Leserinnen jedoch zu verblüffen, denn es handelt sich bei „Wife 22“ so was von einem Frauenroman, also um uns Frauen mordsmässig zu verblüffen, beginnt Melanie Gideon ihren Roman vorher - beim jugendlichen Schwansein. Aber nach einiger Zeit wird der Schwan flügellahm bis er dann doch ein hässliches Entlein wird- und erst dann wird das Entlein wieder zum Schwan. Was für eine Innovation! Natürlich ist das Ganze vorhersehbar - aber das macht nichts aus, komischerweise trägt die Story durch bis zum Ende - freilich, man muss Soap-Opera mögen!
Der Kommentar und das Leseerlebnis:
"Wife 22" entpuppt sich über weite Strecken als Briefroman (E-Mail für dich?) – und ich mag Briefromane nicht. Die fast 500 Seiten des Romans werden durch weiträumige Zeilenabstände und die Emailüberschriften plus Anrede + Adresse zu einem normalen 300 Seitenroman heruntergebrochen: das tut dem Roman gut.
Im weitesten Sinne geht es um die Ehekrise und Midlifecrisis einer gescheiterten Drehbuchautorin. Das vermittelte Frauenbild ist bedenklich. Wife 22 wird gleich zweimal gerettet werden (von einem Mann, klar, durch wen sonst). Oder sogar dreimal, wenn es gilt, dass ihr Kerl sie mal gesucht und gefunden hat, als sie sich am Berg verirrte. (Frauen haben kein Orientierungsvermögen, ich sag ja, das Frauenbild ist bedenklich).
Die Protagonistin Alice wird hellhörig und wütend, als ihr William-Ehemann im Streit zu ihr sagt, sie würde ein kleines Leben führen. Sie beginnt eine Internet-Beziehung, in der sie sich hemmungslos auskotzt.
Was dem Roman zugutekommt, ist, dass er weder Phrasen enthält noch allzu schwülstig ist; ja, man muss ihm zugestehen, dass die Dialoge oft richtig gut gelungen sind und die Rezensentin hat sich durchweg gut unterhalten, nachdem sie sich damit arrangiert hatte, dass Alice eben als Amerikanerin vieles zu verzeihen wäre, zum Beispiel einen Hang zu haben zu unerträglicher Albernheit, Sentimentalität und Übertreibungen. Unterm Strich wird die Thematik Midlife-Crisis jedoch glaubwürdig behandelt. Man darf jedoch auch nicht zu viel erwarten, schließlich, man sagte es bereits oben, handelt es sich um einen Frauenroman und Frauen haben lange Haare ... .
Fazit: Wenn man die üblichen amerikanischen Überkandideltheiten abzieht, ist „Wife 22“ tragbare, gute Unterhaltung.
Kategorie: L(s)eichte Unterhaltung
Verlag: Harper Collins, 2012