Rezension zu "Die Liebenden von Siena" von Melodie Rose Winawer
Was ich wollte: Eine Geschichte über Siena im 14. Jahrhundert (kurz vor, während und nach der Pest) und eine Frau, die versucht in dieser Zeit zurecht zu kommen und sich in die Stadt und einen Menschen verliebt.
Was ich bekommen habe: Eine Lovestory über zwei "perfekte" Personen, die immer wissen, was zu tun ist und alles können. Beatrice, die Protagonistin, spricht als moderne Amerikanern natürlich das perfekte Italienisch, das man zu der Zeit gesprochen hat. Sie hat schließlich Dante gelesen! Und natürlich wird sie auch sofort als Schreiberin im Hospital angestellt - nach ihrer Anstellung als Neurochirurgin ihr neuer Traumjob. Hilfreich ist auch ihre Gabe, Gedanken zu lesen und die Gefühle von anderen Menschen nachzufühlen. (Übrigens wird es nie aufgeklärt, warum sie so etwas kann und ihr Lover aus dem 14. Jahrhundert stellt das auch nicht in Frage.)
Aus dem Zeitsprung vom 21. ins 14. Jahrhundert haben sich sonst keine Schwierigkeiten ergeben, außer dass ihre Kleidung nicht angemessen war. Achja und die Büroklammer war natürlich etwas schräg...
Insgesamt war mir das Buch leider viel zu rosarot und die Charaktere eindimensional. Das Worldbuilding hat mir nicht gefallen - Details und teilweise auch Charaktere wurden nur erwähnt, wenn sie unmittelbar zur Erklärung einer Situation benötigt wurden. Außerdem waren Dinge plötzlich möglich, die vorher als unmöglich abgestempelt wurden (z. B. hat sie ein Tagebuch, das sie im 21. Jahrhundert in einem Archiv gefunden hat, nicht mit ins 14. Jahrhundert nehmen können. Da war es ja im Besitz von jemand anderem. Briefe, die dann aber zur Entlastung ihres vor Gericht stehenden Lovers führten, blieben ihr beim Zeitsprung aber erhalten).
Von historischer Korrektheit möchte ich gar nicht erst anfangen. Darüber könnte ich in einem fiktiven Roman noch hinwegsehen. Allerdings wurde hier versucht, zu dramatisieren und die großen Florentiner Familien (insbesondere die Medici) für den schweren Verlauf der Pest in Siena verantwortlich zu machen. Die Pest selbst wurde dann aber nur ein paar Seiten lang thematisiert. Viel wichtiger waren die ganzen anderen dramatischen Geschichten, die Beatrice selbstverständlich alle meistern konnte - vom Durchführen schwerer Operationen am Hirn und Geburtshilfe bei falsch herum liegendem Kind bis hin zur Lösung eines juristischen Prozesses im 14. Jahrhundert und Aufklärung der kriminellen Handlungen der Medici.