Cover des Buches Die Dilettanten (ISBN: 9783954030644)
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Rezension zu Die Dilettanten von Michael Hingston

Studentisches Einerlei-Leben

von berlinbuch vor 9 Jahren

Rezension

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berlinbuchvor 9 Jahren
Im November 2012, vor ziemlich genau zwei Jahren also, veröffentlichte Christy Wampole in der New York Times einen Essay mit dem Titel "How to Live Without Irony". Sie beschreibt darin, wie im Hipster die Totalironisierung sämtlicher Lebensbereiche Fleisch wird, während sich der Lebensstil gleichzeitig gegen jegliche Kritik immunisiert, weil ja nichts ernst gemeint ist.
"Die Dilettanten" ist die Romanwerdung der Überlegungen, die sie in diesem Essay anstellt. Sie schließt mit der Überwindung der Ironie einfach durch Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit.

Der Roman enthält einige wunderschöne Bilder – sich "schimmelig fühlen" ist eine hervorragende Beschreibung, die Beschreibung zweier sich wie Hollywoodstars küssender Zahnbürsten in ihrem Glas eine ebenfalls berührende Beobachtung.
Mein Text-Professor hätte bei einem Teil der nun folgenden Rezension gerufen: "Sie sind viel zu plotgetrieben!" Aber ein wenig Plot im Sinne von Inhalt, gar von Konflikt, hätte dem Roman sicher gut getan. Denn angesichts des Inhalts – die etablierte Studentenzeitung bekommt Konkurrenz durch ein Gratis-Boulevardblatt, ein Action-Schauspieler-turned-Student versucht, Präsident des Student Council zu werden – bleibt der Leser kühl und unberührt. Beiden Handlungssträngen geht jegliche dramaturgische Fallhöhe ab.
Natürlich gelingen Hingston gute Beschreibungen von Prokrastination und Deadlines, den Alltagsbegleitern von Studierenden aller Zeiten. Und am Ende kommt der Protagonist Alex, der mehr oder minder ein Alter Ego des Autors sein dürfte, in der wirklichen Welt an – er beendet die Uni und hat ein Gespräch mit einem "richtigen" Journalisten, der ihm Talent zugesteht, ihm aber rät, seine Publikumsverachtung zu bekämpfen, weil man sonst nicht schreiben könne. Insofern ist der Roman auch ein klassischer Coming-of-Age-Roman; wir sehen, wie für junge Akademiker die Jugend in einer Art Moratorium weit in die 20er ausgedehnt wird. Aber benötigt es dafür einen weiteren Roman?
Die Intention des Autors lässt sich am ehesten beim Gang des Protagonisten Alex in ein Antiquariat ablesen: "Egal wie schmal oder unterschätzt der Rest des Buchs war, der Name auf dem Titel war der handfeste Beleg des eigenen Vermächtnisses – ja der schieren Tatsache der eigenen Existenz." (S. 166)
Zu der Plotschwäche, die natürlich auch schwer geschmacksabhängig ist, kommt die zuweilen fürchterliche Übersetzung.

Die Übersetzung "Türstopper" für ein dickes Buch sagt man im Deutschen einfach nicht, es hieße eher Ziegel oder Schinken (S. 167). "Das passiert den besten von uns." (S. 169) – so spricht niemand in der wörtlichen Übersetzung. "Ich glaub's nicht, was eben passiert ist." (235) Hier fehlt der Übersetzerin eine gekonnte Übertragung in gutes Alltagsdeutsch. Dergleichen findet sich weitaus zu häufig (es gibt Beispiele in Legion), sodass man das Lektorat mit verantwortlich machen muss.
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