Ein deutsches Wirtschaftsleben
Ein ernst zu nehmender Betrachter wirtschaftlicher Vorgänge. Einer, der seriös reflektiert, differenziert argumentiert und der, vor allem, mit seinen Prognosen oft völlig richtig liegt, auch das ist Dieter Spethmann.
Der ehemalige Vorstand des Thyssen Konzerns wird seit Jahren nicht müde, auf Fehlentwicklungen hinzuweisen, an der Politik und der Wirtschaft „zu rütteln“. Ohne Zweifel ist nachlesbar, dass Spethmann bereits 2003 genau jene Gefahren benannt hat, die im Euro Konstrukt lagen und die nun in den letzten Jahren mit Macht Wirtschaft und Politik der Euro Zone erschüttern.
Ebenso, wie seine Einlassungen zu einer Neuordnung der Industriepolitik, seine Forderung nach einer „dritten industriellen Revolution“ überzeugend im Raume standen (und stehen), dabei allzu oft ungehört verhallen.
Einer also, der sich einmischt und das mit Kompetenz, denn Spethmann hat ein gefülltes, erfolgreiches und gestaltendes „Industriellenleben“ gelebt. Einer, der nachgewiesen hat, „das er es kann“. Nicht nur mit seiner höchst erfolgreichen Steuerung und Neuaufstellung des Thyssen Konzerns, den er von 1973 bis 1991 leitete.
Wobei es ein Fehler wäre, Spethmann nur auf diese, öffentlich sicher „sichtbarste“ Zeit zu reduzieren. Grundlegend ist Spethmann einer jener Männer, die Zeichen der Zeit erkennen, zu deuten wissen und immer wieder auch in der Lage sind, sich selber den Gegebenheiten reflektierend zu nähern und jeweils die passenden Schlüsse daraus zu ziehen. Eine Eigenschaft die ihn Zeit seines Lebens begleitete und die Michael Kamp unter anderem in seiner umfangreichen Biographie herausarbeitet.
Chronologisch aufgebaut erfährt der Leser so nicht nur von Kindheit, Jugend und Kriegszeit, natürlich von der prägenden Zeit bei Thyssen, sondern sieht auch den Weg dorthin von aufgezeigt. Hoch interessant (und beispielhaft für eine ganze Generation von Akteuren der „Deutschland AG) sind die Jahre (auch innerer) Entwicklung nach dem Krieg mit Spethmanns beginnender Affinität zum Ruhrgebiet („der richtige Fleck“) und zur jungen deutschen Demokratie. Ebenso kann die innere Grundlegung Spethmanns im Rahmen seiner Studienjahre nachvollzogen werden, die eng mit Erich Schneider und William Henry Beveridge verbunden sind.
Eine Erfolgsgeschichte zunächst wirtschaftlicher Natur, das ist der eine Teil des Lebens von Dieter Spethmann. Doch immer schwang und schwingt in seinem Denken und Handeln ein „Mehr“ mit. Spethmann ist und war, wie Kamp ebenfalls detailliert herausstellt, ein „politischer Bürger“. Einer, der nicht nur auf seinen persönlichen Erfolg und den seiner jeweiligen Firma achtete, sondern der über den eigenen Tellerrand hinausschaut und das „große Ganze“ in den Blick nimmt. Geprägt (und im Buch nachlesbar) durch die wirtschaftliche, aber auch politische Geschichte der Bundesrepublik bis hin zur Wiedervereinigung und dann mit klarem Blick einer der profilierten Euro-Kritiker und Mahner (völlig zu Recht, wie sich inzwischen herausgestellt hat).
Die Entwicklung eines (erfolgreichen) Lebens, das über den engen Tellerrand immer schon hinausgedacht hat. Eine Zeitgeschichte der Entwicklung Deutschlands in den letzten 65 Jahren. Eine „Bestandsaufnahme“ gegenwärtiger Krisen, deren Ursachen und möglicher Auswege, all dies bündelt Michael Kamp sachlich und ergänzt durch Bildmaterial in dieser lesenswerten Biographie, in der Spethmann als „politischer Bürger“ und „Mitgestalter“ auf wirtschaftlicher und politischer Ebene umfassend dargestellt wird.