Rezension zu "In Blut und Liebe - Erzählungen" von Constantin Dupien
Es heißt ja immer, man soll ein Buch nicht nach seinem Cover beurteilen. Genau das habe ich hier aber getan, denn die comic-artige Pistolenzeichnung mit rotem Blut als einzigem Farbtupfer? Genau mein Ding! Weckte in mir sofort Sin City-Assoziationen, und ich habe verruchte, brutale und überzeichnete Geschichten erwartet, die eventuell sogar die Grenzen dessen überschreiten, was man als „guter Geschmack“ bezeichnet. Bekommen habe ich allerdings etwas völlig anderes. Das ist natürlich per se nichts Schlechtes. Aber der Reihe nach.
Zuerst einmal möchte ich sagen, dass mir die Gestaltung des Buches sehr gefällt. Die Zeichnungen vor jeder Geschichte tragen zu einer Atmosphäre bei und stimmen auf das Kommende ein. Selbiges war wohl auch der Sinn der einleitendenden Kommentare von Vincent Voss, die jeder Kurzgeschichte vorangestellt sind. An sich eine interessante Idee.
Zunächst wurde ich jedoch von einem Vorwort einer Buchbloggerin, Carmen Weinand, begrüßt. Das hat mich etwas irritiert – Vorworte von Dritten kenne ich eigentlich nur aus Übersetzungen oder als einordnende Einleitung, wenn es sich um Bücher handelt, deren Autor*innen schon länger tot sind. In diesem Vorwort wird vor allem der Autor gelobt, und es fallen Sätze wie: „In dieser Sammlung werden nicht einfach nur Geschichten erzählt“ und: „Der geneigte Fan trash-lastiger Stories wird hier nicht bedient.“ (Ach, schade, da gingen meine Erwartungen vom Anfang dahin.) Das Buch enthalte „eher anspruchsvollere Werke, die […] sich im Nachhinein als schwere Kost erweisen.“ Oh je. Damit waren meine Erwartungen bis zum Mond hochgewachsen, aber andererseits: Welcher wirklich gute Autor hat es denn nötig, dem eigenen Buch solche Lobpreisungen voranzustellen? Ist es den Lesenden nicht zuzutrauen, selbst einzuschätzen, ob sie Texte anspruchsvoll finden?
Aber gut, so etwas kann man überblättern. Wären da nicht die bereits erwähnten einleitenden Kommentare vor jeder Kurzgeschichte, die von den Texten ebenfalls in den höchsten Tönen schwärmen. Wie toll und tiefgründig und philosophisch sie doch seien, wie sicher sich der Autor in seinem gewählten Genre bewege, und dass man nach der Lektüre einiges mit anderen Augen betrachten werde.
Und, wie sind denn nun die Geschichten? Sie sind platt. Belanglos. Lauwarm. Bleiben nicht hängen. Es sind Dystopien mit schwachem Worldbuilding, nichtssagende Liebesgeschichten, Horror ohne Tiefgang. Dabei sind sie keinesfalls schlecht geschrieben – der Autor scheint sein Handwerk (vor allem im Horror-Genre) gut zu beherrschen, nur wirken viele Geschichten an sich eher wie Schreibübungen ohne konkretes Ziel.
Beinahe lachen musste ich bei der Geschichte „Der Anfang oder das Ende“, in deren vorangestellten Kommentar es heißt: „Und das Schlussgedicht am Ende kann ich mir auch gut als Tätowierung auf dem Rücken vorstellen.“ Besagtes Schlussgedicht? Wirkt wie der lyrische Erguss eines Teenagers, der gerade die bahnbrechende Entdeckung gemacht hat, dass sich „Sein“ auf „Schein“ reimt.
Nur zwei Geschichten sind mir am Ende im Gedächtnis geblieben: Zum einen die Horror-Geschichte „Auge um Auge“, die ich tatsächlich spannend fand und deren Twist mir gut gefallen hat. Zum anderen „Meteoritenfeuer“ – auch wenn das Vorwort uns etwas anderes weismachen will, dieser Text ist Trash vom Feinsten, mit einem überzeichnet schießwütigen Macho-Colonel, der einer Alien-Invasion einen überraschenden, herrlich fiesen Twist gibt.
Ich weiß nicht, wie ich dieses Buch beurteilt hätte, wenn die Texte einfach nur für sich gestanden hätten, ohne davor gedruckte lobende Kommentare. Ich weiß auch nicht, wie ich es beurteilt hätte, wenn die Kommentare noch da wären, dafür die Texte aber tatsächlich gut gewesen wären. Jedenfalls bleibt mir am Ende eine hübsch gestaltete Sammlung mit mauen Kurzgeschichten, die ständig über den grünen Klee gelobt werden, wodurch das Buch einen arroganten, unsympathischen Flair erhält. Spaß beim Lesen kommt da nicht auf, und echte Tiefgründigkeit sieht auch anders aus.
