Rezension zu "Adriana läßt grüßen" von Michael G Fritz
Boris Helmer muss Adriana finden. Durch einen komischen Zufall fiel ihm ein Koffer in die Hände – darinnen: Fotos einer fremden Frau. Warum er sie behält, weiß er selbst nicht, nur das: Er will sie ihr unbedingt zurückbringen.
Es folgt eine Odyssee durch Berlin, Köln und wieder Berlin, durch die Zeit und seine eigene Familiengeschichte, die Adriana wieder zu wecken scheint, obwohl sie damit gar nichts zu tun hat.
Fritz ist ein Erzähler, schreibt deskriptiv und mit viel Abstand; nicht einmal wörtliche Rede wird optisch hervorgehoben. Die Zwischeneinschübe sind manchmal umständlich, aber die Wortwahl passend mit einem Auge für Details. Bildhaft und mit Humor beschreibt er das Leben der einfachen Leute. Seine tiefe Recherche vermittelt ein glaubhaftes Gefühl für die Zeit.
»Er erinnerte sich im Moment an nichts, nur an das entschieden zu laute Vogelgezwitscher am Morgen. Es war das erste, was er vernommen hatte. Wenn die Stadt noch nicht erwacht ist, kein Auto über bettwarmes Pflaster fährt, höchstens eine S-Bahn mit ihrem fernen Tak-tak-tak, Tak-tak-tak die Luft erschüttert, nur wenige Passanten über das Trottoir eilen, diejenigen, die nach Hause wollen, und jene, die zur Arbeit streben, dann sind die Vögel die einzigen, die überall zu hören sind und das Leben der Stadt ausmachen, und wie!«
Der Plot gibt nicht viel her, viel mehr geht es dazwischen immer wieder um die Familiengeschichte, die in Ostpreußen beginnt und parallel in einer anderen Zeit erzählt wird. Fritz beschreibt unterschiedliche Zeiten mit teilweise gleichen Protagonisten in unterschiedlichem Alter oder auch verschiedene Figuren mit gleichen Namen... Er verflechtet die Chronik ineinander und macht dem Leser den Überblick nicht leicht.
Szenen wechseln unangekündigt, die obgleich authentischen Figuren haben oft nur wenig Nähe zum Leser; die Entwicklung der Hauptfigur Boris vom Unternehmer zum Obdachlosen kann man nur aus der Ferne bestaunen, aber nicht nachfühlen.
Ein Roman, dessen Anspruch es ist, den Leser auf dem Genuss der Sprache davonzutragen, ohne ihn emotional zu sehr aufzuwühlen.
»Der Petticoat gehörte zu der Zeit wie Elvis Presley und die peitschenden Töne des Rock 'n' Roll, wie der Pferdeschwanz der Frauen, der beim Tanz im Rhythmus wippte, und Kaugummi, der immerfort bewegt werden wollte.«