Rezension zu "Melanie Raabe über Lady Gaga" von Melanie Raabe
„Lady Gaga ist tot“.
Als Melanie Raabe im Dezember 2019 diese Meldung liest, ist sie erschüttert. Sie trauert wie um eine Freundin, obwohl sie Stefani Joanne Angelina Germanotta alias Lady Gaga nie persönlich begegnet ist. Bis Raabe herausfindet, dass es sich bei der Verstorbenen nicht um den Popstar, sondern um Deutschlands schönste Kuh handelt, verbringt sie viel Zeit damit, über ihre Beziehung zu Lady Gaga nachzudenken. Diese Gedanken teilt sie in Band 11 der KIWI Musikbibliothek.
Melanie Raabe verknüpft ihren eigenen Werdegang mit dem von Lady Gaga. Diese beiden Leben könnten nicht unterschiedlicher sein. Stefani wächst als musikalisches Wunderkind in New York auf. Mit ihrem Debutalbum The Fame wird sie zu Lady Gaga und weltweit als Ikone gefeiert. Falls sich in diesem Moment Pokerface in deinen Gehörgang bohrt – da nich für, Willkommen in Club, ich lauf da seit Wochen mit rum ...
Melanie dagegen verbringt eine gänzlich unmusikalische Kindheit in Deutschland. Als The Fame herauskommt, arbeitet sie tagsüber als Journalistin und schreibt nachts Romane, von deren Veröffentlichung sie noch nicht mal zu träumen wagt.
Das ändert sich, als Lady Gaga in ihr Leben tritt. Die leise Melanie wird zum Hardcore-Fan der lauten Stefani und liest alles, was sie über den Popstar in die Finger kriegt. Sie schreibt: „Während ich Lady Gaga dabei zusehe, wie sie seltsam und mutig und bisweilen skandalös ist, werde ich selbst ein bisschen mutiger.“ So mutig, dass sie sich ihren Traum, Romanautorin zu werden, erfüllt und inzwischen eine der bekanntesten deutschen Schriftstellerinnen ist.
Ich habe Melanie Raabe nicht als Autorin kennen gelernt, sondern als Host in meinem Lieblingspodcast, Raabe und Kampf, auf dessen dritte Staffel ich sehnlichst warte.. Dort spricht sie gemeinsam mit der Do-It-Yourself-Heimwerker-Künstlerin Laura Kampf über Kunst, Kreativität und das Freiberuflerinnendasein. Ein Podcast, bei dem ich sofort gute Laune bekomme. Erstens fühle ich mich als freiberufliche Autorin gesehen und zweitens ist es eine Pracht, diesen beiden Frauen zuzuhören. Sie gackern miteinander, geben viel von sich preis und gehen sehr wertschätzend miteinander um. Gerade Melanie Raabe habe ich dort als warmherzig, lustig und nahbar erlebt. Keine Spur von Bestseller-Literatinnendünkel.
Ihr Buch über Lady Gaga lässt sich schnell weglesen, wirkt aber lange nach. Ich habe jetzt erst so richtig verstanden, was für eine mutige Künstlerin Lady Gaga ist, die bei allem Ruhm auch zu ihrer körperlichen und psychischen Fragilität steht und die viele Menschen dazu inspiriert hat, verletzlich zu sein und sich immer wieder neu zu erfinden.
Besonders gut gefallen hat mir die magische Komponente in dieser Doppelvita. Es kommt immer wieder zu Traumbegegnungen zwischen Melanie Raabe und Lady Gaga, die so in der Realität wahrscheinlich nicht stattgefunden haben. Obwohl – man weiß es nicht.