Rezension zu "Monster" von Micael Dahlén
Es dauerte leider eine Weile, bis bei mir der Groschen fiel. Auf eine solche intellektuelle und mentale Schwäche eines Autors war ich wirklich nicht gefasst.
Da liest man zunächst, dass Dahlen mit 34 Jahren einen Lehrstuhl an der Stockholm School of Economics erhielt und damit der jüngste Professor Schwedens wurde. Das beeindruckt. Außerdem scheint er in Schweden eine gewisse hyperaktive Medienpräsenz zu besitzen. Man erfährt nicht, was Dahlen wirklich antrieb, als er auf die Idee kam, auf eigene Kosten und nach erheblichen Mühen und fleißiger Vorarbeit fünf bekannte Serien-Mörder im Knast oder zu Hause zu besuchen. Er begab sich dazu in die USA, nach Japan und Dänemark.
Als Motiv nennt er die seltsame Aufmerksamkeit, die psychopathische Massenmörder in den Medien und beim jeweils anderen Geschlecht hervorrufen. Darüber hinaus scheinen solche Leute offenbar wegen dieser Aufmerksamkeit wahre Gelddruckmaschinen für clevere Geschäftsleute zu sein. Dahlen wollte also angeblich herausfinden, woran das liegt. Er widmet seinen Text den 23 Opfern seiner fünf ausgewählten Mörder, was sich im Nachhinein als reine Heuchelei herausstellt, wobei ich allerdings annehme, dass er das weder begreifen, noch einsehen wird.
Das Buch besteht eigentlich aus drei Teilen, die allerdings nicht so getrennt zu erkennen sind. Zunächst erklärt der Autor sein Vorhaben. Schon dort hätte ich verstehen können, dass er später im Text zum Fan-Club seiner fünf Lieblings-Psychopathen gehören wird. Aber da ich so etwas für völlig abwegig hielt, habe ich einige Aussagen zunächst nur etwas seltsam gefunden, mir aber keine weiteren Gedanken gemacht. Dann folgen fünf Abschnitte, in denen Dahlen auf diese Leute und den Besuch bei ihnen eingeht.
Irgendwann fiel dem Autor bei seinen Pilgerreisen wohl auf, dass auch er genau in das Schema gefallen war, dessen Ursachen und Wirkungsweisen er eigentlich aufklären wollte. Und dann beginnt er in der zweiten Hälfte seines Buches darüber nachzudenken, warum ihm das passiert war. Bei seiner Reputation konnte man eigentlich davon ausgehen, dass er der Sache wenigstens intellektuell einigermaßen gewachsen ist. Doch seine Erklärungsversuche sind mehr als dünn und obendrein in ihrer Verallgemeinerung recht fragwürdig. Das und sein mentaler Kniefall vor den angeblichen Persönlichkeiten psychopathischer Mörder erweisen sich als intellektueller Offenbarungseid eines überforderten Autors.
Zunächst düst Dahlen nach Japan zu Issei Sagawa, der in Freiheit lebt, aber anonym bleiben will, weil er sich sonst weder den Medien, noch seinen liebestollen weiblichen Verehrerinnen erwehren kann. Bevor Sagawa eine Dame zu sich vorlässt, erwartet er, dass sie ihre Vagina fotografisch dargestellt zur Begutachtung einschickt. Er scheint davon eine stattliche Sammlung zu besitzen, die er dem Autor vorführen wollte. Sagawa erschoss als Student in Paris eine holländische Kommilitonin, die ihm Deutsch im Privatunterricht beibringen sollte. Dann zerstückelte er sie, verging sich an Leichenteilen und aß sie anschließend. Der französische Staatsanwalt fand das so absurd, dass er auf eine Anklage verzichtete. Stattdessen ließ er Sagawa in die Klapse einweisen. Doch bald wurde das den Franzosen zu teuer, und sie schoben ihn nach Japan ab, wo er sofort in Freiheit kam. Dahlen nennt diesen Irren "den japanischen Riesen", obwohl er nur ein Zwerg ist.
