Eine Detektivin, die mit ihren ganz persönlichen Dämonen kämpft, Korruption im Polizeiapparat und Grundstücksspekulationen in einer Gegend, in der nach dem Ende der Apartheid kaum etwas geändert hat: «Stunde der Dunkelheit» ist ein Thriller aus Kapstadt.
Die Menschen in Constantia, einem Vorort Kapstadts, wollen zur alljährlichen «Earth Hour» Energiebewusstsein zeigen. Kriminellen kommt die «Stunde der Dunkelheit» zugute, wenn in der streng gesicherten Festung der reichen Weißen die Elektronik der Sicherheitsanlagen eine Stunde lang pausiert. Eine junge Mutter wird entführt, die farbige Detektivin Persy Jones ermittelt. Der Fall wird für die Polizistin zur Konfrontation mit ihren eigenen Dämonen.
Mit ihrem Kapstadt-Thriller «Stunde der Dunkelheit» hat die südafrikanische Autorin Michéle Rowe auch ein Porträt der Gesellschaft ihres Heimatlandes gezeichnet, die auch Jahre nach dem Ende des Apartheid-Regimes von Ungleichheit und Denken in Rassen-Schablonen geprägt ist.
Menschen wie Persy sind für einige zu schwarz und für andere nicht schwarz genug. Als sie im Rahmen ihrer Ermittlungen zu einer Abendgesellschaft dazu stößt, wird sie erst einmal für eine Kellnerin gehalten - im noblen Constantia, zwischen Weinbergen und Sicherheitszäunen, leben die Weißen schließlich weiterhin unter sich. Wer dort eine dunkle Haut hat, ist Wachmann, Gärtner oder Hausangestellte.
Dass sie, als einzige gerade zur Verfügung stehende Beamtin, sich um die beiden kleinen Söhne der entführten Frau kümmern muss, passt Jones gar nicht. Sie könne mit Kindern nichts anfangen, versichert sie ihrem Partner und Liebhaber, der nicht nur weiß ist, sondern obendrein mit ihrer Chefin verheiratet. Doch dann packt sie das Schicksal dieser Familie.
Persy versteht die Jungen nur zu gut: Ihre Mutter verschwand spurlos, als sie sieben Jahre alt war. Ihr Großvater, der vor einem Jahr starb, zog sie auf. Der Verlust prägt sie immer noch. Dann wird obendrein bekannt, dass ein 17-jähriges Mädchen in der Nacht der Entführung verschwunden ist - ein weiteres Verbrechen?
Bei ihren Ermittlungen stößt die Detektivin nicht nur auf rassistische Borniertheit bei Familien, denen sie zu helfen versucht, auch unter den Kollegen hat sie einen schweren Stand. Korruption und Machtmissbrauch, ein gewalttätiges Machotum treten immer wieder zutage. Als die Polizistin dann auch noch die Rolle eines schwarzen Politikers in einem Streit um Grundstücke in Constantia untersucht, stößt sie in ein politisches Wespennest und weiß bald nicht mehr, wem sie überhaupt noch trauen kann.
Alkohol und Sex werden zur Flucht aus der quälenden Vergangenheit und einer Gegenwart, in der Persy immer öfter gegen Windmühlen zu kämpfen scheint. Dass sie obendrein in einer höchstkomplizierten Beziehung mit einem verheiraten Mann steckt, der obendrein der Noch-Ehemann ihrer ehrgeizigen Chefin ist, trägt auch nicht gerade zur Beruhigung der Detektivin bei.
«Stunde der Dunkelheit» ist düster, mit einer Anti-Heldin, die sowohl rau als auch verletzlich ist. Es ist auch eine Abrechnung mit einem Südafrika, das den Traum der «Regenbogennation» noch lange nicht verwirklicht hat. «Wenn das hier ein neues Land ist, wieso ist es dann genauso voller Scheiße wie das alte?» fragt eine desillusionierte Persy am Ende.
Michèle Rowe
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
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Kap der Lügen
Stunde der Dunkelheit
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Mit Michèle Rowe tritt eine Krimi- und Thrillerautorin auf den Plan, die sich aus meiner Sicht nicht hinter den vielgepriesenen skandinavischen Autoren verstecken muss. Der Aufbau ihres Romans ist vielschichtig, und sie flechtet gekonnt die Situation der Farbigen und der Weißen im heutigen Südafrika in ihren Roman ein. Man hat das Gefühl, das Land so zu erleben, wie es ein Einheimischer erleben würde – was nicht verwundert, denn die Autorin hat in Johannesburg und Kapstadt studiert und lebt in Südafrika. Sie schreibt also nicht – wie es in letzter Zeit so oft bei Krimis mit exotischem Setting der Fall ist – aus der Ferne, sondern aus der Nähe. Und sie hat einen guten Blick für Details und Stimmungen.
Die Korruption im Polizeiapparat spricht sie ebenso an wie die Landaufkäufe reicher Weißer zulasten der Farbigen. Das hat Existenzen bedroht, Familien zerrissen, ihnen die Lebensgrundlage geraubt. Rowe zeichnet nicht das Bild eines schmucken Urlaubslandes. Sondern (aus meiner Sicht) ein realistisches Bild eines gebeutelten Landes, das es nicht schafft, zu dem zu werden, was es sich vorgenommen hat. Manchmal hat mich weniger die Handlung des Kriminalromans, als vielmehr die Beschreibung der Lebensumstände gefesselt.
Der Kriminalfall an sich war gut aufgebaut und wartet am Schluss mit einer überraschenden Wendung auf, welche die vielen Bruchstücke zu einem Großen Ganzen zusammensetzt. Erst am Schluss wurde mir so richtig klar, warum es schon am Anfang um so viele Nebenhandlungen ging… Da hätte ich mir einen etwas deutlicheren roten Faden gewünscht, aber letztlich spielte ja alles ineinander und rückschauend betrachtet ist das auch alles logisch.
Insgesamt ist das Buch sicher nicht nur für Krimifans interessant, sondern auch für Leser, die sich für ein gesellschaftliches Bild von Südafrika interessieren.
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