Cover des Buches Oscar Wilde im Kreuzverhör (ISBN: 9783896672407)
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Rezension zu Oscar Wilde im Kreuzverhör von Merlin Holland

Oscar Wilde im Kreuzverhör - Ein Drama

von Nespavanje vor 7 Jahren

Kurzmeinung: Dieses Niederschrift des Kreuzverhöres offenbart das Genie Oscar Wildes - man lauscht seinen Bonmots, seiner Schlag - und Sprachfertigkeit.

Rezension

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Nespavanjevor 7 Jahren

Als man am 18. Februar 1895 Lord Queensberry den Zutritt zu einem Club verweigerte, hinterließ der aufgebrachte Vater von Oscar Wildes Liebhaber Bosie (Lord Alfred Douglas), eine Visitenkarte mit einer persönlichen Nachricht für Wilde. Darauf stand sinngemäß: "Für Oscar Wilde - den posierenden Sodomiten." Allerdings war sie sehr unleserlich und mit einem Schreibfehler geschrieben (somdomite statt sodomite). Es gab zunächst sogar mehrere Interpretationen: "...To Oscar Wilde ponce and somdomite (Zuhälter und Sodomit), ...posing somdomite (posierender Sodomit) und ...posing as somdomite (der als Sodomit posiert), letztere Formulierung wurde vom Verfasser auch so gemeint, da er sie auch so autorisiert hat.


Bosies Vater wahr wohl so etwas wie ein wütender Irrer, der Oscar Wilde hasste und ihm bereits mehr als einmal aufgelauert und bedroht hatte. Und Oscar, der zwar sehr brilliant in seinem Schaffen war - ließ sich von Lord Alfred Douglas beinflussen und zu einem Verleumdungsprozess hinreißen. Der Ausgang ist hinreichend bekannt - es kam zur Gegenklage und damit auch zu zwei Jahren Haft für Oscar im Zuchthaus. Als er entlassen wurde war er Oscar Wilde gebrochener Mann. Verarmt und Vereinsamt starb er am 30. November 1900.


"Oscar Wilde im Kreuzprozess" ist von seinem Enkel Merlin Holland herausgebracht worden und enthält die erste vollständige Niederschrift des Queensberry-Prozesses. Sie offenbarten das Genie Oscar Wildes - man lauscht seinen Bonmots, seiner Schlag - und Sprachfertigkeit gegenüber seiner Ankläger und ehemaligen College-Freund Edward Carson. Man erkennt aber auch wie er nach und nach seine Gelassenheit und Fertigkeiten verliert, seine Naivität die zum Vorschein kommt und wie er sich gewissermaßen selbst auf die Anklagebank redete. Als Leser man möchte ihm zurufen: Oscarchen sei doch still. Rede dich nicht um Kopf und Kragen, aber genau das macht er.


Es ist eine Tragödie - wie Holland es in der Einleitung schreibt - denn Wilde war nicht nur wegen seiner sexuellen Orientierung angeklagt - sondern meiner Meinung auch wegen seiner ablehnenden Haltung gegenüber des viktorianischen Klassensystems und deren Moralvorstellungen und seinen ungezwungenen Umgang mit der Arbeitergesellschaft und "niederen Ständen". Das war in den Augen seiner Ankläger wohl sein größtes Verbrechen.

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