Für seinen nächsten Liebling findet er die aburde Bezeichnung "der dänische Dämon". Peter Lundin ist ein Mehrfachmörder, für den es im dänischen Knast ein Zimmer gibt, in das man dessen zahlreiche Verehrerinnen schickt, damit Lundin sie dort fachgerecht vögeln kann. Angesichts solcher Zustände fragt mancher sich vielleicht, ob psychopathischer Massenmörder nicht eine geeignete Berufswahl sein könnte. Jedenfalls ist der Autor von der angeblichen Persönlichkeit Lundins völlig fasziniert. Vielleicht sollte er sich einfach einmal mit einigen Fachbüchern über Narzissmus auseinandersetzen und dann noch einmal seinen Text lesen. Darüber hinaus begreift Dahlen nicht, dass gewisse einschüchternde Verhaltensweisen, die sich im Milieu als nützlich erwiesen haben, nicht die Persönlichkeit eines Straftäters offenbaren, sondern sie verstecken sollen.
Es folgen Beschreibungen seiner Besuche bei einem der ersten Amokläufer an US-Schulen und einer Serien-Giftmörderin. Dann fährt er zu Charles Manson, den er liebevoll Charlie nennt. Er ist ganz aufgeregt, dass ihn dieser geistig völlig irre, zwergenhafte Massenmörder, der allerdings einen unbegreiflichen Kultstatus erlangt hat, tatsächlich im Knast empfängt. Erst eine Weile nach diesem Besuch dämmert es Dahlen so langsam, dass er wohl nun zu den Manson-Bewunderern gehört. Nicht unerwähnt sollte hier bleiben, dass ich nirgendwo in diesem Text wirkliche Empathie für die Leiden der Opfer dieser fünf Killer spüren konnte. Die aufgesetzte Widmung zu Beginn macht der Inhalt des Buches zunichte.
Später fährt Dahlen nach Hollywood und lässt sich dort von Insidern darüber aufklären, dass sich Mord in der Unterhaltungsindustrie am besten verkaufen lässt. Zurück in Schweden macht er eine Umfrage, aus der er erkennen muss, dass die soziale Anerkennung eines Menschen zu steigen scheint, wenn er jemanden umgebracht hat. Unterstützt wird diese Erkenntnis oberflächlich gesehen auch dadurch, dass sowohl Frauen als auch Männer wesentlich mehr Zuschriften bei Partnervermittlungen erhalten, wenn sie dieses Merkmal angeben.
Dahlens später folgende Erklärungsversuche für dieses Phänomen erweisen sich allerdings als ziemlich hilflos. Unsere Evolutionsgeschichte und unsere DNA müssen für das Dunkle in uns herhalten. Vielleicht ist es ja tatsächlich so, dass Mörder eine besondere Anziehung auf gewisse Vertreter des anderen Geschlechts ausüben, weil sie vermeintlich starke Gene besitzen und sich durchsetzen können. Irgendwie so erklärt es sich jedenfalls Dahlen.
Die Probleme einer solchen Erklärung beginnen jedoch schon, wenn man sich fragt, wer denn das ist, der so reagiert. Zieht sich ein solches Verhalten quer durch alle Schichten gewissermaßen undifferenziert, oder gibt es Korrelationen, zwischen einem solchen Verhalten und gewissen Merkmalen und Eigenschaften bei Menschen? Auf diese naheliegende Frage kommt der Autor aber erst gar nicht. Und das wiederum ist kein Zufall, denn nicht erst hier zeigt sich, dass Dahlen seinem selbstgewählten Thema weder mental noch geistig gewachsen ist.
Immerhin aber lohnt sich das Lesen dieses Buches trotz alledem, eben weil es einer interessanten Fragestellung nachgeht und an ihr kläglich scheitert.