Die Welt hat sich weitergedreht
von annlu
Kurzmeinung: Endzeitstimmung, die einem das Grauen lehrt
Rezension
Der neue Tag beginnt mit der gleichen Dunkelheit wie die Tage davor. Fast eine Minute lausche ich angestrengt. Doch dieser unheimliche Laut, seit Tagen das Einzige, das das Schweigen der Welt unterbricht, wiederholt sich nicht.
Graues Land 1
Der alte Harvey lebt abseits anderer Menschen mit seiner kranken Frau Sarah in einer kleinen Hütte am Waldrand. Seit Tagen hat er niemanden mehr gesehen – die letzten Nachrichten im Fernsehen kündigten von weltweiten Katastrophen. Ohne Strom und warmes Wasser kümmert er sich um seine bettlägrige, apathische Frau und macht sich Gedanken um die Welt. Dass diese nicht mehr die selbe ist, hat auch er mitbekommen. Doch erst seit er im Garten auf eine unheimliche Kreatur gestoßen ist, ist ihm die Gefahr bewusst, in der er sich befindet. Als die Vorräte ausgehen, wagt er sich aus der vermeintlichen Sicherheit der Hütte in die neue Welt hinaus.
Die Geschichte wird von Harvey selbst erzählt. Die Perspektive des alten Mannes bringt es mit sich, dass er gedanklich immer wieder abschweift. Seien es Erinnerungen an die guten, alten Zeiten mit seiner geliebten Sarah, als auch Gedanken zu Gott und der Welt, immer wieder fügt er sie in seine Erzählung ein. Gerade dadurch wurde diese sehr melancholisch und traurig. Schon die Situation mit seiner Frau alleine hätte dafür ausgereicht. Die Veränderungen in der Welt, die sich in ihren Beschreibungen zuerst auf den kleinen Bereich um Harvey beziehen, bringen eine Stimmung mit sich, die Gefahr erahnen lässt. Dafür sorgen zu Beginn die lebenslangen Albträume von Harvey, danach die fast wie nebenbei erzählten Begegnungen mit den Kreaturen aus dem Wald.
Zu Begegnungen mit anderen Menschen kommt es selten. Da der Leser nur über die Informationen verfügt, die auch Harvey hat, wird erst langsam und nicht mit bestimmter Sicherheit erzählt, was mit der Welt passiert ist. So ist auch nicht klar, wo sich die verschwundenen Menschen aufhalten und was für ein Schicksal sie erleiden mussten.
Während mir der Beginn sehr gut gefallen hat, hatte ich zur Mitte hin einen Hänger, bei dem ich mir mehr Handlung und weniger Gedanken Harveys gewünscht hätte. Als diese dann in Form von anderen Menschen und ihren Erlebnissen kam, konnte ich wieder richtig ins Buch eintauchen. Das Ende kam mir im Gegensatz zu den vorherigen Beschreibungen fast schon rasant vor. Obwohl es sehr heftig war, fand ich es sehr passend – es hat meine Einschätzung des Buches erhöht, sodass ich über den etwas langwierigeren Part in der Mitte hinwegsehen konnte.
Fazit: Die Geschichte hat eine Vielzahl an Gefühlen bei mir ausgelöst – einerseits fand ich die Situation von Harvey und Sarah traurig, andererseits konnte ich mich mit Harvey mitfürchten und seine Melancholie mitfühlen. Das Ende war gruselig – aber sehr gut!